Tarifvertrag Entlastung in NRWs Unikliniken
Dem Beispiel der Berliner Krankenhausbewegung folgend wollen nun auch Krankenhausbeschäftigte an den sechs Unikliniken in NRW einen „Tarifvertrag Entlastung“ für alle Kolleg:innen in den Häusern erkämpfen. Schon 2018 hatte es in Düsseldorf und Essen wochenlange Streiks gegeben, die Umsetzung des Tarifvertrags brachte zwar in einzelnen Stationen echte Verbesserungen, ist aber in den meisten Abteilungen von den Chefs immer wieder hintergangen und mit vielen Tricks verwässert worden. So arbeiten die Krankenhäuser – nach einer kurzen Vorhaltepause wegen Corona – wieder genauso über den Kapazitäten der Kolleg:innen wie vor Corona oder wie vor den Tarifverträgen von 2018.
Damals aber galten nur die Häuser in Düsseldorf und Essen, letzteres sogar mit einem Streikkomitee, als gewerkschaftlich organisiert sowie aus Sicht von ver.di als kampffähig. Die Kämpfe an Rhein und Ruhr, aber vor allem in Berlin an der Spree, haben auch zu vielen Eintritten in den anderen Unikliniken in Aachen, Bonn, Köln und Münster geführt. So werden, wenn am 1. April 2022 die Friedenspflicht in Düsseldorf und Essen ausläuft, erstmals alle sechs Unikliniken gemeinsam für Entlastung kämpfen.
Der Lohnabschluss in der Tarifrunde der Länder hat in den Krankenhäusern ein sehr geteiltes Echo gefunden und manche Spaltungslinie innerhalb und außerhalb der Häuser aufgeworfen. Gerade für das pflegende und medizinische Personal wäre durch Corona vermutlich viel mehr drin gewesen. Aber andere Bereiche waren froh über einen Abschluss vor Weihnachten, weil sie sich nicht kampffähig fühlten. Und der Abschluss von 1300 Euro Einmalzahlung und 2,8 % Lohnerhöhung erst Ende 2022 ist für Kolleg:innen, die weniger als 1800 Euro im Monat verdienen, zumindest in diesem Winter rechnerisch oberhalb der Inflation. Insbesondere in den Kliniken hatte ver.di 300 Euro für alle (nicht nur für die Pflege) gefordert, war davon aber – zum Ärger vieler Kolleg:innen aber auch vieler Aktivist:innen – abgerückt. Einzig die Wechselschichtzulage gibt es tabellenwirksam für alle. Das sorgte in vielen Bereichen für Frust, gerade in „frisch organisierten“ Pflegegruppen wie z.B. in Münster aber fand der Abschluss gute Zustimmung. So ist die Einschätzung des Vertrags insgesamt unterschiedlich, aber die Kolleg:innen gehen mehrheitlich mit dem Gefühl „echt Druck machen zu können“ aus der Tarifrunde.
Für die allermeisten Kolleg:innen in Bonn, Düsseldorf oder Münster ging es neben den Löhnen vor allem darum, endlich eine echte Arbeitsentlastung zu erreichen. Somit war die Lohntarifrunde für sie oft nur ein „Vorspiel“ zur Entlastungsbewegung, die nun bevorsteht.
Und die Vorzeichen sind gut! Neben vielen neuen Gewerkschaftsmitgliedern, die mit dem Willen zu kämpfen und etwas zu erreichen eingetreten sind, wirken die Erfahrung der eigenen Stärke in der Tarifrunde und vor allem das Beispiel der Abschlüsse bei Vivantes und Charité als Mutmacher. In bisher noch nicht gekanntem Maße hat der ver.di-Apparat mit Organizer:innen und dem Konzept von in den Abteilungen gewählten Team-Delegierten die Bewegung demokratisiert und den Kolleg:innen das Gefühl gegeben, wirklich mitentscheiden zu können. Diese Stärke kann sich in Kampfkraft verwandeln – ein Abschluss aber, der über die Stimmung in den Abteilungen und bei den Team-Delegierten hinweggeht, dürfte ver.di in den Krankenhäusern auf lange Zeit jedes Vertrauen kosten. Und tatsächlich können weder die Krankenhausleitungen noch die Landesregierung – in NRW wird im Mai gewählt – angesichts der Pandemie und der weit verbreiteten Sympathie für die Pflege gerade keinen langen Streik gebrauchen.
Am 19. Januar gibt es ein erstes großes Treffen über Zoom. Schon jetzt sind ca. 600 Kolleg:innen aus allen Häusern angemeldet, hier soll es auch Berichte aus Berlin geben. Danach werden Aktivist:innen und Organizer:innen durch die Abteilungen ziehen, über den Berliner Abschluss informieren, Forderungen sammeln und Delegierte wählen lassen. Und wie schon erwähnt, am 1. April endet die Friedenspflicht …
Jakob Erpel, Düsseldorf