
Am 29. September hat Österreich einen neuen Nationalrat gewählt. Wie in den Umfragen vorhergesagt, konnte die rechtsextreme FPÖ den ersten Platz gewinnen. Die linke Hoffnungsträgerin KPÖ verpasste den Einzug deutlich. Wie wird es weitergehen? Was sind die Perspektiven für die Linke?
Im Wahlergebnis gab es gegenüber den Umfragen wenig Überraschungen: FPÖ 29% (+13%), ÖVP 26,5% (-11%), SPÖ 21% (+/- 0%), NEOS 9% (+1%), Grüne 8% (-6%), KPÖ 2,4% (+1,6%). Die FPÖ wurde erstmals stärkste Partei. Die ÖVP erlitt den größten Stimmenverlust bisher. Die SPÖ konnte trotz neuem, linken Spitzenkandidaten nicht dazugewinnen. Die KPÖ scheiterte deutlich an der Hürde von 4%, um ins Parlament einzuziehen.
Rechtsruck?
Die FPÖ konnte vor allem ÖVP- und Nicht-Wähler:innen dazu gewinnen und wurde von deutlich mehr jüngeren Menschen und auch Frauen gewählt als bisher. Die meisten Stimmen und Zugewinne holte sie im ländlichen Raum. Zentrale Wahlmotive waren Asyl und Migration sowie die Teuerung. Das Wahlergebnis kann als Rechtsruck verstanden werden, es lohnt sich aber genauer hinzuschauen. Bereits 1999 erreichte die FPÖ knapp 27% bei den Nationalratswahlen. Sie war danach in der Regierung vertreten, verlor aber dadurch sowie aufgrund von Skandalen und einer Parteispaltung massiv an Stimmen. 2017 erhielt die FPÖ bereits wieder 26%. Die ÖVP war mit 31% stärkste Kraft, ihr rassistischer Wahlkampf drehte sich ums Thema „illegale Migration“ – sie schlug die FPÖ mit ihren eigenen Mitteln und Themen. Bei den Neuwahlen 2019 stürzte die FPÖ aufgrund des Ibiza-Skandals wieder einmal ab (auf 16%) und die ÖVP gewann haushoch mit 37%. 2024 schlug das Pendel wieder in die andere Richtung aus.
Auch wenn die FPÖ nun zur stärksten Kraft geworden ist, hat sie bereits in der Vergangenheit mehrfach ähnliche Ergebnisse erzielt. Seit 2017 ist dafür die ÖVP deutlich nach rechts gerückt und oft nicht mehr von der FPÖ zu unterscheiden. Was früher als „rechts außen“ galt, verkauft die ÖVP heute als „starke Mitte“. Die Stimmen für offen rechte bis rechtsextreme Positionen haben sich also kaum vermehrt. Asyl und Migration werden als Dauerbrenner zum Thema gemacht. Auch in Österreich gibt es die meisten rechten Stimmen dort, wo wenige Migrant:innen leben. Diese rechten Ideen können das Vakuum füllen, dass die Schwäche der Arbeiter:innenbewegung und das Fehlen von Kämpfen hervorgebracht hat.
Schwache Linke, fehlende Kämpfe
Bis vor rund zehn Jahren war die SPÖ fast durchgängig die stärkste Partei. Das sehr niedrige Niveau an Streiks galt als Zeichen des Erfolgs der Sozialpartnerschaft: Kämpfen nicht notwendig! Seit den 1990er Jahren war die SPÖ – und in ihrem Schlepptau die Gewerkschaftsbürokratie – beim neoliberalen Umbau Österreichs federführend dabei: Privatisierungen von Staatsbetrieben, Senkung von Unternehmens- und Vermögenssteuern, unzählige Sparpakete, Flexibilisierungen des Arbeitsrechts… Die SPÖ hat heute als progressive Kraft jegliche Glaubwürdigkeit verloren, das kann anscheinend selbst Andreas Babler als linker Spitzenkandidat nicht ändern. Die Gewerkschaftsführungen haben seit Jahrzehnten Kämpfe und Selbstorganisierung sabotiert und alle Hoffnungen stattdessen auf das Wählen der SPÖ kanalisiert. Heute fehlt es an Kampferfahrungen und es dominiert eine passive Stellvertreterkultur – die besonders die FPÖ nutzen kann.

Die KPÖ konnte die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen. Ein Einzug ins Parlament hätte Positionen links der SPÖ mehr und dauerhaftere Aufmerksamkeit gebracht. Gleichzeitig beweist die KPÖ, die seit 2021 die Bürgermeisterin in Graz stellt, dass sie den Kapitalismus mitverwalten kann, ihm aber nicht gefährlich wird. Jetzt muss es darum gehen Linke und Interessierte nicht auf die nächsten Wahlen zu vertrösten, sondern Widerstand gegen die nächste Regierung aufzubauen.
Welche Perspektiven?
Die Bildung einer neuen Regierung wird sich wohl etwas hinziehen. Viele Menschen zittern vor einer Koalition FPÖ-ÖVP: Sie wäre eine ultrarechte Regierung mit sozialem Kahlschlag, Geschenken an Unternehmen, Angriffen auf Minderheiten und einer Untergrabung des bürgerlichen Rechtsstaats – Viktor Orbán lässt grüßen. Die andere Option ist eine Koalition aus ÖVP, SPÖ und den neoliberalen NEOS: massiver Sozialabbau und Geschenke ans Kapital wären auch da garantiert. Die FPÖ könnte sich zurücklehnen und auf die nächsten Wahlen warten, aus denen sie aufgrund der noch schwierigeren Lebensbedingungen wohl noch weiter gestärkt hervorgehen würde. Unsere Perspektive muss auf der Abwehr von Angriffen durch, egal welche Regierung, liegen. Dafür braucht es Streiks und soziale Kämpfe, die wir organisieren und zusammenführen müssen. Bereits in der Woche nach der Wahl wurde die Tradition der Donnerstags-Demos wieder aufgenommen – und bis zu 25.000 Menschen kamen.
Johannes Wolf , Wien