Das Schlechteste aus beiden Welten

Ende September sind Nationalratswahlen in Österreich. Die amtierende Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen ist 2020 mit dem Slogan „Das Beste aus beiden Welten“ angetreten. Es wurde Politik für Reiche und rechte Hetze, garniert mit zahnloser Symbolpolitik in Klimafragen statt der versprochenen Klimawende. Und trotz Korruptionsskandalen, autoritären Angriffen auf Medien und Staat, fahrlässiger Pandemiepolitik und rassistischer Asylpolitik haben die Grünen fünf Jahre weiterregiert.

Vor der Koalition mit den Grünen regierte die ÖVP anderthalb Jahre mit der FPÖ. Im Wahlkampf 2017 hat die ÖVP mit Sebastian Kurz versucht, der rechtsextremen FPÖ durch rechte Hetze und Rassismus das Wasser abzugraben – mit Erfolg. Dieser Rechtsruck festigte sich in der folgenden ÖVP-FPÖ-Regierung, die rassistische Politik und die Schwächung von Sozialstaat, Medien und Sozialpartnerschaft verfolgte. Gestoppt wurde sie durch den „Ibiza-Skandal“ im Mai 2019. In einem geheim aufgenommenen Video sprach der damalige FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache darüber, wie sich Reiche durch Parteispenden Einfluss auf die Politik erkaufen können. Was zunächst wie Prahlerei wirkte, stellte sich als gelebte Praxis in Österreich heraus. Im Zentrum der Ermittlungen stand aber schnell nicht mehr Strache und die FPÖ, sondern Sebastian Kurz und sein enger Kreis in ÖVP und Staatsapparat. Kurz trat schließlich zurück, doch die von ihm geprägte „türkise“ ÖVP machte einfach weiter. Karl Nehammer übernahm die Führung, setzte jedoch die bisherige Politik fort, unterstützt von den Grünen. Obwohl es zahlreiche Ermittlungen und Untersuchungsausschüsse gab, gelang es den Reichen und Mächtigen, Verurteilungen weitgehend zu verzögern bzw. zu verhindern.

Pandemie und Teuerung
Unmittelbar nach dem Regierungsantritt von ÖVP-Grünen Anfang 2020 begann die Corona-Pandemie. Die ÖVP nutzte die Krise, um autoritäre Kontrollfantasien durchzusetzen, während sie es versäumte, effektiven Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Die Regierung war mit der Verteilung von Milliardenhilfen an Unternehmen beschäftigt. Eine Studie der österreichischen Nationalbank zeigte, dass 40 Milliarden Euro an Corona-Hilfen ausgezahlt wurden, während die Zusatzkosten im Gesundheitssystem nur sieben bis acht Milliarden Euro betrugen. Ein Großteil dieser Förderungen ging an Unternehmen, die keine finanziellen Schwierigkeiten hatten. Laut Studie konnten viele Unternehmen so ihr Eigenkapital erhöhen. Vermutlich die größte Umverteilungsaktion zugunsten der Reichen in der österreichischen Geschichte. Gegen die massive auch im europäischen Vergleich sehr hohe Inflation weigerte sich die Regierung wirksame Maßnahmen wie Preisregulierungen einzuführen.

Diverse, teils noch nicht aufgearbeitete Skandale machen deutlich, dass sich der politische Einfluss auf die Justiz bis in die höchsten Kreise erstreckt. Es wurde klar, dass nicht alle vor dem Gesetz gleich sind. Ermittlungen gegen die ÖVP und ihr Umfeld wurden durch ÖVP-nahe Personen im Staatsapparat beeinflusst.

„Dabei sein ist alles“
Die Grünen rechtfertigten ihre Beteiligung an der Regierung stets mit dem Durchsetzen von Klimaschutzmaßnahmen, doch auch hier ist die Bilanz düster. Ihr Hauptprojekt, das Klimaticket, war zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber es kam zu spät und ist mit über 1000 Euro pro Jahr zu teuer, um von der breiten Bevölkerung genutzt zu werden. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs hinkt zudem hinterher, und die Grünen scheiterten daran, ein neues Klimaschutzgesetz durchzusetzen.

Sie haben fünf Jahre bei diesem unwürdigen Schauspiel verlässlich mitgespielt. Im Gegenzug haben die Grünen ein paar Zugeständnisse bei Klimaschutzmaßnahmen bekommen, während die ÖVP sichergestellt hat, dass keine wirklich relevanten Maßnahmen ergriffen werden und die Kapitalinteressen gewahrt bleiben. Oder wie der Grüne Parteichef Kogler es 2021 bei einem Interview rund um Olympia in Bezug auf die grüne Regierungsbeteiligung formulierte: „Die Frage müsste lauten: ist es schon ausreichend, wenn man bloß nur dabei ist? Und ich sag Ihnen: ein herzhaftes Ja, es ist eine gute Sache!“

Johannes Wolf, Wien

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