Streik bei der Charité in Berlin: „Ohne uns läuft nix!“

Im Streik stehen die Kolleg:innen der Servicetochter CFM, sie bestreiken so wichtige Bereiche wie Reinigung, Catering, Sterilisation, Technik usw. Nach wochenlangem Streik haben die Kolleg:innen erreicht, dass die CFM und die Charité ihnen einen Teil des Tarifvertrages Öffentlicher Dienst (TVÖD) angeboten haben.

Die Folgen der Politik des Berliner Senates zur Jahrtausendwende spüren die Kolleg:innen der CFM noch immer. 2005 wurde die CFM als Tochter der Charité gegründet. Ziel war dabei vor allem eines: Tarifflucht.

Bei der CFM arbeiten mittlerweile über 3000 Kolleg:innen. Alle Bereiche, die „patientenfern“ sind, wurden in diese Firmen ausgegründet. An der Charité wird nach dem TVÖD bezahlt. An der CFM liegen die Löhne weit unter diesem Niveau, der Unterschied beträgt bis zu 700 Euro/Monat.

Das nicht länger hinzunehmen, ist die Motivation von mehr als 600 Streikenden bei der CFM. Sie haben ihren Streik gut vorbereitet. Es sind fast 50% Organisationsgrad in ver.di erreicht, Bereichsverantwortliche bestimmt, Kommunikationskanäle eingerichtet, Ver.di hat einige Organizer im Einsatz. Noch nie waren so viele Kolleg:innen bei einem Streik an der CFM aktiv. Selbst schwer zu organisierende Bereiche wie die Reinigung sind sehr gut am Streik beteiligt. Am Streikposten fallen viele Grenzen. Musik und Tänze verbinden sonst immer getrennt arbeitende Reinigungskräfte. Sprachbarrieren werden überwunden, der Anblick hunderter Streikender stärkt das Selbstbewusstsein.

Die Gegenseite hat sich allerdings auch gut vorbereitet. Charité und CFM wollen den Klinikbetrieb einfach aufrechterhalten. Natürlich zogen sie vor Gericht. Der Streik wurde mitsamt Forderung nach TVÖD für rechtens erklärt, aber gleichzeitig eine Notdienstregel auferlegt, die den Streik sehr erschwert. Dabei sollte ein Notdienst doch wohl nur den Klinikbetrieb aufrechterhalten, der für die Versorgung von Notfall- Patient:innen nötig ist.

Die Spannung steigt…

Aus der Weigerung der Charité, die Zahl der Patient:innen zu reduzieren, folgt eine deutliche Mehrbelastung des Pflegepersonals. Transporte, Auffüllen bis hin zu Reinigung soll nebenbei von der Pflege erledigt werden. Die Pflegekräfte haben angefangen, gegen den Streik zu schimpfen. Die Streikleitung der Chefs gab nicht einmal eine Telefonnummer zur Erreichbarkeit bekannt. Die Gewerkschaft ver.di ruft zur Solidarität auf, doch die bleibt verhalten. Wohl auch, weil die Pflegenden sich kurz zuvor am bundesweiten TVÖD- Streik beteiligt hatten. Der Abschluss dort war einfach zu schlecht und demotivierend. Um gegenzusteuern besuchen Leute der Betriebsgruppe der Charité oft zusammen mit Streikenden die Stationen, dabei wird über den Streik berichtet und Flugblätter werden verteilt. Die Streikenden laden alle ein, sich am Streikposten zu Kaffee und Gebäck zu treffen. Die Rede einer Krankenschwester am Streikposten, ist ein gutes Beispiel. Sie drückte ihr Gefühl aus, „dass wir eigentlich ja zusammengehören…ich sehe hier Leute, die ich sehr vermisse auf Station“. Die aussagekräftige Ansage ist eine der Initiativen, die dafür gesorgt haben, dass die Streiklaune bei der CFM nicht gesunken ist. Die Geschäftsleitung musste ihre Blockadehaltung aufgeben und zu Verhandlungen einladen. So war allen auch klar, der Streik wirkt.

… auch innerhalb der Tochterfirma?

Die Belegschaft der CFM ist international. Man spricht Türkisch, Serbo-Kroatisch usw. Eine Herausforderung für die taktischen Debatten unter den Kolleg:innen. Um die Einigkeit der Streikenden zu fördern, werden systematische Übersetzungen organisiert. Wie in jedem Streik besteht eine weitere Spaltung: Streikende und Nicht-Streikende. Diese Spaltung hat sich aber im Verlauf des Streiks nicht vertieft. Rund um die Streikposten, die sich auf dem Betriebsgelände befinden, sind die Nicht-Streikenden nie sehr weit. Einige Streikende treten bewusst gegen die Spaltung der Kolleg:innen auf. So ein Gärtner, der dafür sorgte, die Flächen am Streikposten sauber zu halten. Aus Verständnis für die nicht-streikenden Kolleg:innen: „Ich zeige ihnen Respekt, auch weil sie Respekt für mich als Streikenden haben, weil sie wissen, dass ich auch für sie streike.“ Erfahrungen, die auch nach dem Streik allen Kolleg:innen etwas bringen werden.

