Von der Kampfbereitschaft zu echten Streiks?  

Überall in Deutschland, wo Kolleg:innen sich kollektiv die Frage nach Lohnerhöhung stellen, werden zweistellige Zahlen genannt. Zu Recht: seit mehr als einem Jahr ist die Inflation hoch und sie kletterte im September auf  über 10 %.

Inflation … der Lohnforderungen!

Vor einem Monat versammelten sich die Mitglieder der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft in Berlin, um ihre Forderungen für die nächste Tarifrunde im Februar zu diskutieren. 15 % Lohnerhöhung und eine Laufzeit von einem Jahr wurden diskutiert. Mitte September haben sich tausend Beschäftigte der Berliner Stadtreinigung (BSR) an einer ähnlichen „Forderungsfindung“ beteiligt. Laut der Pressemitteilung wollen die Kolleg:innen „dass ver.di mit einer Lohnforderung von 16 % in die Verhandlungen geht, um das erklärte Ziel Inflationsausgleich auch zu erreichen.“

Ende September versammelten sich Kolleg:innen aus drei großen Berliner Krankenhäusern und urteilten, dass im Rahmen der nächsten Tarifrunde 19 % Lohnsteigerung, aber mindestens 500 € mehr, richtig seien. Ein paar Tage später beschlossen Krankenpfleger:innen aus Augsburg, dass sie mindestens 20 % Lohnerhöhung und eine Mindesterhöhung von 800 € fordern. So eine Dynamik entsteht, wenn Kolleg:innen sich zusammen tun. Diese hohen Forderungen sind wichtig als Antwort auf die Inflation und die Festgeldforderungen, um alle Lohngruppen hinter der Forderung zu vereinen, denn niedrige Lohngruppen sind besonders stark von der Inflation betroffen. Am 11. Oktober entscheidet die Bundeskommission von ver.di über die Forderungen. Wenn allein die Gewerkschaftsspitzen über die Forderungen entscheiden, dann führt das oft zu Enttäuschung. Die Kolleg:innen der IG Metall können davon ein Lied singen.

Gemeinsame Findung von Tarifforderungen.
 

Stark wie Metall?

Die Mitglieder der IG Metall wiesen vor Monaten auf die gute Wirtschaftssituation der Metallindustrie hin. Die IG Metall forderte trotzdem nur 8 % Lohnerhöhung. Wird sich die IG-Metall wie üblich mit der Hälfte der Lohnforderung zufriedengeben? Ob es soweit kommt, hängt von der Kampfbereitschaft der Kolleg:innen ab. Die Bosse der Metallindustrie und die Politiker:innen sind nicht müde, das Mantra der Rezession zu wiederholen und zu drohen, dass höhere Löhne zu Stellenstreichungen führen werden.

Kommt eine Streikwelle?

Für die Kolleg:innen, deren Tarifvertrag noch mehr als ein Jahr gilt, erscheint die Zukunft trübe. Vor allem für diese Beschäftigten hat Scholz seine „konzertierte Aktion“ konzipiert. Der Köder ist groß: Scholz spricht von einer Einmalzahlung von „bis zu 3000 €“. 3000 €, das sind sechs Mal 500 €, also nichts anderes als 500 € mehr pro Monat ein halbes Jahr lang. In 6 Monaten werden die Preise aber nicht plötzlich wieder auf dem vorherigen Niveau sein.

Die Gewerkschaftsspitzen reagierten unterschiedlich auf diesen Vorschlag. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben gilt bis Ende 2023 die „Friedenspflicht“. Ver.di erklärte seinen Mitgliedern, dass sie mit den „Sozialpartnern“ (also der BVG-Chefetage) in Gespräche treten will. Ziel sei es, durch das dritte Entlastungspaket eine Einmalzahlung für die Beschäftigten zu bekommen.

Der Vorstand der IG-Metall spricht ganz ähnlich: Die steuerfreie Einmalzahlung von bis zu 3000 € werde sicherlich Teil der Tarifverhandlungen sein. Diese Möglichkeit hilft den Unternehmen dauerhafte prozentuale Forderungen zu verhindern und somit viel Geld zu sparen.

Das nichtärztliche Personal der Augsburger Kliniken positionierte sich gegen Einmalzahlungen als Teil von Tariferhöhungen: „Wir lehnen eine Einmalzahlung innerhalb eines Tarifabschlusses ab.“

Die Debatten zu den Tarifverhandlungen müssen zwischen den Kolleg:innen weiter geführt werden, denn sie zeigen Potenzial, kollektiv gemeinsame Forderungen zu finden. Kontakte zwischen Betriebsgruppen aus unterschiedlichen Branchen und Regionen sind wichtig, damit Streiks stark werden können! Die Hafenarbeiter:innen aus Hamburg und Bremen waren letzten August selbst überrascht, wie gut und stark ein Streik über die verschiedenen Berufsgruppen und Betriebe hinweg ist. Rückenwind haben sie jedenfalls von überall her bekommen.

Karl Gebhardt und Lorenz Wassier, Berlin

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