Es heißt, die Industrie Deutschlands sei in einem schlechten Zustand. Volkswagen droht 15.000 Stellen zu streichen. Die Belegschaft des Audi-Werks in Brüssel, das geschlossen werden soll, hat schon gestreikt. Der Autozulieferer ZF will bis zu 14.000 Stellen hierzulande streichen. Die Geschäftsstimmung habe sich für die nächsten Monate verschlechtert. Schon wieder „Krise“ in der Wirtschaft. Dabei pries Scholz Deutschland noch vor einer Woche als „drittgrößte Volkswirtschaft der Welt“ …
Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 4.457 Milliarden hat Deutschland Japan überholt. In Deutschland ist Arbeit extrem produktiv, weil die Konzerne extrem viel Kapital haben, die Arbeitskraft am Limit ausgebeutet wird und auch, weil es nur wenig Streiks gibt. Der private Reichtum ist dementsprechend explodiert.
Wenn die Industrie jetzt wieder seufzt – vor allem die Autoindustrie – dann weil die Umstellung auf Elektroautos, die „Energiewende“ und die Digitalisierung riesige Investitionen verlangen. Der weltweite Konkurrenzkampf ist dazu rau und gnadenlos. Diese Investitionen wollen die Konzerne nicht selbst tragen, das soll der Staat übernehmen. „Fördern und Fordern“? Nicht für VW & CO. Der VW-Konzern hat zwar letztens 4,5 Milliarden an seine Aktionär:innen ausgezahlt. Doch jetzt fehlen angeblich 2, 3 oder 5 Milliarden für die „angestrebte Ergebnisverbesserung“. Bezahlen sollen das die Arbeiter:innen des VW-Konzerns mit neuen „Sanierungsmaßnahmen“ und angedrohtem Stellenabbau. Und gleichzeitig pumpt der Staat 600 Millionen neue Subventionen in die Autobranche. Da die Konzerne fast keine Steuern zahlen, zahlt die Arbeiter:innenklasse in Deutschland auch das.
Die Großaktionäre schlafen auf Milliarden, aber die Konzerne jammern
Ein gutes Beispiel ist auch die Meyer-Werft. Dieses „Familienunternehmen“ baut maximal umweltschädliche Kreuzfahrtschiffe. Nun brauchen sie eine „Überbrückung“. Bräuchten wir auch oft bis zur nächsten Lohnzahlung. Dafür interessiert sich der Staat Null. Aber die Meyers brauchen Milliarden. Und prompt springt der Staat ein, ganz ohne Gegenleistung. Das Unternehmen wird jetzt auf Staatskosten „saniert“, einschließlich Stellenabbau, auf dass in ein paar Jahren die Gewinne sprudeln … in die Kasse der sogenannten Unternehmerfamilie Meyer.
Und weil der so geschröpfte Staat bei der öffentlichen Infrastruktur, den Schulen und Kitas seit 30 Jahren spart und seit Jahrzehnten kaum noch Wohnungen mehr baut, fehlt es auch wieder für alle „Normalsterblichen“.
Rassismus zur Ablenkung
Seit Wochen und Monaten wird allerdings viel Lärm über anderes gemacht. Der „Zusammenbruch Deutschlands“, so wird uns eingeredet, drohe durch Migrant:innen. Grenzkontrollen werden eingeführt. Ein riesiges Ablenkungsmanöver, bei dem alle größeren Parteien mitmachen. Natürlich ist die Not bei Wohnungen nicht durch Migrant:innen hervorgerufen. Was CDU-Merz da rumposaunt ist eine Lüge. Die Krise ist gekommen durch die Entscheidung vor 30 Jahren, kaum noch Wohnungen zu bauen und alles privaten Investoren zu überlassen. Und viele Kommunen werden seit vielen Jahren ausgeblutet, weil der Staat Gelder immer zuerst bei Sozialem streicht.
Die Stimmungsmache gegen Migrant:innen lenkt die Aufmerksamkeit ab von den laufenden und drohenden Angriffen, die von ganz anderer Seite kommen. Scholz, unter dem Druck der CDU und der AfD, macht auch seinen Job: Eine rassistische Kampa- gne, um von den sehr einheimischen Ausbeuter:in-nen abzulenken. Die Bosse freuen sich. Wer guckt denn noch hin, was sie tun, wenn alle Augen sich grimmig auf den einzigen afghanischen Kollegen richten, der sich noch auf ein Straßenfest traut?
Wenn man einen sogenannten Migrationshintergrund hat, ist diese widerliche Hetze fürchterlich. Es nimmt einem die Luft zum Atmen. Das ist beängstigend. Für die Kapitalist:innen ist auch das ein Gewinn. Lassen sich doch die Arbeitenden, deren Status unsicher und prekär ist, besser ausbeuten. Aber die migrantischen Kolleg:innen – egal welchen Status sie haben – haben jedes Recht der Welt zu sagen: wir arbeiten hier, wir leben hier, wir bleiben hier!
Die instrumentalisierte Debatte über „Sicherheit“ und „Krise“ dient der Sicherheit dieser Superreichen. Die Wirtschaft in Deutschland will um keinen Preis den dritten Platz in der Weltwirtschaft aufgeben. Also könnten die Schläge, die die ganze Arbeiter:innenklasse treffen, noch härter werden. Alle gemeinsam müssen wir unsere Kräfte organisieren gegen diese wirklichen Feinde, denn ohne deren Geldbeutel anzugreifen, kann es uns nicht besser gehen. Niemandem in der arbeitenden Klasse.
[Das ist die Vorderseite unserer Betriebsflugblätter vom 19.09.2024]