Von Volkswagen bis ThyssenKrupp – die deutschen Konzernriesen streichen Stellen

Die Ansagen von Volkswagen über die Streichung von 30.000 Stellen und Werksschließungen Anfang September haben die Alarmglocken geläutet. Dahinter haben sich Zulieferer, Subunternehmen und andere Hersteller eingereiht. Über die Autoindustrie hinweg breitet sich Unruhe aus. Und aus gutem Grund: die Politik der Vorstände von Volkswagen hat schon häufiger den Weg für die deutsche „Arbeitgeber“-Politik vorbereitet.

Die Aufkündigung des VW-Tarifvertrags von 1994, der die Erhaltung der Arbeitsplätze in Deutschland garantierte, ist wie eine Bombe eingeschlagen. Dabei kamen die Ankündigungen nicht aus dem Nichts. Schon 2016 sah der fein säuberlich mit der IG Metall verhandelte „Zukunftspakt“ 30.000 Stellenstreichungen weltweit vor, davon 23.000 in Deutschland. Zwischenzeitlich hat VW den Sozialabbau unauffälliger als andere Hersteller fortführen können, unter anderem durch seine beträchtlichen finanziellen Reserven, die hohe Abfindungen bei Beendigung der Arbeitsverträge ermöglichten (bis zu 117.000€ bei 20 Jahren im Betrieb). Im November hatte die Konzernleitung bereits angekündigt, die Sparpolitik zu verstärken. Dennoch erreichen die letzten Ankündigungen ein neues Level: Die bösen Worte „Kündigungen“ und „Werksschließungen“ sind ausgesprochen, und die Bosse haben sich für eine offene Kriegserklärung statt gemütlicher Verhandlungen mit den Gewerkschafts- und Betriebsratschefs entschieden.


Dabei ist die „Krise“ bei VW sehr relativ : 22,6 Milliarden Euro Gewinn für den Konzern Volkswagen Group im Jahr 2023 – ein Rekord – und 4,5 Milliarden Dividenden an die Aktionäre. VW, und generell die deutschen Auto-Hersteller, haben einen Teil der Schwierigkeiten der Automobilbranche eine Zeit lang abfedern können, durch den Fokus auf Luxusmodelle und eine Verankerung auf dem ostasiatischen Markt. Es geht ihnen vor allem um die Gewinnmarge pro produziertem Fahrzeug, die unter den Erwartungen liegt und eher auf dem Rückzug ist, um eine mögliche Verlangsamung gegenüber den Vorjahresrekorden. Und die Bosse haben ihr wichtigstes „Argument“ für Sparmaßnahmen gefunden: der Rückgang der Zahl produzierter Fahrzeuge (Produktion in Deutschland ist auf dem Stand von 1985) sorgt dafür, dass ein Teil der riesigen Produktionsstäten und  Infrastruktur nutzlos geworden ist. Schätzungsweise nutzt die Automobilindustrie in Deutschland nur etwa 70 % ihrer Produktionskapazitäten, das riesige Werk in Wolfsburg nutzt nur 56 %.

Was die anderen Hersteller angeht, sind die Ankündigungen (noch) vorsichtiger. Aber Ford hat schon angekündigt, massiv Arbeitsplätze zu streichen. Insgesamt sollen in Europa bis Ende 2027 etwa 4.000 Jobs wegfallen. In Deutschland 2.900 Stellen, die meisten davon in Köln. BMW hat angekündigt, Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr auszuschließen, und sowohl BMW als auch Mercedes haben bereits nach der Coronakrise tausende Stellen gestrichen (respektive 6.000 und 10.000). Doch vor allem sorgt der Rückgang der Produktion bei den großen Herstellern für katastrophale Auswirkungen bei Zulieferern und Subunternehmen. Denn bis zu 70 Prozent eines Autos sind zugelieferte Komponenten. Neben den Einzelteile-Riesen wie ZF Friedrichshafen, die 14.000 Stellen in Deutschland streichen wollen, ist die Liste lang : 7.000 Stellen bei Bosch mit Andeutungen, dass es noch mehr werden könnten, 1.000 bei Continental, Schließung des Michelin-Werks in Trier, 4.700 bei Schaeffler (davon 2.800 in Deutschland)… 20 Subunternehmen der Automobilindustrie – alle mit mehr als 10 Millionen Jahresumsatz – sind seit Jahresanfang pleite gegangen, und eine Expertengruppe schätzt die Zahl der möglichen Pleiten bis Jahresende auf 60, doppelt so viel wie letztes Jahr! Dazu kommen die hunderten gestrichenen Stellen bei mittelständischen Zulieferern, die weniger finanzielle Reserven haben und völlig von VW und BMW abhängen. Und nicht zu vergessen: Trotz des häufig benutzten Arguments der negativen Auswirkungen der Umstellung auf Elektroautos hat auch Tesla mit seiner Giga-Factory angekündigt, 400 feste Stellen zu streichen, von der Abmeldung von Zeit- und Leiharbeitern ganz zu schweigen …

Die Pleitewelle betrifft nicht nur die Automobilindustrie: Die Zahl der Pleiten ist so hoch wie noch nie seit 2010. Seit Anfang des Jahres ist die Zahl 30 % höher als 2023. Im September entsprachen diese Pleiten 23.000 Stellen – 350 % mehr als ein „normaler“ Monat vor der Corona-Pandemie!

Dies trifft Branchen, die weltweit in Schwierigkeiten stecken, wie die Baubranche oder die Chemie-Industrie[1]. Aber weit darüber hinaus hagelt es täglich schlechte Nachrichten: 2.800 Stellen weniger beim Halbleiter-Chip-Hersteller Infineon, 10.000 weltweit und 2.600 in Deutschland bei SAP, 1.300 gestrichene Stellen in Deutschland bei Miele… In der Schwerindustrie hat ThyssenKrupp angekündigt, 5.000 Stellen zu streichen.

Der Angriff der deutschen Bosse auf unsere Arbeitsplätze und unsere Zukunft ist frontal und geht weiter über VW und die Autoindustrie hinaus! Was notwendig wäre, ist ein gemeinsamer Kampf aller bedrohten Betriebe, über Branchen- und Werksgrenzen hinweg. Denn trotz der wirtschaftlichen Probleme, die sich den global aktiven Wirtschaftsriesen stellen, in den Kassen der Kapitalist:innen ist mehr als genug, um alle Arbeitsplätze zu erhalten… aber freiwillig werden sie es nicht herausrücken. Die Angriffe, die sie gestartet haben, sind ernst gemeint.


[1]Die deutschen Chemieriesen hatten bereits vorher Stellenstreichungen angekündigt, Anfang 2024 für Bayer – ohne genaue Zahlen zu nennen – und Anfang 2023 für BASF, mit 2600 Kündigungen weltweit, 1600 davon in Deutschland.

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