Dicke Luft in Deutschlands Industrie

Seit Monaten gibt es Meldungen über Stellenabbau. Aber die Ankündigung von Volkswagen im September, 30.000 Stellen allein in Deutschland abzubauen, ein Werk könnte ganz geschlossen und betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden und die Kündigung der „Beschäftigungssicherungstarifverträge“ war ein Paukenschlag. Das hat es bei VW noch nicht gegeben.

Das geschmeidig laufende Getriebe deutscher Sozialpartnerschaft, in der Unternehmen, Gewerkschaften und Betriebsräte quasi ohne Streiks gut zusammenarbeiten für „wirtschaftlich sinnvolle Lösungen“, ruckelt deutlich. Die Unternehmen wollen mehr.

Der VW-Vorstand macht ständig Druck auf die Belegschaften, indem die Produktion bestimmter Automodelle den Werken nur dann „zugewiesen“ wird, wenn die Werke sich als besonders effizient präsentieren konnten. Ein Wettbewerb der VW-Werke untereinander, der stets zu noch flexibleren Arbeitszeiten und noch mehr Leiharbeit führte oder zur Schließung, wie jetzt das Audi-Werk in Brüssel. Die Abfindungen und Prämienzahlungen lässt sich VW durchaus was kosten.  Die neuen Ankündigungen des VW-Vorstands sind sicher keine Aufkündigung der „Sozialpartnerschaft“, aber die aggressive Drohkulisse soll besonders hohe Zugeständnisse von den Belegschaften erpressen. Gut möglich, dass eines der Werke in Thüringen oder Sachsen oder das Werk in Osnabrück dabei über die Klippe springen sollen. Wenn, dann wird das der AfD sicherlich ein paar Prozente bringen.

25.000 Arbeiter:innen demonstrieren bei der Betriebsversammlung des VW-Konzerns am 4. September (Foto: dpa)

VW hat allerdings kein Problem mit seinen Gewinnen. 22,5 Milliarden Euro machte Europas größter Autobauer 2023. 4,5 Milliarden gingen an die Aktionär:innen. Ihr Problem ist die Umsatzrendite pro produziertem Fahrzeug, die unter Erwartungen liegt und sinkt. Und die sinkenden Verkäufe, vor allem in China, wo insgesamt 10% weniger Autos verkauft werden, gleichzeitig viele Anbieter sich eine Konkurrenzschlacht liefern. Dazu verlangt die Umstellung der Produktion auf Elektroautos sehr hohe Investitionen. Der kapitalistische Wettbewerb auf dem Weltmarkt ist rau und unbarmherzig… In derselben Situation sind Mercedes Benz, BMW und die Autozulieferindustrie.

Vor diesem Hintergrund gibt es Stellenabbaupläne: bei Tesla in Grünheide neben hunderten Leiharbeiter:innen auch 400 (feste) Stellen, bei ZF Friedrichshafen 14.000, Schließung  zweier Werke von Michelin, 1.000 Stellen bei Continental, 3.000 bei Bosch … Dazu kommen Insolvenzen. Es gibt Schätzungen, dass es dieses Jahr 60 Insolvenzen nennenswerter Zulieferunternehmen geben könnte.

Das reiht sich ein in die negativen Prognosen zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland allgemein, wonach die Wirtschaft insgesamt schrumpft. Das Neugeschäft bei der Industrie ist eingebrochen. Dem Exportweltmeister fällt auf die Füße, dass die weltweite Industrieproduktion stagniert. Die Bundesagentur für Arbeit vermeldet schon einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Aber vergessen wir nicht die Milliardengewinne der Konzerne. Auch die Aktionär:innen schlafen gut auf einem Batzen Geld. Das wollen sie retten.

Eine „Krise“, die die Türen für Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiter:innenklasse öffnet

Angesichts ihrer „Gewinnschwierigkeiten“ kennen die Konzerne nur einen Ausweg, um ihre vorderen Plätze in der Weltwirtschaft zu verteidigen: die Ausbeutung steigern, „den Arbeitsmarkt reformieren“, die Renten, Bürgergeld und die Kranken- und Pflegversicherung verschlechtern. Sie verlangen Subventionen und wollen gleichzeitig den Druck erhöhen, dass für schlechtere Bedingungen gearbeitet wird. Der Chef des Deutschen Arbeitgeberverbandes forderte das sehr deutlich als „Verbesserung der Standortbedingungen“ für Unternehmen kürzlich im Deutschlandfunk. Das Ganze stinkt nach üblen Plänen, die uns an vielen Ecken unseres Lebens treffen könnten.

Es gibt viele Proteste. Wir haben schon zu oft für Krisen der Unternehmen bezahlt. Diese neue Runde an Stellen- und Sozialabbau, die sich vor uns entwickelt, kann genau die Dreistigkeit zu viel sein, die das Fass zum Überlaufen bringt und die Verärgerung geschlossen gegen die Konzerne richtet.

Sabine Müller, Berlin

Zum Weiterlesen:

https://www.sozialismus.click/was-fuer-ein-tolles-jahr/


 https://www.sozialismus.click/stellenabbau-werksschliessungen-und-co/

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