Streiken oder verhandeln?

Die Solidarität um und innerhalb des Streiks zu festigen, ist bitter nötig. Die Geschäftsleitung der CFM hat geplante Verhandlungen abgesagt. Gleichzeitig versuchte sie, Streikende zurück zur Arbeit zu locken. 250 Euro (brutto) als Prämie diente als Lockmittel. Dieser Versuch, wurde aber von den Streikenden eher als ein läppischer Köder eingeschätzt. Später probierten sie es sogar mit Burgergutscheinen, als ob eine unzureichende Fast Food Versorgung das Problem bei der CFM wäre.

CFM und Charité machten nach Wochen des Schweigens endlich ein Angebot. Sie bieten die Gehaltstabellen des TVÖD, um gleichzeitig den Manteltarif des TVÖD vorzuenthalten. Doch für die Verhandlungen verlangten sie eine Aussetzung des Streiks für vier Tage.

Damit fingen ernste Probleme an. Einige wollten die Dynamik des Streiks bewahren und lehnten die Aussetzung des Streiks ab. Andere wollten die Details des Angebotes der Geschäftsleitung prüfen und waren bereit, ein paar Tage wieder zu arbeiten. Eine Spaltung unter den Streikenden drohte. Zumal die Spitze von Ver.di in den Diskussionen, geführt v. a. durch einige Organizer:innen, nicht neutral blieb, sondern die Vorteile einer Aussetzung des Streiks deutlich hervorhob. Dabei ist es Ziel der Arbeitsniederlegung, die Geschäftsführung zum Verhandeln zu zwingen. Eine streikende Kollegin erklärte: „Dass wir diejenigen sind, die um Verhandlungen bitten, ist schon ein Problem. Die Bitte nach weiteren Verhandlungen muss von der Geschäftsleitung kommen, gerade weil wir streiken“. Die Streikenden haben bis dahin nicht an der Stärke ihres Streiks gezweifelt. Die Leitung der Gewerkschaft Ver.di zeigt sich aber mittlerweile recht fügsam gegenüber den Chefs. Streik ist nicht wie ein Lichtschalter. Den Streik an- und abzuschalten, funktioniert nicht. Der Streik lebt von der Dynamik, die zwischen den verschiedenen Bereichen des Betriebes entsteht. Zum Beispiel: Bei der Sterilisation wirkt ein Streik erst nach ein paar Tagen. Das verstehen alle.

Nach drei langen Tagen Verhandlungen wurde deutlich: Das Angebot der CFM ist unzureichend. Darum nahmen die CFM-Kolleg:innen ihren Streik wieder auf. Doch sie hatten sich erpressen lassen und diese Strategie führt die CFM nun fort. Sie verlangt, auch für die nächsten Verhandlungen die Unterbrechung des Streiks. Diese sollen am 3. 6. 2025 stattfinden. Erneut hat ver.di den Kolleg:innen nahegelegt, der Forderung nachzukommen und erhielt damit auch eine große Zustimmung bei den Streikenden.

Kein Grund zurückzuweichen

Die Stärke eines Streiks entsteht auch aus der Solidarität, die er erhält. Die Strategie von Ver.di, sich vor allem an die Politik zu wenden, ob mit Demonstrationen zum Senat oder Kundgebungen vor den Büros der Geschäftsführung, erzeugt nur einen sehr begrenzten Druck. Dagegen streikten in Berlin im Mai auch Lehrer:innen für einen besseren Gesundheitsschutz. Ein Gewerkschafter der GEW richtete sich bei einer Kundgebung am Mikrofon an die Streikenden der CFM: „Wir halten gemeinsam die Stadt am Laufen und wir alle brauchen bessere Bedingungen in unseren Bereichen“. Doch eine gemeinsame Demonstration wurde von den Gewerkschaften nicht organisiert. Der Gewerkschaftsapparat begreift die politische Dimension eines Streiks nicht. Manchmal behindert er diese auch ganz bewusst. Streikende sehen aber schnell die Notwendigkeit, ihren Streik in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die CFM- Kolleg:innen werden dabei von verschiedenen Bündnissen unterstützt. Für den 05. Juni haben linke Studierende die Streikenden zu einer Veranstaltung eingeladen, um von ihrem Kampf zu berichten. Und die Streikenden haben einiges zu berichten, ist ihr Kampf doch ein Teil des Widerstandes gegen die Politik der Verarmung großer Teile der lohnabhängig Beschäftigten.

Lorenz Wassier und Havanna Obst, Berlin

Glossar:

CFM: Charité Facility Management GmbH

Ver.di:  Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft

GEW: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften

Manteltarif: enthält Regelungen zu Jahressonderzahlungen, Urlaub, Schichtzulagen usw.

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