Eine der Erscheinungsformen des Rechtsrucks in Deutschland ist auch eine Krise der Linken – der Absturz der Linkspartei und der Austritt von bedeutenden Teilen des Jugendverbands der Grünen. Das wirft Fragen auf nach den Ursachen und weiteren Perspektiven für alle, die sich im weiteren Sinne als „links“ verstehen. Fragen, auf die wir als revolutionäre Linke versuchen wollen zu antworten.
Bei der Partei der Grünen kann man sich durchaus fragen, inwieweit sie überhaupt noch als links gelten kann. Immerhin ist sie seit Jahrzehnten Regierungspartei auf Bundes- oder Landesebene, koaliert mit der CDU genauso reibungslos wie mit der SPD und macht vor allem Politik für Besserverdienende. Aber aus ihrer Entstehungsgeschichte aus der radikalen Umwelt- und Friedensbewegung Anfang der 1980er Jahre hat sie immer noch einen gewissen linken Parteiflügel bewahrt (auch wenn der immer alles mitgetragen hat), der vor allem bei der Grünen Jugend stark war. Nun ist Ende September der Vorstand der Grünen Jugend geschlossen aus der Partei ausgetreten und hat angekündigt, einen „neuen, dezidiert linken Jugendverband“ zu gründen. Die Vorstände von acht Landesverbänden der Grünen Jugend folgten bislang diesem Schritt.
Wohin geht die Grüne Jugend?
Der Vorstand der Grünen Jugend führt die 100 Milliarden für die Bundeswehr, die von den Grünen mitgetragenen Asylrechtsverschärfungen und die Räumung des Protestcamps im Dorf Lützerath (gegen den Braunkohleabbau) als Gründe an, mit der Partei zu brechen. Und sie sprechen sich aus für eine „klassenorientierte Politik […], die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt“. Dass sie dafür bei den Grünen in der falschen Partei waren, liegt auf der Hand. Allerdings ist die Frage, ob sie den Schritt auch gegangen wären, wenn die letzten Wahlergebnisse nicht so verheerend ausgefallen wären?
Auf jeden Fall ist das Ziel einer „klassenorientierten Politik“, die die Interessen der arbeitenden Klasse denen des Kapitals entgegenstellt richtig. Die Frage ist nur, wie und wo kann man eine solche Politik umsetzen?
Man kann davon ausgehen, dass der (Ex-)Vorstand der Grünen Jugend seinen Schritt nicht ohne einen Blick nach Österreich getan hat, wo es die ehemalige Grüne Jugend ist, die zu dem Aufschwung der KPÖ beigetragen hat, die vorher in einer tiefen Krise steckte. Wollen sie in Deutschland die ebenfalls kriselnde Linkspartei wiederbeleben oder eine neue politische Strömung begründen?
Die Krise der Linkspartei
Vielleicht steht es noch nicht fest, aber die wenigen inhaltlichen Erklärungen in dem Austrittsbrief des Grünen-Jugend-Vorstands passen sich auf jeden Fall gut ein in den Rahmen dessen, was die Linkspartei (in Worten) vertritt. Doch die Linkspartei ist offenbar ebenfalls gescheitert, bei den ostdeutschen Landtagswahlen schnitt sie kaum besser ab als die Grünen.
Das Problem der Linkspartei – und auch der KPÖ in Österreich, auch wenn die in ihrer neuen Ausrichtung noch weniger verbraucht ist – ist, dass sie vor allem, wenn nicht ausschließlich auf Wahlen und Regierungsbeteiligung setzt, um Dinge zu bewegen. Doch es ist gerade diese Ausrichtung, die dazu geführt hat, dass die Linkspartei alle möglichen Angriffe auf die Arbeitenden, Sparmaßnahmen, Abschiebungen etc. (mit) umgesetzt hat und nicht mehr als Kraft wahrgenommen wird, die wirklich die herrschenden Verhältnisse grundsätzlich bekämpft. Das hat auch den Rechten von der AfD den Weg geebnet, die viel eher als die Linkspartei als gegen das Establishment gerichtete „Anti-System-Partei“ gesehen wird.
Sollten nun Teile der Grünen Jugend der Linkspartei eine Verjüngungskur verpassen, so wird das den Niedergang höchstens etwas hinauszögern.
Alternativen
Alle, die über die Entwicklung sowohl der Grünen als auch der Linkspartei enttäuscht sind und nach linken Perspektiven Ausschau halten, müssen die entscheidende strategische Ausrichtung bilanzieren: Wie kann diese Welt verändert werden? Im Rahmen dieses parlamentarischen Systems, oder indem man eine Kraft aufbaut, die auf Mobilisierungen und selbstorganisierte Kämpfe setzt? Nur das Letztere wäre vielversprechend und „dezidiert links“.
Richard Lux, Berlin