Egal ob vor, mitten in oder nach der Pandemie: Stoppt das Krankenhaussterben!

Während der Corona-Pandemie wurde deutlich, wie wichtig und auch wie über­fordert das deutsche Gesundheitswesen ist. Personalmangel, schlechte Arbeits­bedingungen, Investitionsstau – dies sind jedoch keine Probleme, die erst mit dem Virus auftauchten, sondern diese existieren schon viele Jahre. Aktuell wird die Diskussion über den Abbau von Krankenhauskapazitäten neu entfacht, der angeblich alle Prob­leme des Personalmangels und die Unterfinanzierung des Gesundheitswesens lösen könne.

Kliniksterben – nichts Neues

Allein im Jahr 2020 wurden 21 Krankenhäuser in Deutschland ge­schlossen. Weitere 30 Häuser stehen vor dem Aus. Während es kurz nach der Wiedervereinigung 1991 noch 2411 Kliniken im Land gab, waren es 2019 nur noch 19141. Diese Politik wird von diversen Studien, heraus­gegeben z. B. von der Akademie der Wissenschaften Leopoldina oder der Bertelsmann-Stiftung, unterstützt. Basierend auf den verwendeten Modellen soll es möglich sein, eine ausreichende Gesundheits­versorgung mit nur 330 bzw. 600 Krankenhäusern deutschlandweit zu erbringen. Die Schließungen sollen eine Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung und eine Behebung des Pflegenotstandes mit sich bringen. Als Paradebeispiel dafür gilt Dänemark. In dem Land mit rund 6 Mio. Einwohner:innen gab es in den 1990er Jahren ca. 100 Krankenhäuser – heute sind es nur noch 18 riesige Klinikzentren.

Behebung Pflegenotstand

Die Studien gehen davon aus, dass mit der Schließung kleiner Kliniken (weniger als 200 Betten) ca. 52.000 Pflegekräfte frei werden, welche dann den restlichen Kliniken zur Verfügung stehen würden. Doch Prognosen gehen von 100.000 bis 500.000 unbesetzten Pflegestellen in 2030 aus. Eine Umfrage der Gewerk­schaft verdi stellte fest, dass schon 2018 über 80.000 Pflegekräfte allein in Krankenhäusern fehlten. Personal­mangel wird daher nicht mit Schlie­ßungen und Zentralisierung der Gesundheitsversorgung beseitigt. Hauptursache für den Pflege­notstand sind die schlechten Arbeits­bedingungen. Laut Bundesagentur für Arbeit bleiben Pflegende durch­schnittlich 7,5 Jahre im Beruf. Ein Drittel der deutschen Pflegekräfte gilt als Burn-out gefährdet2.

Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung

Große Kliniken könnten eine 24/7 Versorgung gewährleisten, wären kosteneffizienter und hätten eine adäquate medizinisch-technische Ausstattung. Die ländliche Notfall­versorgung würde über ambulante Dienste geregelt. Der Vorstand der „Deutschen Stiftung Patienten­schutz“ Eugen Brysch sieht das anders: „In Zeiten des demografi­schen Wandels gebe es immer mehr Patient:innen, die keine Maximal­therapie3 benötigen“. Sondern die Erreichbarkeit sei bei vielen, vor allem älteren, Menschen ausschlag­gebend für die Klinikwahl. Bei ver­stärktem Abbau könnten dann ver­mehrt Fälle auftreten wie z. B. im April 2021 auf der Insel Sylt. Eine junge Frau hat ihr Kind auf einem Seenotkreuzer zur Welt bringen müssen – da es keine Geburtsklinik auf der Insel mehr gab4. Und für alle, die sich an die Einführung der DRGs (diagnosisbezogene Fallpauschalen) erinnern – auch hier wurde gesagt, dass dies die Qualität der medi­zinischen Versorgung und der Pflege erhöhen soll. Doch tatsächlich wurde die Pflege dadurch ökonomisiert und Patient:innen zur Profitmaschine de­gradiert (mehr dazu findet ihr auf www.krankenhaus-statt-fabrik.de).

Und Dänemark?

Während der dortigen Gesundheits­reform wurde das größte dänische Universitätskrankenhaus Aarhus ge­baut – mit 1150 Betten, um die 10.000 Mitarbeiter:innen und mehr als 80.000 Operationen im Jahr. Dabei sind die Baukosten dieses Mammutprojektes explodiert. Folge: Kündigungen wurden beschlossen, um das Sparziel zu erreichen. Ein dänischer Regionalpolitiker sagte dazu (2019): „Der Regionalrat ist sehr besorgt […]. Wir fragen uns, ob wir die Anzahl der Patienten bewältigen können, ob das Personal ordentliche Arbeitsbedingungen hat und ob wir alle Spezialabteilungen halten können.“ 5 Zusätzlich sind Dänemark und Deutschland auch nur scheinbar vergleichbar. Fast 20 % der Dän:innen leben in der Region Kopenhagen und haben direkten Zu­griff auf die Gesundheits­infrastruktur. Für alle Dän:innen, die im ländlichen Raum oder sogar auf Inseln wohnen, gibt es ein gut ausge­bautes Netz an „Inseldoktor:innen“, sowie Rettungsschiffe und Heli­kopter für einen schnellen Transport. In Deutschland allein leben schon 7 Mio. Menschen in Orten mit weniger als 2000 Einwohner:innen. Viele haben Glück, wenn überhaupt ein Bus im Ort hält. Doch was Dänemark gut zeigt ist, dass hochwertige medi­zinische Versorgung kostet und finanziert werden muss, sowie dass die Erreichbarkeit eine große Rolle spielt. Auch werden die Arbeits­bedingungen für das Personal eher schlechter, als besser.

Das System ist das eigentliche Problem

Natürlich ist die Daseinsvorsorge komplex und regional abhängig, doch Krankenhausschließungen und Zent­ralisierung scheinen in dieser Form nicht der richtige Weg zu sein. Denn solange Krankenhäuser gewinn­orientiert arbeiten sollen und Pflege Profite abwerfen muss – solange werden die Probleme im Gesund­heitssektor bestehen bleiben – für Personal und Patient:innen. Was auf alle Fälle hilft sind bessere Arbeitsbe­dingungen, höhere Bezahlung und eine ausreichende Finanzierung der Häuser!

Referenzen

1 https://www.berliner-zeitung.de/ge sundheit-oekologie/kliniken-werden-geschlossen-obwohl-das-gesundheitssystem-vor-dem-kollaps-steht-li.132283

2 https://www.laekh.de/heftarchiv/aus gabe/artikel/2020/september-2020/krankenhausschliessungen-eine-deutsche-diskussion-inmitten-der-pandemie

3 Maximaltherapie ist die maximale Aus­schöpfung aller medizinischen Möglich­keiten

4 https://www.sylt-tv.com/baby-bosse-kommt-auf-sylter-seenotkreuzer-pidder-lueng-zur-welt.html

5 https://www.deutschlandfunkkultur. de/gesundheitsversorgung-ist-daenemarks-krankenhauspolitik-ein.976.de.html?dram:article_id=458420

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