Sparwahn an der Charité Berlin

Vier Monate hat es gedauert, bis nach einer Tarifeinigung an der Charité Facility Management GmbH (CFM, 100 %ige Tochter des großen Berliner Krankenhauses Charité) die Redaktionsverhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di1 abgeschlossen wurden. Die Auszahlung der Lohnerhöhung soll nun mit dem Oktoberlohn erfolgen. Ein Erfolg?

Nach 45 Tagen Streik im Frühjahr 2025 hatte die CFM sich mit ver.di auf ein Eckpunktepapier als Grundlage für einen Tarifvertrag geeinigt. Obwohl die Eckpunkte weit hinter den Forderungen der Kolleg:innen zurückblieben, wurden die Redaktionsverhandlungen bewusst von den Chefs in die Länge gezogen. Die CFM-Geschäftsführung hatte sich nicht nur eine teure Anwaltskanzlei zu Hilfe geholt, sondern auch die Personalchefin der Charité zur Verhandlerin berufen.

Während der Verhandlungen versuchte die CFM, für die jeweiligen Berufsgruppen möglichst schlechte Gehaltsgruppen festzulegen. In den Eckpunkten hatte man sich auf eine dynamische Kopplung der Löhne an die Entwicklung des Flächentarifvertrages für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) geeinigt. Doch die CFM las daraus, dass die Löhne im Betrieb jeweils erst mit Beginn des nächsten Kalenderjahres nach TVÖD-Abschluss steigen sollten. Und nicht nur das: Auch sollte ein Streikrecht im Rahmen der TVÖD-Runden für die Kolleg:innen der CFM verhindert werden – auf keinen Fall sollen die Kolleg:innen zusammen mit dem Pflegepersonal und anderen in Aktion treten können.

Die Kolleg:innen waren in diesen Monaten der Redaktionsgespräche nicht in der Lage, die Geschäftsführung wirksam unter Druck zu setzen. Die Gewerkschaft hielt Kurs, den Arbeitskampf zu beenden bzw. nicht neu aufflammen zu lassen. Doch auch die demobilisierende Wirkung der Einigung auf Lohnerhöhungen weit unter den Forderungen setzte sich fort: „Die Eckpunkte sind mies. Soll ich meine Kollegen jetzt auffordern, für einen schlechten Abschluss zu kämpfen?“ (Zitat eines CFM-Beschäftigten)

Die Politik hat die Geschäftsführung der CFM gewähren lassen, so wie sie zuvor gemeinsam mit dieser den Kolleg:innen einen langen Streik aufgezwungen hatte. Ziel war dabei auch, die Wut der Kolleg:innen verdampfen zu lassen. Trotzdem konnte die ver.di-Verhandlungsgruppe der Kolleg:innen nun vermelden, dass die Redaktionsverhandlungen zu Ende gehen und keine weiteren Zugeständnisse an die CFM geduldet wurden (Stand 10. 10. 2025).

Gespart wird nicht nur bei der CFM …

Dass die Charité Hintergedanken hat, wenn sie Verträge unterschreibt, spüren gerade auch die Ärzt:innen. Der Marburger Bund2 hat einen Tarifvertrag abgeschlossen, nach dem die Arbeitszeit der Charité-Ärzt:innen um 2 Stunden auf 40 Wochenstunden abgesenkt wird. Eine solche Arbeitszeitverkürzung führt zu einem höheren Personalbedarf. Anstatt massiv einzustellen, setzt die Charité vor allem die Assistenzärzt:innen massiv unter Druck, ihre Arbeitszeit per Nebenabrede auf 48 Stunden zu erhöhen. Zudem haben die hohen Kosten von Bereitschaftsdiensten die Charité bewogen, auf Schichtdienste umzustellen und z. B. 12-Stunden-Schichten einzurichten.

Auch die Umsetzung der neuen Schichtpläne erfordert mehr Personal. Dies wird es nicht geben, und daher soll die Anzahl der Ärzt:innen in den jeweiligen Schichten ausgedünnt werden. Damit verschlechtert sich das Verhältnis von Mediziner:innen zur Patient:innenanzahl noch weiter. Die ärztlichen Kolleg:innen sind auch sauer, weil ihnen bisher kein Mitspracherecht eingeräumt wurde.

Wenn der Ärztliche Dienst umorganisiert wird, hat das Auswirkungen auf andere Berufsgruppen, denn viele Abläufe werden sich verändern. Auf den Stationen müssen die Tätigkeiten von Ärzt:innen, Pflegekräften, Physiotherapeut:innen, usw. aufeinander abgestimmt sein. Die Kolleg:innen befürchten, dass Funktionsbereiche (EKG, Radiologie, Labor, …) oder OPs durch verlängerte Elektiv-Programme3 zusätzlich belastet werden. Denn die Personalbesetzungen in diesen Bereichen sind nur für die Notversorgung geplant.

Befürchtet wird zudem eine weitere Delegation ärztlicher Tätigkeiten an Pflegekräfte. Die Pflegenden haben seit 2021 einen Entlastungstarifvertrag (TV-GFB4). Dieser legt für die jeweilige Fachrichtung ein Personal-Patient:innen-Verhältnis (Ratio) fest. Sollten also Aufgaben von Pflegekräften zusätzlich übernommen werden (müssen), so müssten auch diese Ratios angepasst werden. Dazu haben die Kolleg:innen der Pflege 2026 die Gelegenheit. Denn da muss der TV-GFB neu verhandelt werden. Ziel wird dabei wohl die Ausweitung der Bereiche sein, für die der Tarifvertrag gilt, aber eben auch die Anpassung der Ratios.

Doch aus dem Verhalten der Charité gegenüber den Kolleg:innen der CFM oder den Ärzt:innen muss den Pflegenden klar sein, das wird ein harter Kampf. Auch wenn die Charité mit diesem Entlastungstarifvertrag sogar Werbung betreibt, zwang sie den Kolleg:innen 2021 einen 30-tägigen Streik auf. Für Regelungen mit denen sich die Personalchefin heute schmückt.

Team des Betriebsflugblatts
„Vitamin C“, Berlin

Fußnoten

  1. Ver.di: Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ↩︎
  2. Marburger Bund: Gewerkschaft der Krankenhaus-Ärzt:innen unter dem Dachverband des Beamtenbundes ↩︎
  3. Elektiv-Programm: geplante und damit zeitlich in den Tagdiensten durchzuführende Behandlungen/Versorgungen ↩︎
  4. TV-GFB: Tarifvertrag Gesundheitsfachberufe, Name des an der Charité gültigen Entlastungstarifvertrages ↩︎

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