Deutschland: Zwischen den Konservativen der CDU, den Liberalen der FDP und den Rechten der AfD gibt es keine Mauer

Am 5. Februar wurde Thomas Kemmerich, Unternehmer und lokaler Chef der sich als liberal bezeichnenden FDP, mit den Stimmen der konservativen CDU und der rechts-extremen AfD (Alternative für Deutschland) zum Ministerpräsidenten in Thüringen gewählt. CDU und FDP haben sich nicht daran gestört, von expliziten Rechten und offenen RassistInnen unterstützt zu werden.

Im ostdeutschen Bundesland Thüringen fanden im letzten Herbst Wahlen zum Landtag statt, nachdem zuvor fünf Jahre eine Koalition aus der LINKEN, der SPD und den Grünen regiert hatte. Bodo Ramelow war der erste Ministerpräsident der LINKEN geworden.

Das Wahlergebnis im Herbst letzten Jahres passt in das Bild der Wahlen, das wir seit längerem erleben: bei gleichzeitig gestiegener Wahlbeteiligung war die AfD die klare Gewinnerin, indem sie am meisten zulegen konnte. Größte Verlierer waren die CDU und die SPD. Die LINKE wurde mit 31% stärkste Partei, danach folgte die AfD mit 23,4%, dann die CDU mit 21,7%, die SPD erhielt nur 8,2%. Grüne und FDP brachten es auf 5,2% bzw. 5%.

Das Drama in mehreren Akten nahm seinen Lauf … die Prozente reichten nicht, um die rot-rot-grüne Koalition mit einer Mehrheit im Landtag fortzusetzen. Dennoch gaben sich die VertreterInnen von LINKE, SPD und Grünen siegessicher, glaubten fest daran, als Minderheitsregierung ihre Posten retten zu können. Doch am Folgetag hieß der Ministerpräsident nicht Bodo Ramelow von der LINKEN, sondern Thomas Kemmerich von der FDP. Die AfD hatte zwar einen eigenen Kandidaten aufgestellt, den aber nicht gewählt, sondern mit der CDU für den FDP-Kandidaten gestimmt. Ein Ministerpräsident von Gnaden der AfD. 

Das gab es bisher nicht. Die strahlenden Gesichter der AfD-Leute angesichts dieses Tricks waren nicht auszuhalten. Zehntausende waren so angeekelt von diesem Deal, dass es in allen größeren Städten in der Bundesrepublik spontane Kundgebungen und Demonstrationen vor den Büros von CDU und FDP, aber auch der AfD gab.

Von Seiten der CDU gab es nicht wenige, die offen ihre deutliche Zustimmung zu der Wahl zeigten und Kemmerich gratulierten. Doch angesichts der starken Proteste und nach kurzem Abwarten übernahm Bundeskanzlerin Merkel die Vorreiterrolle der mahnenden Demokratin und kritisierte die Thüringer CDU. 

In den Folgetagen erlebten wir, wie sich JournalistInnen und einige PolitikerInnen übertrumpften, indem sie nun mutig Höcke, den Chef der AfD in Thüringen, als Faschisten bezeichneten und mahnend den Zeigefinger erhoben, die „Brandmauer“ zur Rechten habe Löcher bekommen. Am Ende musste Kemmerich zurücktreten. Auch die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer ist über den geplatzten Testballon gestolpert und hat sich als Kanzlerkandidatin zurückgezogen.

Zwischen den Konservativen der CDU und den Liberalen der FDP einerseits und den extrem Rechten der AfD gibt es keine „Brandmauer“. Die Wahl in Thüringen hat das aufs Neue gezeigt. Das sieht man auch an den vielen Kooperationen, die es auf kommunaler Ebene längst gibt.

Nicht wenige Spitzenpolitiker-Innen der CDU verteidigen bis zum heutigen Tag den Pakt mit der AfD, um einen linken Ministerpräsidenten zu verhindern. Dahinter steckt ihr Hass und ihre Verachtung für Ideen wie soziale Gerechtigkeit, bezahlbare Mieten, höhere Löhne und Renten, Solidarität zwischen den deutschen und migrantischen Arbeitenden…

Denn solche Versprechen hat die LINKE sich auf ihre Fahne geschrieben, auch wenn ein linker Ministerpräsident all dies nicht umsetzt. Denn nur durch Mobilisierungen und Kämpfe der Arbeitenden, Arbeitslosen und RentnerInnen lassen sich ernsthafte Verbesserungen durchsetzen.

