Großisrael und regionale Hegemonie: Netanjahu hat seine Anschauungen mit Zerstörung und Massakern durchgesetzt

In den letzten Wochen hat sich das Vorgehen der israelischen Armee an allen Fronten verschärft.

Mit der Zerstörung des Gazastreifens setzt die Netanjahu-Regierung das fort, was die meisten humanitären Organisationen inzwischen als Völkermord bezeichnen. Die jüngste Grausamkeit war die Zerstörung des Kamal-Adwan-Krankenhauses, des letzten noch teilweise funktionierenden Krankenhauses im Norden von Gaza. Der Direktor, die Ärzte und ein Großteil des Pflegepersonals wurden unter dem ausgeleierten Vorwand, es handele sich um „Hamas-Terroristen“, festgenommen. Die Armee hungert die Bevölkerung des Gazastreifens weiter aus und blockiert die Einfuhr von Lebensmitteln. Da die Augen der Welt auf Syrien gerichtet sind, setzt das israelische Regime sein grauenhaftes Werk in Gaza fort, in der eine ganze Bevölkerung zu sterben droht.

Die israelische Luftwaffe bombardiert aus allen Richtungen

Gerade in Syrien kann die israelische Regierung gut damit leben, dass Islamisten an die Macht gekommen sind, die früher mit Al-Qaida in Verbindung standen. Netanjahu schreibt sich sogar den Sturz des Regimes von Baschar al-Assad zu, weil seine Truppen im Libanon einen Großteil des militärischen Potenzials der Hisbollah, die den syrischen Diktator aktiv unterstützt hatte, vernichtet haben. Trotzdem bombardierte die israelische Armee noch das, was nach 14 Jahren Krieg gegen die eigene Bevölkerung vom militärischen Potenzial Syriens übrig geblieben war.

Gleichzeitig intensivierte die israelische Luftwaffe ihre Angriffe im Jemen und bombardierte den internationalen Flughafen der Hauptstadt Sanaa, die sich in den Händen der Houthis befindet.

Von Beginn seiner Intervention im Libanon an nahm das israelische Regime sogar die auf den Golanhöhen stationierten UN-Truppen ins Visier, die sich schnell verschanzten, um nicht die ihr eigentlich zugewiesen Rolle als „Friedenstruppe“ spielen zu müssen.

Terrorisierung der Bevölkerung: eines der Kriegsziele

Das israelische Regime schert sich einen Dreck um das „internationale Recht“, auf das sich die Vertreter internationaler Organisationen berufen. Diese wiederholen immer und immer wieder, dass es ein Kriegsverbrechen sei, Zivilisten anzugreifen. Als ob nicht in allen Kriegen die „Zivilisten“ die Hauptangriffsziele wären! Das ist im Nahen Osten heute offensichtlich, aber es ist in allen Kriegen der Fall, vom Bombenteppich und den Atombomben am Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu den heutigen Kriegen.

Die Bevölkerung zu terrorisieren ist in imperialistischen Konflikten Pflicht: Die Menschen in Ländern, deren Regime zusammenbrechen, sollten nicht daran denken, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Die Großmächte ließen Baschar al-Assad absichtlich gewähren, als der Arabische Frühling 2011 Syrien erreichte. Und die Untätigkeit aller Staaten angesichts der Übergriffe von Netanjahus Truppen, einschließlich der arabischen Nachbarstaaten, erklärt sich aus der faktischen „Lektion“, die ihrer eigenen Bevölkerung durch die israelischen Massaker erteilt wurde.

Israel beweist sich als wichtigste Regionalmacht

Es ist müßig zu fragen, ob Netanjahu mit der Zustimmung der imperialistischen Mächte, insbesondere der USA, handelt: Sie stehen alle hinter dem Staat Israel, egal was seine Führung tut, und versorgen ihn kontinuierlich mit den notwendigen Waffen und den Geldern für deren Erwerb. Abgesehen von dem immer wahrscheinlicher erscheinenden Ziel, ein „Groß-Israel“ zu errichten, indem man die Nachbarländer mit „Pufferzonen“ und Siedlungen beschneidet, ist Israel dabei, seine Position als erste Regionalmacht zu festigen. Das heißt, dass Israel die Rolle als Oberpolizist der imperialistischen Welt im Nahen Osten ausübt und alle Staaten in der Region, die selbst einen Platz als Regionalmacht anstreben, daran innert, dass sie unter Kontrolle sind.

