Das Problem der Einheit der revolutionären Linken

Am 14. Januar findet in Berlin eine Konferenz unter dem Motto „Für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid!“ statt, wo (zum Teil ehemalige) Genoss:innen dieser beiden Organisationen mit anderen revolutionären Aktivist:innen und solchen, die es werden wollen, darüber diskutieren, wie in Deutschland eine für den Klassenkampf nützliche Organisation aufgebaut werden kann.1 Dabei richtet sich der Blick auch auf die Erfahrungen in Frankreich.

Dort war 2009 eine „Neue Antikapitalische Partei“ (NPA auf Französisch) entstanden als (neben Lutte Ouvrière) zweite öffentlich wahrnehmbare linksradikale Organisation. Die NPA wurde von Revolutionär:innen gegründet2 und ist ein Ort der Zusammenarbeit unterschiedlicher revolutionärer Strömungen. Die Genoss:innen unserer Schwesterorganisation „L’Etincelle“ waren seit Entstehung der NPA in ihr aktiv. In den letzten Jahren hat allerdings die Frage, wie mit der „France Insoumise“ (FI) von Jean-Luc Mélenchon umzugehen ist, immer heftigere Debatten ausgelöst.3 In der deutschen politischen Landschaft ist Mélenchon am ehesten mit Sahra Wagenknecht vergleichbar.

Ein Teil der historischen Führung der NPA, der seit Jahren mit dem Argument „linker Einheit“ eine Annäherung an die reformistische FI anstrebt, hat anlässlich des NPA-Kongresses im Dezember 2022 die Partei gespalten um für solche Bündnisse freiere Hand zu haben. Dabei hatte sich die Mehrheit der Mitgliedschaft im Vorfeld klar gegen eine Spaltung ausgesprochen. Eine weitere Strömung hatte schon im Juni 2021 beschlossen die NPA zu verlassen, aufgrund der Querelen und weil sie ihren eigenen Präsidentschaftskandidaten aufstellen wollte, und hat kürzlich eine neue Organisation „Permanente Revolution“ (RP) proklamiert. So sind aus der alten NPA faktisch drei Organisationen hervorgegangen.

Unsere Genoss:innen, die sowohl die Bündnispolitik mit Mélenchon wie auch die Spaltung entschieden bekämpft haben, schrieben kurz nach dem NPA-Kongress:4

„Die große Mehrheit des Proletariats und der Jugend wird […] dieser Spaltung wahrscheinlich gleichgültig gegenüberstehen […] Unter den Arbeitenden und Ausgebeuteten stehen ganz andere Sorgen im Vordergrund: […] Wie über die Runden kommen angesichts der schwindelerregenden Preissteigerungen und der nicht mithaltenden Löhne? Gerade angesichts dieser Herausforderungen ist diese Spaltung eine unverantwortliche Entscheidung. […] Unsere Priorität ist es, die NPA mit allen Aktivist:innen fortzuführen, die dies wünschen[…]

Wir wollen mit den Rebellierenden von heute eine revolutionäre kommunistische Partei aufbauen. Für die kommenden Kämpfe hierzulande wie auf internationaler Ebene, zusammen mit einem Milieu von Revolutionär:innen, deren größter Fehler darin besteht, dass sie nicht danach streben sich zu verbünden, sondern im Gegenteil scheinbar jeden Vorwand zur Spaltung nutzen.“

Welche Bilanz?

Muss man damit die Zusammenarbeit von Revolutionär:innen unterschiedlicher Strömungen als gescheitert ansehen, wie es ein Artikel von RIO, der Schwesterorganisation von RP nahelegt5? Wir denken nicht! Zum Beispiel wurde die eigenständige Präsidentschaftskandidatur der NPA im letzten Jahr als revolutionäre Gegenkandidatur zu Mélenchon wahrgenommen (obwohl der Kandidat selbst zu denjenigen gehört, die nun die NPA gespalten haben um sich Mélenchon anzunähern). Diese Wahlkampagne und die Intervention in Kämpfe hat der NPA im letzten Jahr 500 neue Mitglieder beschert, viele von ihnen in der Jugendorganisation „NPA jeunes“, die mit 400 jungen Revolutionär:innen geschlossen gegen die Spaltung aufgetreten ist. Diejenigen, die nun die NPA als unabhängige revolutionäre Kraft fortsetzen, setzen auch das Projekt der Zusammenarbeit von Revolutionär:innen unterschiedlicher Traditionen fort. In der Überzeugung, so ihrer Verantwortung gerecht zu werden und für den Klassenkampf nützlicher zu sein als durch Abspaltung oder durch Hinterherlaufen hinter dem Reformismus Mélenchons. Sie kämpfen weiter für den Aufbau einer revolutionären Partei in Frankreich und richten sich dabei an die Arbeitenden und die Jugend, aber auch an den Rest der radikalen Linken, dem diejenigen den Rücken zuwenden, die sich nun Mélenchon anbiedern wollen.

Richard Lux, Berlin

Fußnoten:

1  für mehr Infos:

2 von der Revolutionär Kommunistischen Liga (LCR), die sich auflöste um in der NPA aufzugehen

3  siehe auch unseren Artikel aus Aurora Nr. 26:

4  siehe den Artikel in voller Länge:

5 siehe https://www.klassegegenklasse.org/welche-partei-fuer-welche-strategie-revolutionaere-organisierung-statt-linkspartei-2-0/

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