Gegen die Verantwortlichen der sozialen Verschlechterungen

Auch wenn Merkel und Kramp-Karrenbauer nach kurzem Abwarten die Thüringer CDU zurückgepfiffen hat, so ist die thüringische CDU kein losgelöster Fremdkörper, sondern bleibt Teil der CDU. Sie trägt zusammen mit der FDP und auch SPD und Grünen die Verantwortung dafür, dass die AfD überhaupt einen immer größeren Platz einnimmt. Sie alle verteidigen den Kapitalismus und die großen Konzerne und Finanzinstitute. 

Sie sind skrupellos genug, über „Soziales“ und „Verantwortung“ zu palavern, um dann einerseits die Scheunentore für Banken und Konzerne zu öffnen und andererseits mit einer Reform nach der anderen die Sozialleistungen und den Öffentlichen Dienst zu zertrümmern. Selbst die LINKE, wo sie in Landesregierungen ist, hat ein offenes Ohr für Unternehmen. Und um jetzt doch noch die Wiederwahl von Bodo Ramelow zu ermöglichen, ist die LINKE bereit, mit der CDU politische inhaltliche Verabredungen zu treffen.

Für ihre Politik werden CDU, FDP und SPD seit Jahren bei den Wahlen abgestraft. Zugleich meinen immer mehr Menschen, indem sie der AfD die Stimme geben, ihren Protest gegen die sozialen Ungerechtigkeiten zeigen zu können.

Andererseits sind es gerade die Regierungsparteien, die die Hetze gegen Flüchtlinge salonfähig gemacht haben. Sie arbeiten mit Diktatoren in Nordafrika und der Türkei zusammen, um die Mauern um Europa hochzuziehen und die verzweifelten Menschen im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste zu schicken oder im Mittelmeer ersaufen zu lassen.

Manche Tiraden gegen Migrant Innen von CSU- und vielen CDU-SpitzenpolitikerInnen unterscheiden sich kaum von denen, die man von der AfD kennt. Wer sich von so etwas angesprochen fühlt, wählt dann oft lieber das Original, also gleich die AfD. Und mit jedem Erfolg der AfD, mit jeder Hetztirade von CSU-PolitikerInnen gegen Geflüchtete fühlen sich eingefleischte Rechtsradikale bestärkt. Ein Schulterschluss mit diesen „Demokraten“ gegen die Rechten wäre eine Sackgasse.

Gemeinsam für ein besseres Leben!

Auch wenn AfD-Leute sich nun bestärkt fühlen, sie sprechen ganz und gar nicht für die Mehrheit.

Und auch diese ganzen wahltaktischen Manöver entscheiden nicht über uns. Die spontanen Proteste als Reaktion auf den Pakt in Thüringen zeigen, dass das Gift der Vorur-teile und des Rassismus längst nicht überall wirkt. Die Proteste gehen weiter; am 16. Februar waren es 18.000 in Erfurt. Angesichts der Angriffe, die die Konzerne und Banken planen ist es umso wichtiger, dass die ArbeiterInnenklasse zusammenhält – ganz egal, ob jemand in Deutschland geboren ist oder in den letzten Jahren dazu gekommen ist.

Wenn zum Beispiel Volkswagen, Daimler und Thyssen ihre angekündigten Entlassungspläne umsetzen und Zehntausende auf die Straße setzen wollen, schauen sie nicht auf die Geburtsurkunde. Die steigenden Mieten und sinkenden Renten betreffen auch alle Arbeitenden, StudentInnen und RentnerInnen gleichermaßen. Umso wichtiger ist es, alle Kräfte gegen die verantwortlichen KapitalistInnen und ihre Handlanger in der Politik zurichten und zugleich sich gegen alle zu wenden, die die ArbeiterInnenklasse mit ihren Vorurteilen auseinander dividieren wollen. Entscheidend sind immer noch Streiks und Demonstrationen, mit denen wir ein besseres Leben erreichen können.

16.02.2020

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