Der Tarifabschluss, der Mitte November von der IG Metall verhandelt wurde, stellt angesichts der Inflation einen Reallohnverlust dar. Die Beteiligten haben die Warnstreiks, die hier und da im Lande stattgefunden haben, eher als ein paar Stunden Freigang erlebt, statt als ernsten Arbeitskampf. Ohne einen echten Kampf gab es aber auch nicht das Gefühl einer Niederlage. Die Elektro- und Metallindustrie bereitet neue Angriffe vor, besonders in der Autobranche. Dem muss etwas entgegengesetzt werden!
Worauf haben sich die IG Metall und die Bosse der Metall- und Elektroindustrie geeinigt? Einen genauen Prozentsatz für eine Lohnerhöhung gibt es nicht: Die Lohnerhöhung dehnt sich stufenweise über die 25 Monate Lauf-zeit des Tarifvertrags, dazu kommen Sonderzahlung, jährliches Zusatzgeld …
Die ursprüngliche Forderung der IG Metall war 7 % mehr Geld bei zwölf Monaten Laufzeit. Hinter dieser Forderung haben sich 600.000 Kolleg:innen an Warnstreiks beteiligt. Das Ergebnis entspricht kaum 2,5 % Lohnerhöhung pro Jahr.
Die Gehälter der Arbeiter:innen der Metall- und Elektroindustrie sind schon seit ein paar Jahren nicht mehr die besten im Lande. Außerdem kann die Metallindustrie nicht unter ein bestimmtes Lohnniveau fallen, auf die Gefahr hin, dass die jungen Arbeitskräfte sich andere Branchen suchen.
Strategiefehler des Managements?
Die Dax-Chefs, die ein paar Millionen Euro Vergütung pro Jahr bekommen, werden dafür bezahlt, Probleme der Profitgeier in Szene zu setzen, um Zugeständnisse der Beschäftigten zu erpressen und um staatliche Hilfen zu ergattern. So sei nicht nur der Arbeitskräftemangel ein Problem, sondern auch ein allgemeiner Auftragsmangel. In der Autoindustrie sei die Situation so katastrophal, dass Kündigungspläne nötig seien. Bei Ford Köln wurde schon Kurzarbeit angekündigt.
Als aber – schon im September – Europas größter Autobauer Volkswagen die Beschäftigungsgarantie aufkündigen wollte, haben 25.000 Arbeiter:innen eine Betriebsversammlung gestört. Dar-aus entstand eine Polemik über angebliche Fehler des Managements, das die Entwicklung von Elektroautos verschlafen hätte. Die europäische Autoindustrie ist sicher nicht mehr in derselben Situation wie vor dreißig Jahren. So entwickelt sich der Kapitalismus: Neue Branchen entwickeln sich, während andere verschwinden. Doch technologische Entwicklungen als Vorwand für Angriffe auf die Belegschaft zu nutzen, ist eine ewige Strategie des Managements, nicht nur in der Autoindustrie!
Oder Strategiefehler der IG Metall?!
Damit der notwendige Umbau der deutschen Automobil-Industrie nicht auf ihre Kosten geht, müssen die Metaller:innen ein starkes Kräfteverhältnis aufbauen. Mehr Geld für die 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie zu erkämpfen, war die passende Gelegenheit, die Kampflaune zu heben. Doch als die ersten Warnstreiks der Tarifrunde losgingen, erklärte die IG Metall Jugend bereits, dass man „die unterschiedliche Lage der Unternehmen“ respektieren solle. Ver-dienen also die Kolleg:innen von VW nicht dieselbe Lohnerhöhung wie die anderen, zumal sie von Kündigungsplänen bedroht sind?
Nach dem Tarifabschluss hat der „Arbeitgeber“verband die „Fortschreibung der automatischen Differenzierung für Unternehmen in wirtschaftlich schwieriger Lage“ begrüßt. Tatsächlich existieren im Tarifabschluss „Differenzierungsklauseln“, die bestimmten Betrieben erlauben, nicht mal die Lohnerhöhungen des Tarifvertrags bezahlen zu müssen. Dies treibt einen Keil zwischen die Metaller:innen verschiedener Betriebe oder Branchen, und behindert die Solidaritätsgefühle, die bei jedem großen Streik entstehen.
Kraft und Entschlossenheit …
… entstehen tatsächlich im Streik selbst! Letzten Monat haben in den USA 33.000 Maschinenschlosser:innen bei Boeing große Lohnerhöhungen erkämpft. Den Tarifvertrag, den ihnen die Gewerkschaftsführung vorgeschlagen hatte, haben sie abgelehnt. Und weiter gestreikt, ohne die finanziellen Schwierigkeiten des Betriebs zu berücksichtigen!
Was dort möglich ist…
Lorenz Wassier, Berlin