Schule und Pandemie – zwischen Tests, Homeschooling und Depression

Nach 14 Monaten Pandemie erscheint die herrschende Politik in Sachen Schulöffnung, Homeschooling, Digitalisierung und Teststrategien immer noch recht planlos. Und obwohl eine großangelegte Studie der TU Berlin im März 2021 noch einmal die besondere Infektionsgefahr von Schulen wissenschaftlich belegt hat – im Wechselunterricht mit halben Klassen und Maske infiziert ein:e Infizierte:r im Schnitt 2,9 andere –, leugnen Ministerien weiter die Infektionsgefahr in Schulen. Während Schüler:innen und Lehrkräfte, aber auch oft Schulleitungen und Eltern vielerorts ihr Bestes geben um einen halbwegs normalen Schulbetrieb, ob nun vor Ort oder zu Hause, zu gestalten, haben die Ministerien durch kurzfristiges Hin und Her immer wieder für Verwirrung, eine Aufweichung der Schutzmaßnahmen und Mehrarbeit gesorgt.

Testung in der Schule – wie man sinnvolle Maßnahmen in ein Sicherheitsrisiko verwandelt

Seit der Wiederöffnung der Schulen müssen nun – wie in Österreich bereits seit Ende 2020 – auch in deutschen Ländern Schüler:innen zweimal die Woche einen Schnelltest an sich durchführen. Zwar vermitteln diese Tests, da sie bei gut der Hälfte von symptomfreien Infektionen nicht anschlagen, auch eine falsche Sicherheit. In Ermangelung von ausreichenden Impfungen wäre die Massentestung aber eine tatsächlich sinnvolle Maßnahme. … wären da nicht die „Details“. Statt z.B. vernünftige Teststraßen mit medizinisch ausgebildetem Fachpersonal und Anonymität zu schaffen, wird meist im Klassenraum unter Aufsicht der Lehrkräfte getestet. Das erhöht sogar das Infektions- und Quarantänerisiko und stellt vor allem für die Beteiligten eine Belastung dar. Schüler:innen haben Angst vor Bloßstellung nach einem positiven Testergebnis.
Auch wurde es z.B. in NRW versäumt, kindgerechte Spucktests gerade für die Grundschulen zu organisieren. Auch an Förder- und Grundschulen müssen die Schüler:innen nun den unangenehmeren „Popeltest“ (in Österreich: „Nasenbohrtest“) machen – zusätzlich erhöhte Testfehler eingeschlossen.
Als das Schulministerium in NRW am Ende der Osterferien feststellte, dass es versagt hatte, überhaupt genügend Tests für die Schulen zu organisieren, blieben diese kurzfristig – offiziell wegen des Infektionsgeschehens – noch eine Woche zu. Das Infektionsgeschehen war eine Woche später nur schlimmer … aber die Schulen dann wieder offen.

Luftfilter – unmöglich?
Nach über einem Jahr Pandemie sind Luftfilter in den Schulen immer noch absolute Seltenheit. Dabei wären diese wegen der oft schlechten Möglichkeiten zum Lüften auch ohne Pandemie für alle nachhaltig gut. Luftfilteranlagen könnten von vielen Industriebetrieben in kurzer Zeit hergestellt werden und würden füralle Schulen in Deutschland über eine Milliarde Euro kosten. Im Vergleich zu den Staatshilfen oder den Dividendenausschüttungen von Daimler ist das wenig, aber für die Bildungsministerien zu viel. Da hilft es nicht, dass vom Max-Planck-Instituts Filter mit Mitteln aus dem Baumarkt improvisiert wurden, die 90% der Aerosole absaugen. Statt Heimwerkerlösungen könnten seit Sommer professionelle Geräte verbaut werden.

Abschlussprüfungen oder Bildung?
Während im Moment in vielen Bundesländern Schüler:innen zu Hause bleiben müssen, wird in NRW für Abschlussklassen die Schule offen gehalten. Hier finden Kurse noch nicht mal im Wechselbetrieb statt, sondern bis zu 30 Schüler:innen kommen zusammen. Das kostet Raum und Lehrkräfte, die dann für andere Schüler:innen, die den Lern- und Schutzraum Schule oft viel dringender bräuchten, fehlen. Dabei ist doch schon heute offenbar, dass Abschlussnoten in diesem Jahr noch weniger vergleichbar sind als vor der Pandemie. Anstatt Schüler:innen wirklich in den Mittelpunkt zu stellen, wird seitens der Ministerien weiter an Lehrplänen und Abschlüssen festgehalten.

Schulöffnungen oder Distanzunterricht?

Grundsätzlich ist Präsenzunterricht wichtig und auch wir halten Schulschließungen für eine Maßnahme mit vielen Nebenwirkungen. Zum einen verstärken sich im „Homeschooling“ die unterschiederschiedlichen Lernbedingungen der Schüler:innen. In großen Wohnungen, in denen Akademikereltern helfen, lernt es sich besser als zusammen mit kleinen Geschwistern in engen Plattenbauwohnungen. Auch stellt der Schulbesuch zumindest einen geringen Schutzraum gegen häusliche und sexuelle Gewalt dar. Besonders für junge Menschen ist es also wichtig – wenn auch mit Abstand – Freund:innen zu treffen, sich über Gelerntes auszutauschen und mit anderen zu sprechen. Videokonferenzen können dies nicht ersetzen. Genau deswegen aber braucht es kurzfristig eine echte Schulschließung und einen solidarischen Lockdown auch der Betriebe, damit danach – bei deutlich geringeren Infektionsraten – die Schulen im Wechselunterricht wieder öffnen können.

Die Initiative #zerocovid, an der wir uns auch beteiligen, fordert eine Schließung der Schulen bis zu einer Inzidenz unter 10. Das scheint uns übertrieben. Sinnvoll aber ist bei ZeroCovid die Idee,Schulöffnungen durch Kontrollkomitees aus Eltern, Schüler:innen und Lehrer:innen an den Schulen selbst entscheiden zu lassen. So kann die Sicherheit an Schulen wirklich durch die Betroffenen selbst erhöht und bewertet werden, statt durch die Eigeninteressen der Ministerien.

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