Tarifrunde Post: Tarifvertrag per Eilzustellung statt gemeinsamer Kampf

Nach wenigen Warnstreiktagen, an denen sich immerhin bis zu 22.000 Kolleg*innen der Deutschen Post AG beteiligten, schloss die zuständige Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) am 23. September einen Tarifvertrag1 für die 140.000 Beschäftigten ab. Neben einer Einmalzahlung von 300 € kommen überschaubare Lohnerhöhungen von 3 % zum 1. Januar 2021 und 2 % zum 1. Januar 2022, Erhöhungen für Azubis von 50 € bzw. 40 € und offizieller Verzicht der Post auf „betriebsbedingte Kündigungen“ bis Ende 2023. Dabei braucht die Post gar nicht kündigen – sie macht Kolleg*innen einfach solange kaputt, bis diese entkräftet von selbst gehen.

Die Deutsche Post AG hat trotz des Lockdowns und der Krise ihre Gewinne in diesem Jahr noch einmal gesteigert: Allein zwischen April und Juni wuchsen die Gewinne auf 890 Millionen Euro gegenüber 769 zwischen Januar und März. Geld ist also in Masse da. Während der Vorstand im Sommer Entlassungen androhte und an Montagen keine Briefe mehr zustellen will, versprach er den Aktionär*innen ungeminderte Dividenden von 1,15 Euro pro Aktie.

Gefordert hatte ver.di vom größten Logistikdienstleister der Welt demgegenüber bescheidende 5,5 % mehr Lohn bei einer Laufzeit von einem Jahr. Mit diesem Abschluss setzt ver.di den Trend fort, Tarifverträge mit ellenlanger Laufzeit – und somit formal einem „Streikverbot“ – abzuschließen. Bis zum 31. Dezember 2022 hat der Postvorstand von Gewerkschafsseite nun „Ruhe“. Dabei wäre eine kurze Laufzeit gut zu begründen gewesen, um gerade angesichts der Riesengewinne der Post oder der einbrechenden Wirtschaftskrise reagieren zu können.

Es ist schwer zu sagen, was hätte herauskommen können, wenn ver.di bereit gewesen wäre, wirklich zu streiken. Unschwer aber lässt sich sagen, dass es gar nicht erst versucht worden ist. Und so muss auch kritisiert werden, dass die Gewerkschaftsführung die Auseinandersetzung bei der Post einen Tag nach dem Beginn der Warnstreiks im Öffentlichen Dienst (22. Sept.) abgebrochen hat. Gäbe es nicht viele Gründe gemeinsam zu kämpfen?

Viele Mitarbeiter*innen der Post gehören ebenso zu den beklatschten „Held*innen der Krise“ und wissen so wenig wie viele „Held*innen“ im Öffentlichen Dienst nicht, wie sie ihre Miete zahlen sollen. Statt einer gemeinsamen und kraftvollen Antwort auf die Angriffe von Unternehmen und Regierung wählte die Gewerkschaft, die das „vereinigt“ im Namen hat, wieder einmal eine strenge Trennung in einzelne Branchen und Gruppen. Aber eine solche Vereinigung der Arbeitenden zur Gegenwehr über Branchen hinweg gilt es aufzubauen.

Fußnoten

1 in der Bundesrepublik Deutschland heißen Kollektivverträge „Tarifverträge“.

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