Die Arbeiter:innen bei Boeing lehnen Kompromiss ab und streiken!

Gestern, am Freitag, haben 32.000 Arbeiter:innen der Gewerkschaft der Maschinenschlosser (IAM) einen Streik gegen den gigantischen Flugzeugbauer Boeing begonnen in den Fabriken von Boeing in den Bundesstaaten Washington, Kalifornien und Oregon, wobei die beiden größeren Fabriken Everett und Renton in der Nähe von Seattle im Bundesstaat Washington sind. Die Gewerkschaft der Maschinenschlosser (IAM) hatte mit dem Konzern letzte Woche eigentlich einen Tarifvertrag ausgehandelt. Aber die Gewerkschaftsmitglieder haben den Kompromiss mit 94,6 % abgelehnt und mit 96 % für Streik gestimmt. Die Arroganz des Managements von Boeing und auch die Top-Spitze der Gewerkschaft haben nicht mit der Wut der Arbeiter:innen und ihrem Willen, sich für ihre eigenen Rechte zu organisieren, gerechnet.

Aber von Anfang an: Es geht um Löhne, um weniger Überstunden und eine verlässliche Rente. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass es in den USA keine gesetzliche Rente gibt. Ob ein Arbeiter am Ende seines Arbeitslebens eine Rente erhält, hängt davon ab, ob das Unternehmen, für das er gearbeitet hat, eine solche Rente anbietet. Das ist überhaupt nicht die Regel. Und auch Boeing hat vor mehreren Jahren die Verpflichtung für eine Rente ihrer Belegschaft zu sorgen, abgeschafft.

Die Hoffnungen waren zu Beginn der Verhandlungen groß und die Forderungen waren Wiederherstellung der Rente, 40% Lohnerhöhung über die nächsten 3 Jahre, weniger erzwungene Überstunden und eine Garantie, dass Boeing sein nächstes Flugzeug in der Region Puget Sound bauen wird.

Die Erwartung der Boeing-Beschäftigten ist, dass die Zwangsüberstunden begrenzt werden. Die derzeitige Obergrenze erlaubt 112 Stunden erzwungener Überstunden in einem Quartal und bis zu 19 Arbeitstage am Stück. Sie wurde 2018 von 128 nach unten angepasst. Aber die Arbeiter:innen erzählen aus ihrem Bereich, dass 19 Tage am Stück zu arbeiten keine Seltenheit ist und zu körperlichen Zusammenbrüchen und psychischen Störungen bei den Kollegen geführt hat. Solche Erzählungen kommen aus Bereichen, in denen sie elektrische und hydraulische Systeme in den Flügeln von Boeings meistverkauftem Flugzeug, der 737, installieren. Arbeiter:innen erzählen auch von der unmenschlichen Arbeitshetze. Boeing erhält von den Kunden Zwischenzahlungen, wenn ein bestimmter Fertigungsstand erreicht wurde, sogenannte Meilensteine. Also ist die Produktion dieser super modernen Flugzeuge darauf ausgerichtet, Meilensteine zu erreichen, um jeden Preis, selbst wenn Teile fehlen. „Weil das Management Druck ausübt, vor allem auf neue Kollegen, bauen die Leute ein Teil aus einem Flugzeug aus und bauen es dann in das andere Flugzeug ein, um den Meilenstein zu erreichen“, berichtet ein Arbeiter aus Everett gegenüber Labor Notes. Oft wird der Ausbau nicht dokumentiert, was einen Verstoß gegen die Vorschriften der Federal Aviation Administration darstellt. Das weckt Erinnerungen an den weltweit bekannten Vorfall dieses Jahr, als während eines Fluges eines Alaska Airlines 737 MAX eine Tür abfiel.

Der letzte Streik liegt viele Jahre zurück und war 2008. Er dauerte damals 58 Tage. Das war damals auch die letzte Lohnerhöhung. Die Gewerkschaftsorganisation hat sich auf den jetzigen Streik seit fünf Jahren vorbereitet. Die Gewerkschaftsleitungen haben die Arbeiter:innen aufgefordert, pro Gehaltsabrechnung 50 Dollar auf ein Gewerkschaftskonto für den Streikfall einzuzahlen. Und im Juli stimmten bereits 99,9 % der 25.000 Teilnehmer auf einer Kundgebung im Mariners-Stadion für einen Streik.

Doch dann kam nach langen Verhandlungen und kurz vor Auslaufen des Tarifvertrages die Überraschung: es habe einen Deal gegeben. Unter anderem eine Lohnerhöhung von 25% über die Dauer des Vertrages und einige Versprechen. Die Gewerkschaftsleitung pries das Ergebnis in schönen Worten an, das sei das Beste, was man in Verhandlungen erreichen konnte, ein historischer Abschluss und so weiter. Noch am selben Tag marschierten Arbeiter:innen während ihrer Mittagspause durch die Fabrik in Everett und riefen: „Streik! Streik!“ Die Gewerkschaftsoberen haben die örtlichen Gewerkschaftssekretäre zwar dazu gedrängt, die Botschaft „Stimmt mit Ja“ an die Mitglieder weiterzugeben, aber das ist nicht gut angekommen. Selbst die Gewerkschaftssekretäre waren sauer und manche verbreiteten: „Nein, wir müssen streiken. Dieses Angebot ist Schwachsinn.“ Auf der Facebook-Seite der Gewerkschaft hagelte es wütende Kommentare unter der Info über den Deal, bis die Administratoren die Kommentarfunktion schlossen. Der letzte Kommentar war einer mit Aufruf zu Streik. Die Schlangen waren lang, als die Arbeiter:innen anstanden, um ihre Stimme abzugeben.

Die Abstimmung war überwältigend gegen das Verhandlungsergebnis und für Streik. Um Mitternacht zu Freitag sind die Leute raus aus der Fabrik und haben Streikposten gebildet mit Schildern und selbstgemachten Feuertonnen.

Auf Social Media gibt es viele Videos, die die Entschlossenheit zeigen. In einem Video erklärt einer den Streik: Boeing hat schon die Renten genommen und bietet etwas an, was erheblich niedriger ist. Boeing berücksichtigt nicht die Kosten durch Inflation. Viele können sich nicht einmal mehr die Miete leisten. Man sollte nicht leben von Gehaltszahlung zu Gehaltszahlung, wenn man für einen Konzern wie Boeing arbeitet… Auf Schildern steht „Historischer Vertrag am Arsch“oder „Habt ihr die verdammten Immobilienpreise gesehen?“. Autos hupen für Support. Aus den Boxen schallt Taylor Swift „Look what you made me do“…

Das ist der größte Streik in den USA dieses Jahr und der größte seit dem Streik der Autoarbeiter:innen bei den „Big 3“ – General Motors, Ford, und Stellantis (historisch Chrysler und PSA) – letzten Herbst, wo 46.000 Arbeiter:innen streikten in einem Wellenstreik.

That’s only the beginning! Ihr Streik ist unser Streik. Wir können uns einiges von ihnen abgucken.

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