Komödie oder Tragödie mit offenem Ende

Wir haben es endlich hinter uns gebracht. Die Bundestagswahl 2021 ist vorbei und die Parteien, die sich die größten Chancen ausrechnen, verschanzen sich und sondieren. Das Ergebnis wird wohl noch ein wenig auf sich warten lassen.

Nach 16 Jahren Merkel, davon 12 Jahre große Koalition aus CDU/CSU und SPD, in deren Verlauf sich die prozentualen Stimmanteile dieser sogenannten Volksparteien fast halbiert haben, sprechen sie beide wieder von einem „Regierungsauftrag“. Dabei hat jede der beiden Parteien gerade mal circa ein Viertel der Stimmen bekommen. Ein Viertel der Stimmen bedeutete einen „fulminanten Wahlsieg“ für Olaf Scholz von der SPD (ein Merkel im Wolfspelz und Freund der Banker) und eine ebenso fulminante Niederlage für Laschet von der CDU (ein Kumpel von RWE, der nicht viel von Grundrechten hält, vor allem nicht von Demonstrationen).

Wer hat wie gewählt…

Auch wenn die Wahlbeteiligung leicht anstieg im Vergleich zu 2017, so haben doch 14,3 Millionen Wahlberechtigte gar nicht erst gewählt – das ist fast ein Viertel. Das sind oft (wenn auch nicht immer) eher Menschen in prekären Lebensverhältnissen. Sie haben keinen Bock auf das Wahltheater. Noch dazu kommt eine große Gruppe Menschen, die zwar in Deutschland leben und arbeiten, aber nicht wählen dürfen, da sie keine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Das sind 9,7 Millionen Menschen! Sie können nicht mal durch Stimmabgabe eine Verbesserung der Lebensverhältnisse einfordern.

Alles Mögliche wird in das Wahlergebnis reininterpretiert. Wer SPD gewählt hat, wäre auch mit einer Koalition der Unternehmerpartei FDP einverstanden? Die Parteien, die jetzt untereinander die nächste Regierung aushandeln repräsentieren den “Wählerwillen”? Puhh, was für ein Witz.

Die Stimmen gingen dieses Jahr etwas weniger an die AfD. Die Behauptung, die Ursache unserer Probleme seien die Migrant:innen, liegt nicht mehr im Trend. Gut so. Um uns herum arbeiten die „Ausländer“ wie alle anderen auch. Der Druck der „Senkung der Arbeitskosten“ kommt nicht von den Migrant:innen, sondern von superreichen Aktionären: wir lassen uns nicht ablenken!

und wieso wählt keiner (mehr) die Linkspartei?

Wünschen sich die Menschen in Deutschland mehr „soziale Sicherheit“? Aber klar. Obwohl das Wahlkampfthema der Linkspartei, wurde sie nicht mehr gewählt. Die Prozente der Linkspartei haben sich halbiert seit 2017 und sie hat sogar fast den Einzug in den Bundestag verpasst. Grund ist sicher, dass sie nicht als ernstzunehmend kämpferische Alternative aufgetreten sind. Sie sind in diversen Landesregierungen, das macht große soziale Versprechungen nicht gerade glaubwürdig. DIE LINKE verlor die meisten Stimmen an SPD und Grüne, deren Regierungsbeteiligung deutlich absehbarer war.

Strategisches Wählen, da wären wir wieder. Und so gingen viele Wähler:innen sicherlich mit ein wenig Bauchweh zur Wahl.

Es gibt Bewegung

Denn auch wenn – und seien wir ehrlich, wen überrascht das wirklich? – diese Wahl nichts ändern wird, außer ein paar Witze, die wir uns in den kommenden Wochen der Sondierungsgespräche noch zu Gemüte führen (oder selbst ausdenken!) dürfen, sind die bunten Balken mit den Wahlergebnissen nicht die Realität. In der Realität ist nämlich schon ein bisschen was in Bewegung. In Berlin stimmten eine Million Menschen für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Von soviel Stimmen traut sich die SPD nicht einmal zu träumen. Auch wenn Giffey von der SPD, die voraussichtlich nächste Bürgermeisterin, die Umsetzung des Volksentscheids kategorisch ablehnt, wartet die Mietenbewegung nicht. Die lila-gelben Westen der Initiative hat man auf den Demonstrationen nach den Wahlen wieder gesehen.

Auch an anderer Stelle gibt es eine motivierende Unruhe, die sich vor und auch nach den Wahlen breit macht. In den Berliner Krankenhäusern Charité und Vivantes wird gestreikt, auch Lehrer:innen, der Einzelhandel und die Lieferant:innen von Gorillas sind nicht bereit, unter den bestehenden Umständen weiter zu arbeiten. Und die Forderungen gehen natürlich über die Löhne hinaus. Die Menschen, müde von den Belastungen nach nun über 19 Monaten Pandemie, die allesamt auf unseren Rücken ausgetragen wurden, vernetzen sich. Die soziale Ungleichheit steigt. Und welche Farben die Koalition am Ende des Herbstes auch haben wird, sie werden diese Krise und ihre Kosten abwälzen wollen.

Dagegen gilt es sich nun zu wehren.

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