
Im April erreichte die Kommunistische Partei Österreichs mit ihrem Spitzenkandidaten Kai-Michael Dankl bei den Wahlen zum Salzburger Landtag überraschend 11,7 % (gegenüber 0,4% 2018) und damit den größten Zugewinn aller Parteien. In Salzburg Stadt erhielt die KPÖ sogar 21,8 % und damit nach der ÖVP am zweitmeisten Stimmen. Nur eine Woche später wurde eine Umfrage veröffentlicht, der zufolge die KPÖ bei Nationalratswahlen mit 7 % ins Parlament einziehen würde. In Graz stellt die KPÖ bereits seit Ende 2021 mit Elke Kahr die Bürgermeisterin. In diesem Artikel geben wir einen Überblick über die Geschichte der KPÖ und die neueren Entwicklungen in und um diese Partei.
Gegründet wurde die KPÖ als eine der ersten kommunistischen Parteien bereits Anfang November 1918, im Kontext der revolutionären Bewegungen, die zum Ende des Ersten Weltkriegs führten: Der russischen Oktoberrevolution mit der Gründung der Sowjetunion und der Novemberrevolution, durch die der Kaiser in Österreich abdanken musste.
Isolierte Ultralinke in der 1. Republik
Nach dem ersten Weltkrieg war die KPÖ eine von der organisierten Arbeiter*innenbewegung isolierte Kleingruppe mit Einfluss unter Kriegsrückkehrern, Arbeitslosen und revolutionären Soldaten. Sie setzte auf spektakuläre Aktionen, statt auf die Gewinnung der sozialdemokratischen Massen. Der Sozialdemokratischen Partei gelang es den linken Parteiflügel weitgehend zu integrieren und damit eine kommunistische Abspaltung, wie sie in anderen Ländern stattgefunden hat, zu verhindern.
Bis zum KPÖ-Verbot 1933 wechselten verschiedene Phasen ultralinker Politik, die von den Fraktionskämpfen in der Sowjetunion und der Kommunistischen Internationale beeinflusst waren. Einzige Unterbrechung dieser Politik, die von Lenin auch im „Linken Radikalismus“ kritisiert wurde, war 1921 nach dem Übertritt der „Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft revolutionärer Arbeiterräte“ um Josef Frey, dem eine Einheitsfrontpolitik mit gemeinsamen Kämpfen mit sozialdemokratischen Arbeiter*innen für konkrete Verbesserungen folgte. Nach 1922 wechselten verschiedene mit der jeweiligen Führung in Moskau verbündete Cliquen an der Spitze, die Opposition wurde zunehmend unterdrückt und im Einklang mit Stalins Kampf gegen den Trotzkismus die Frey Gruppe als „Trotzkistisch“ ausgeschossen.
1933 wurde die parlamentarische Demokratie vom Austrofaschisten Dollfuß ausgeschalten, die KPÖ verboten, doch selbst nach der Niederlage im österreichischen Bürger*innenkrieg im Februar 1934 wurde von einer baldigen sozialen Revolution ausgegangen. Nur ein Jahr später wurde die stalinistische Volksfrontpolitik übernommen und die Verteidigung der österreichischen Nation gegen Deutschland zur Hauptaufgabe und patriotischen Pflicht, für die sogar mit der austrofaschistischen Diktatur zusammengearbeitet wurde, auch indem trotzkistische Aktivisten denunziert wurden. Im Rahmen dieser Orientierung wurde auch vom KPÖ-Theoretiker Alfred Klahr die theoretische Grundlage für eine unabhängige österreichische Nation gelegt. Durch ihre Arbeit in der Illegalität konnte die KPÖ wieder wachsen und vor allem enttäuschte Mitglieder der mittlerweile ebenfalls verbotenen Sozialdemokratie gewinnen. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland blieb die KPÖ im Widerstand aktiv und erhielt geheime Parteinetzwerke aufrecht.
2. Republik: Einfluss durch Sowjetmacht?
Die KPÖ war eine Gründungspartei der 2. Österreichischen Republik und in der ersten provisorischen Regierung sowie nach den Wahlen 1945 und gut 5 % der Stimmen in einer Konzentrationsregierung aller Parlamentsparteien vertreten (bis 1947). Hintergrund ihrer Stärke war auch, dass der Osten Österreichs von der Sowjetunion besetzt war.
Der Abzug und der langandauernde Wirtschaftsaufschwung führten zum zunehmenden Einflussverlust der KPÖ. Nach Stalins Tod und der von Chruschtschow initiierten „Tauwetterperiode“ distanzierte sich auch die KPÖ vom stalinistischen Personenkult, ohne jedoch die bürokratisch-autoritären Grundlagen des sogenannten „Realsozialismus“ kritisch aufzuarbeiten. Erschwerend hinzu kam die politische Befürwortung der blutigen Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstandes 1956 und, nach anfänglichem Zögern, des Prager Frühlings 1968, was massive Austrittswellen der Parteimitglieder sowie Abspaltungen bedingte. Von ca. 150.000 Mitgliedern in den ersten Nachkriegsjahren blieben bis 1974 nur um die 20.000.