Das ist übrigens die Art der Botschaft an den Iran, den die imperialistischen Mächte nicht scheuen, direkt oder indirekt zu benutzen, um die Bevölkerungen im Nahen Osten zu kontrollieren – die Hisbollah im Libanon, um nur ein Beispiel zu nennen, war auch ein Mittel, um die palästinensischen Flüchtlinge unter Kontrolle zu halten. Natürlich sind Ausrutscher immer möglich, aber es scheint unwahrscheinlich, dass es zu einem echten Krieg zwischen dem Iran und Israel kommen wird. Die iranische Führung will das nicht, vor allem, da sie noch eine Revolte eines großen Teils der Bevölkerung am Hals hat. Der Iran ist ein riesiges, dicht bevölkertes, aufgerüstetes Land: Die Mittel, die man einsetzen müsste, um gegen den Iran Krieg zu führen, kämen einem Flächenbrand in der gesamten Region gleich, den weder Netanjahu noch sonst jemand will, jedenfalls bislang nicht.

Die israelische Bevölkerung wird von der Führung des Landes als Geisel genommen.

Die Verwirklichung des jahrzehntealten Traums von „Groß-Israel“, die Festigung seiner Position als lokaler „first cop“ im Dienste des Imperialismus – all das passiert um den Preis von Zehntausenden von Opfern. Und des immensen Schadens, den dies in den kommenden Jahren in Israel selbst verursachen wird. Indem die israelische Führung die Palästinenser:innen in den Augen der israelischen Bevölkerung entmenschlicht hat, hat sie viele junge Menschen in Uniform – die einen Großteil der israelischen Jugend ausmachen – in skrupellose Killer verwandelt. Durch unzählige Zeugenberichte von Soldat:innen und Recherchen ist das belegt. Dies wird sich unweigerlich auf die israelische Gesellschaft selbst auswirken. Diejenigen, die dort glauben, sie hätten den Frieden gewonnen, irren sich gewaltig. Der „Frieden der Friedhöfe“ ist niemals ein Frieden.

Erstens, weil das Recht des Stärkeren sich nicht gut mit demokratischen Freiheiten verträgt und die israelische Gesellschaft immer mehr in Richtung Rechtsextremismus abrutscht. Lenins Satz in Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen“:  „Ein Volk, das ein anderes unterdrückt, kann nicht frei sein“, ist nach wie vor brandaktuell.

Zweitens, weil der Blutgraben, der zwischen Israelis und Palästinenser:innen – und generell allen Völkern in der Region – aufgerissen wird, den Wunsch nach Rache an den Unterdrückern schüren wird. Damit dieses Gefühl nicht zu neuen nationalistischen oder religiösen Sackgassen führt, wird es notwendig sein, der palästinensischen Jugend eine andere politische Perspektive zu bieten als die, die von den derzeitigen Organisationen angeboten wird – sowohl von der Gefolgschaft der Fatah, als auch von denen, die sich für den Weg der Hamas entscheiden. Eine internationalistische Perspektive ist der Ausweg, die umso mehr möglich ist, als die palästinensische Diaspora zahlreich und über die ganze Welt verteilt ist.

Aber es wird auch notwendig sein, dass die israelische Arbeiter:innenklasse mit der Kriegspolitik des Zionismus bricht. Denn der Zionismus ist eine Politik, die von Netanjahu auf die Spitze getrieben wird, die aber in Wirklichkeit Kontinuität der Politik aller israelischen Regierungen ist, selbst derjenigen, die sich als „links“ bezeichneten. Es ist nicht möglich, einen friedlichen Nahen Osten auch nur ins Auge zu fassen, wenn der Zionismus und das, was er von Anfang an darstellte, aufrechterhalten wird: der bewaffnete Arm der imperialistischen Mächte, um die Völker einer an Ressourcen reichen Region zu unterwerfen.

Mit seinen Massakern in Gaza und der Verbreitung von Tod und Verwüstung in der gesamten Region hat Netanjahu die israelische Bevölkerung, die als Komplizin dieser Übergriffe gesehen wird, als Geisel genommen. Alles, was man sich wünschen kann, ist, dass in Israel selbst ein Aufstand der Bevölkerung das verrottete Regime Netanjahus und seiner blutrünstigen Generäle stürzen wird. Aber die israelischen Arbeiter:innen müssen eine ganze Politik gegenüber den Bevölkerungen der Nachbarländer entwickeln, eine Politik der Wiedergutmachung, einen gemeinsamen Kampf gegen die Unterdrücker, um zu hoffen, dass sie die Blutspur überbrücken können, die in ihrem Namen zwischen ihnen und allen Völkern der Region gezogen wurde.

[Dieser Artikel erschien am 1. Januar 2025 auf der website unserer französischen Schwesterorganisation NPA Révolutionnaires: Grand Israël, hégémonie régionale : Netanyahou a imposé ses vues au prix de destructions et de massacres]

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