Klimafreundliche „Transformation“:
Was können wir erwarten?
Durch eine jahrzehntelange klimaschädliche Produktion zeigt sich, dass auf einer endlichen Erde „stetiges Wachstum“ nur unter verheerenden Zerstörungen stattfinden kann. Die Notwendigkeit einer Lösung rückt rasant näher. Dafür muss die Produktion klimafreundlicher werden, doch wie soll das aussehen? Für die Großkonzerne ist die aktuelle Konjunktur jedenfalls mehr als passend: Im ersten Halbjahr 2021 kassierte beispielsweise Volkswagen 11 Mrd. Euro Gewinn, mehr als im gesamten Jahr 2020! Bei den Metaller:innen sieht es anders aus: Der aktuelle Chipmangel führt zu Kurzarbeit und die riesige „Baustelle“ zur Reduzierung der CO2-Ausstöße bedroht ihre Arbeitsplätze.
Ob tatsächlich Schwierigkeiten bei den Großkonzernen bestehen, zeigt das Beispiel Siemens. Bei einer „Business Conference“, bei der die Strategie für das nächste Geschäftsjahr präsentiert wurde, waren die knappen Rohstoffe und die Unterbrechungen der Lieferketten schnell abgehandelt.
Neben dem verschwommenen Konzept der „disruptiven Innovationen“ hat Siemens vor, „die Chancen der grünen Konjunkturprogramme zu nutzen“. Auf Deutsch: sich mit den kommenden „Klimapaketen“ die Taschen voll stopfen!
Angesichts dieser Situation war der von der IG Metall angekündigte Aktionstag, um die „Krisengewinner zur Kasse zu bitten“, bestens angebracht und so fanden am 29. Oktober in 50 Städten Deutschlands Aktionen statt.
Während die Klimaaktivist:innen von Fridays for Future sich rund einen Monat nach der Bundestagswahl nun „den leeren Verhandlungen und Hinterzimmer-Gesprächen entgegen [stellen]“, da Klimagerechtigkeit „nicht nur in der Wahlwerbung vorkommen” dürfe, begnügt sich die IG Metall damit, ihre Forderungen gegenüber der künftigen Regierung zu untermauern. Sowohl von Fridays for Future als auch von der IG Metall konnte man jedoch während des Wahlkampfs vergeblich eine klare politische Stellungnahme suchen.
Konnten sich die IG Metall oder Fridays for Future über das Wahlergebnis denn freuen? Jedenfalls wollten beide die Koalitionsverhandlungen nicht untätig beobachten.
Klimastreik, Transformationsdemo … bewegt sich was?
Bei dem Aktionstag des „Fairwandels“ haben sich von den 3,8 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektro-Branche 50 000 Leute beteiligt. Im Gegensatz zu den Schüler:innen, die eine Woche zuvor blau machten, um an der bundesweiten Demonstration in Berlin teilzunehmen, wurden die Metaller:innen dazu aufgerufen lokal zu demonstrieren. Allerdings fand der Aktionstag nicht in allen Betrieben statt. Manchmal – wie zum Beispiel bei Vallourec in Düsseldorf – sind die Beschäftigten für eine einstündige Aktion auf dem Hof ihres Betriebs geblieben. Eine „Aktive Pause“, die die Produktion nicht lange stört.
In Berlin wurde an dem Tag ein „industriepolitisches Frühstück“ organisiert. Einige Kolleg:innen von ArcelorMittal waren vor Ort, deren Betrieb übrigens besonders viel Strom verbraucht. Dadurch liegt ein großer Druck auf ihnen. Nach eigenem Empfinden können sie eine grüne Version der Stahlproduktion nicht allein stemmen. Der eingeladene SPD-Politiker gab ihnen die freche Antwort: sie können sich „auf Olaf Scholz und die SPD verlassen“! In Eisenach fand eine große Demonstration statt, denn dort droht die Schließung eines Opel-Werkes. Ministerpräsident Ramelow (Linkspartei) fiel es vor Ort nicht so leicht den „bedeutsamen Industriestandort“ in Deutschland, also Thüringen, zu verteidigen. Denn diese engstirnige Werbung für den „Industriestandort“, mit der die IG Metall sowie die Politik die Arbeiter:innen isolieren will, stieß sich mit der Anwesenheit von 35 französischen Kollegen von Stellantis (ehemals Peugeot-Citroën), die extra gekommen waren, um an der Demo von Eisenach teilzunehmen. Stellantis hat 2017 Opel gekauft und die Produktion soll nach Frankreich, Sochaux, verlagert werden. Ein französischer Gewerkschafter der anwesenden Delegation hielt eine Rede und erklärte ihren Kampf als einen gemeinsamen, denn bei der geplanten Verlagerung der Produktion nach Frankreich würden beide verlieren: „Ihr wäret arbeitslos und wir müssten unerträglich viel arbeiten“. Infolge der Verlagerung der Produktion könnte es sein, dass die französischen Kolleg:innen ihre Samstage von nun an im Betrieb verbringen müssen. Der Kampf für den Erhalt von Opel-Eisenach ist international!
Bereits letztes Mal wurde die Gelegenheit verpasst
Während der vergangenen Tarifrunde im März hat ein Großteil der Arbeiter:innen in der Metall- und Elektroindustrie nicht nur „aktive Pausen“ gemacht, sondern wahrhaftig gestreikt. Damals lagen bereits ein paar „Sozialpläne“ auf dem Tisch und die Beschäftigungssicherung eine Hauptforderung. Doch statt die Gelegenheit zu nutzen, und die Chefs in die Schranken zu weisen, hat die IG Metall die übliche Sozialpartnerschaft weiter getrieben. Bei Siemens Energy Berlin wurde beispielsweise eine „Einigungs-stelle“ akzeptiert. Diese soll angeblich bei einem Konflikt die Beziehung zwischen Unternehmen und Vertretung der Beschäftigten verbessern. Saftiges Ergebnis: sechs Monate später wurden 602 von 738 Kolleg:innen vor die Tür gesetzt.
So „fair“ kann das nicht bleiben
Laut der IG Metall seien zurzeit in der Branche 100.000 Arbeitsplätze gefährdet. Allein in der Autoindustrie könnten bis 2025 200.000 Beschäftigte betroffen sein. Angesichts der Klimakatastrophe sind die Schließung der Kohletagebaue, das Schrumpfen der Autoindustrie und der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien dringend notwendig. Eine breite Umstellung der besonders umweltfeindlichen deutschen Industrie steht uns bevor, die allerdings nicht „fair“ bleiben wird. Die von Stellenabbau bedrohten Kolleg:innen werden sich wehren müssen: Zuerst einmal muss die Arbeitszeit reduziert und die Arbeit verteilt werden! Um die Energieversorgung des Landes zu sichern, müssen hundert Tausende neue Leute eingestellt werden! Die stinkreichen Besitzer:innen der deutschen Industrie werden so ein Programm aber nicht einfach akzeptieren. Der Klassenkampf steht vor uns.
Ulla Fuchs, Düsseldorf und Lorenz Wassier, Berlin