Wirtschaftlich sah es da deutlich besser aus: Nicht nur durch die Beziehungen zur DDR und Sowjetunion, und damit verbundene Vermögenswerte, auch durch Besitz eines Teils der ehemaligen USIA-Betriebe über Treuhandverträge konnte die KPÖ auf ein Vermögen in Millionenhöhe zurückgreifen. So soll allein die Mineralölfirma „Turmöl“ 1979 umgerechnet ca. 86 Mio. € schwer gewesen sein.
Das Ende des Stalinismus
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 ging der KPÖ ihr politischer und wirtschaftlicher Bezugspunkt verloren. Richtungsstreitigkeiten zwischen stalinistisch („marxistisch-leninistisch“) und plural-reformistisch orientierten Teilen der Partei führten zu weiterem Mitgliederschwund und neuen Spaltungen. Während sich programmatisch spätestens 2004 eine Orientierung auf Eurokommunismus (Beitritt zur Europäischen Linkspartei), die Anti-Globalisierungsbewegung und Sozialforen durchsetzte, spaltete sich 2006 aufgrund bürokratischer Manöver die stalinistische „Kommunistische Initiative“ ab, mit ihr gingen KSV (Kommunistischer Studierendenverband) und KJÖ (Kommunistische Jugend). Die KPÖ im Bundesland Steiermark erkannte die Parteitagsbeschlüsse 2004 erst gar nicht an, und existiert seither autonom.
Zur selben Zeit verlor die KPÖ einen Prozess am deutschen Bundesverfassungsgerichtshof um den Besitz der ehemaligen DDR-Firma Novum. Ein finanzieller Schlag von ca. 100 Mio.€, der das Aus für die Wochenzeitung „Volksstimme“, die Entlassung der meisten Hauptamtlichen, und den Verkauf vieler Parteiliegenschaften bedeutete.
Zwar hatte die unabhängig agierende KPÖ Steiermark durch ihre soziale Unterstützungs- und Wohnbaupolitik zunehmende Verankerung und Wahlerfolge in Graz und den alten Nordsteirischen Industrieregionen, doch die orientierungslose Bundes-KPÖ versank immer mehr in der Bedeutungslosigkeit. Bis 2015 war sie bei immer weiter sinkender Mitgliederzahl im Wesentlichen nur noch durch die Kandidatur in Wahlbündnissen und das jährlich stattfindende Volksstimmefest im Wiener Prater wahrnehmbar.
Ein neuer Aufschwung
Eine Änderung brachte der Kontakt zu den Jungen Grünen 2017, die zu dem Zeitpunkt gerade aus der Grünen Partei ausgeschlossen wurden. Ihr Kaderkern war marxistisch inspiriert, und begann sich auf die politische Praxis der KPÖ Steiermark zu orientieren. 2019 traten sie in der neugegründeten „Jungen Linken“ mit der KPÖ zum ersten Mal erfolgreich bei der Gemeinderatswahl in Salzburg an und zogen in den Gemeinderat ein. Der Einfluss der neuen „Jungen Linken“ belebte die Partei neu, aktuell befinden sich zwei zentrale Personen der Jungen Linken im Bundesvorstand. Ein ehemaliger Sprecher der Jungen Linken (Tobias Schweiger) ist nun Bundessprecher der KPÖ.
Der Einfluss der KPÖ in Betrieben, Gewerkschaften und im Klassenkampf ist weiterhin marginal, und ihre Stärke besteht aktuell darin, durch gezielte Kampagnen in Wahlen erfolgreich Stimmen zu holen, wie sich zuletzt im Salzburger Landtagswahlkampf zeigte. Das ist nicht zuletzt der allgemeinen kapitalistischen Krise (Teuerungen, Sozial-, Gesundheits-, und Klimamisere u.a.) und der Situation der zerstrittenen Sozialdemokratie geschuldet.
Ist die KPÖ kommunistisch?
Die Sprecher*innen sehen sich als kapitalismuskritisch, beziehen sich kritisch, aber positiv auf die Sowjetunion, und distanzieren sich gleichzeitig von den politischen Diktaturen in den „realsozialistischen“ Staaten. Sozialismus, Kommunismus, oder Revolution kommen in ihrer Begrifflichkeit nicht vor, und ihre Strategie ist auf das Erringen von Mandaten ausgerichtet. Individuell vertreten ihre Mitglieder ein Spektrum unterschiedlicher Positionen, von Antikapitalismus über Sowjetnostalgie bis zu revolutionären Positionen.
Was fehlt, ist eine revolutionäre Strategie, die auf die Überwindung des Kapitalismus durch eine Revolution der Arbeiter*innenklasse orientiert, offen und klar erklärt, dass der Kapitalismus keine Perspektive bietet, und jeden Schritt der Arbeiter*innen zur Selbstorganisierung bis hin zur Rätemacht unterstützt.
Florian Weissel und Jerry Eckstein , Wien