Tunesien: Proteste dauern an

Am 14. Januar ist der tunesische Diktator
Ben Ali zurückgetreten und musste
das Land verlassen. Er war von der
politischen „Elite“ in Tunesien genauso
fallen gelassen worden, wie von den
westlichen Verbündeten. Alle hofften
sie, dass die Bewegung der arbeitslosen
Jugendlichen und der Arbeitenden
abflauen würde, wenn man den
verhassten Diktator opferte.

Die Rechnung der Herrschenden ist
bislang nicht aufgegangen! Zum Einen
hat dieser Sieg der tunesischen Bevölkerung
gegen einen Diktator und seinen
mächtigen Unterdrückungsapparat
in der ganzen arabischen Welt die Hoffnung
auf „Brot und Freiheit“ und revolutionären
Mut verbreitet. Zum anderen
haben sich auch in Tunesien die
Massen nicht so einfach mit einem
Wechsel an der Spitze abspeisen lassen.
Das Manöver war auch ungeschickt
durchgeführt: Der Diktator ging, doch
der Regierungschef blieb einfach der
alte, Mohamed Ghannouchi. Und so
hieß es auf den Straßen bald nicht mehr
„Ben Ali, hau ab!“, sondern „Ghannouchi,
hau ab!“.

Auch er versuchte, die Bewegung
blutig niederzuschlagen, doch vergebens
– der Mut und die Ausdauer der
Protestierenden blieben ungebrochen.
So musste am 27. Februar auch Ghannouchi
seinen Hut nehmen.
Jetzt wurde angekündigt, dass im
Juli eine verfassungsgebende Versammlung gewählt werden soll. Ein Zugeständnis
an die demokratischen Forderungen
der Demonstranten, die nach
wie vor den Kasbah-Platz im Herzen
der Hauptstadt Tunis besetzt halten.
Doch die herrschenden Eliten, die viel
zu verlieren haben, spielen nur auf
Zeit und werden versuchen, die Aufständischen
zu betrügen.

Die „Jasmin-Revolution“ ist ausgebrochen,
weil die Arbeitenden und die
jugendlichen Arbeitslosen nicht mehr
länger bereit waren, das Schicksal zu
ertragen, dass ihnen die besitzenden
Klassen im Kapitalismus zumuten: hohe
Arbeitslosigkeit, Niedrigstlöhne und
Perspektivlosigkeit.

Der Sturz der Diktatur war für die
Arbeiterklasse die erste Voraussetzung,
um ihre Interessen verteidigen zu können.
Der staatliche Unterdrückungsapparat,
der immer auf Seiten der
Besitzenden steht, ist deutlich geschwächt.
Doch ist noch nichts erreicht,
solange Wirtschaft und Politik weiterhin
von den alten Eliten kontrolliert
werden und die Ausbeutung weitergeht.
Die Reichen und die obere Mittelschicht
fangen ihrerseits an, für „Ruhe und
Ordnung“ zu mobilisieren. Nun müssen
die Arbeitenden sich organisieren, ihre
eigenen Forderungen klar formulieren
und genauso entschlossen für deren
Umsetzung kämpfen, wie sie gegen
das alte Regime gekämpft haben: Alle
Ausbeuter, haut ab!

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