Lang nichts mehr gehört … aus Iran?

Über 100 Tage sind nun vergangen, seit die Proteste im Zusammenhang mit dem Tod von Jîna Amini in Iran begannen. Doch in den letzten Wochen ist es stiller geworden in der Berichterstattung. Von den Protesten taucht nicht mehr viel in den Nachrichten auf, aber das Mullah-Regime setzt weiterhin auf harte Repressionen. Was wissen wir in der aktuellen Situation und wie könnte es weitergehen? Hier nun ein Versuch, die wenigen Neuigkeiten, die zu uns dringen, einzuordnen.

Über den Verlauf der letzten Monate war immer stärker zu beobachten, dass sich die ersten Demos, die im Dezember begannen, sich nicht so einfach niederschlagen ließen. Zum einen zeichnete sich die Bewegung, im Vergleich zu den Aufständen der letzten Jahre, durch eine extrem dezentrale Organisierung aus. Häufig fanden sich die Menschen spontan und in kleineren Gruppen an verschiedenen Orten zusammen, somit hatte das Regime auch immer mehr Schwierigkeiten, direkt auf die Zusammenkünfte zu reagieren. Zum anderen stehen dieses mal an der Spitze von Beginn an Frauen* – und zwar aus allen Klassen, aus allen Minderheiten. Und so bildetet sich dann auch eine Protestbewegung, die sich über die ganze Gesellschaft erstreckt. In all diesen Dingen zeigt sich die tiefe Erschütterung, die auch in den Köpfen der Menschen stattfand. Schon kurze Zeit nach den ersten Demonstrationen war klar, dass sich mit Reformen nichts mehr bewegen lassen würde. Die Sicht auf die Islamische Republik hat sich bei vielen von Grund auf geändert und so scheint es, als gäbe es kein Zurück mehr.
Also konnte das Mullah-Regime auch mit ihrem Täuschungsmanöver Anfang Dezember, „die Sittenpolizei werde abgeschafft“ nichts mehr ausrichten. Viele Aktivist:innen äußerten sich kurz darauf, dass diese Maßnahme nicht einmal als Geste gewertet werden könnte. Denn es ist überhaupt nicht klar, wer mit der „Sittenpolizei“ so überhaupt gemeint ist, diese Institution existierte so nie und meint eher eine Untereinheit der „Öffentlichen Sicherheitspolizei“. Allein das zeigt, wie wenig Interesse die Diktatur daran hat, tatsächlich auf die Forderungen der Protestierenden zu reagieren. Dazu kommt auch noch, dass das Gesetz, welches die Verschleierung von Frauen in der Öffentlichkeit vorschreibt, nach wie vor besteht – und auch nach wie vor geahndet wird.

Eine weiter Nachricht, die uns im Dezember erreichte, war die Hinrichtung von zwei Gefangenen, die im Zuge der Proteste inhaftiert wurden. Mohsen Shekari und Majidreza Rahnavard wurden nach kurzen Scheinprozessen verurteilt, die Anklagepunkte waren haarsträubend – „Feindschaft zu Gott“ nur einer darunter. Die Justiz setzt darauf, diese zum Teil öffentlichen Hinrichtungen, als Einschüchterung zu verwenden und gleichzeitig wird nach wie vor verzweifelt versucht, durch das Abschalten oder Drosseln der Internetzugänge jegliche Informationsflüsse innerhalb des Landes und nach außen zu unterbinden. Dennoch zeigt auch die traurige Nachricht von weiteren verhängten Todesurteilen, dass dies nach wie vor ihr Mittel sein muss, um die Bevölkerung einzuschüchtern.

Mittlerweile sind über 18.000 Menschen seit Beginn der Proteste am 16. 9. 2022 inhaftiert worden und über 500 sind gestorben – denn natürlich sind die Hinrichtungen nicht der einzige Weg des Regimes, die Aufstände um jeden Preis zu unterdrücken.

Die Entwicklungen sind natürlich abhängig davon, wie lange der Kampf durchhalten kann und hierbei sind die Streiks im Land entscheidend. Denn nur mit landesweiten Arbeitsniederlegungen in allen Branchen – aber allen voran der Ölbranche – kann das Regime gestürzt werden. Die Herrschaft über die Produktionsmittel ist das, was das Mullah-Regime bis jetzt im Sattel hält. Schon im November gab es einen dreitägigen landesweiten Generalstreik und auch nach wie vor sind die Streiks in den Städten (vor allem im Einzelhandel) und auch in den kurdischen Gebieten im Norden nicht ganz zum Erliegen gekommen.

Wenn Infrastruktur und Raffinerien in einen unbefristeten Streik treten, kann das System gestürzt werden – und Streiks auf der ganzen Welt können sich mit diesem Kampf solidarisieren.

Maria Brücke, Berlin

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