„ANTIFA – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte“

Der Dokumentarfilm gibt einen intensiven Einblick in die antifaschistische Bewegung der 1990er und 2000er Jahre, die vor allem als Konsequenz auf die rassistischen Pogrome dieser Zeit entstand. Ihre Arbeit wird durch die Erzählungen der fünf Aktivist:innen Laura, Nina, Kessi, Torsten und Navid nachgezeichnet, die teilweise seit über 30 Jahren antifaschistisch aktiv sind.

Ein Kampf über Jahrzehnte

Eindrücklich und motivierend verdeutlichen die ehrlichen und sympathischen Interviews, wie erfüllend und stärkend ein Leben des Aktivismus sein kann, ohne über Momente von Frustration sowie von Scheitern, Verlust und Trauer zu schweigen. Der Film schildert, dass sich die antifaschistische Arbeit als Reflex auf Angriffe wie 1992 in Rostock-Lichtenhagen entwickelte, also vordergründig als Selbstschutz. Eine Aktivistin berichtet über das Bedürfnis nach einer Systematisierung der Arbeit im Zuge der Entwicklung der Bewegung. Neben dem Beispiel der Archivarbeit, bei der akribisch Informationen über Rechtsextreme gesammelt werden, erzählt sie im Kontext der Jugendarbeit von regelmäßigen Kampfsport-Trainings und dem Steine-Werfen-Üben. Das ist nicht die einzige Stelle im Film, die Klischees bedient. Tatsächlich ziehen die interviewten Personen selbstkritisch Bilanz über ihre politische Arbeit und die Bewegung. Angesichts des aktuellen Rechtsrucks in der Gesellschaft hinterfragen sie die Nachhaltigkeit und den Erfolg ihres Aktivismus. Ein Aktivist beschreibt die „Defensivausrichtung“ seiner Arbeit mit dem Gefühl in einem „Hamsterrad“ zu stecken.

Wir brauchen einen guten Kompass

Diese Gefühle sind Resultat fehlender strategischer Orientierung. Auch in der Doku fehlt eine Analyse, wogegen gekämpft wird. Obwohl der Begriff „Faschismus“ selbstredend mehrfach vorkommt, liefert die Dokumentation nicht einmal den Versuch einer Erklärung für dessen Entstehung. Auch über das Verhindern von rechter Gewalt und organisiertem Selbstschutz hinaus formuliert niemand der Akteur:innen ein eigenes politisches Programm. An einer Stelle spricht ein Aktivist davon, es brauche eine Utopie und eine Aktivistin strebt das Ziel einer „solidarischen Gesellschaft“ an. Doch beide füllen diese Worthülsen nicht weiter als mit Phrasen von „Freiräumen“ und „Gegenkultur“. Von Kommunismus sprechen sie nicht, niemand von ihnen bezeichnet sich innerhalb der Dokumentation als Sozialist:in. Dabei ist der konsequente Kampf gegen den Faschismus untrennbar mit dem Kampf für Verbesserungen und eine sozialistische Revolution verbunden.

Der Untertitel „Schulter an Schulter, wo der Staat versagte“ deutet zwar eine Kritik am Staat an, doch impliziert gleichzeitig, dass es Aufgabe des bürgerlichen Staates sei, den Faschismus zu verhindern. Das ist eine Illusion, denn die staatliche Bekämpfung ist im besten Fall zweckorientiert: Nazis werden eingeschränkt, wenn sie aus Sicht des Staates zu viel Unordnung hervorrufen. Doch ideologisch wird sich heute schon gerne an Rassismus und Nationalismus bedient und im Zweifel wird den Faschist:innen der Weg zur Macht geebnet. So geschah es mit den deutschen Nazis um Hitler, weil sie für die Mächtigen ein Bollwerk im Kampf gegen die revolutionäre Arbeiter:innenbewegung darstellten.

Was wir verteidigen

Eine Aktivistin spricht in der Doku davon, „die Demokratie“ verteidigt zu haben. Doch was genau bedeutet das? Antifaschistischer Selbstschutz bedeutet für uns nicht den Schutz des kapitalistischen Systems, sondern den Schutz der Arbeiter:innenbewegung. Demokratische Freiheiten verteidigen wir, um uns gegen die Herrschenden organisieren zu können. Das setzt jedoch voraus, dass wir uns überhaupt organisieren. Die Lehre aus den 90ern ist: Statt all unsere Kraft für das Nazi-Schlagen zu verwenden, ist es unsere Aufgabe eine schlagkräftige Arbeiter:innenbewegung aufzubauen. Sie kann den Faschist:innen mit einer ganz anderen Stärke entgegentreten und gleichzeitig den Rechtsruck politisch zurückschlagen.

Konstantin Blass und
Diala Zorn, Düsseldorf

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