Bahnstreik, Westafrika, 1947: Auch dort hetzten die Konzernbosse…

In seinem Roman „Gottes Holzstücke“ nimmt Ousmane Sembène uns mit ins Westafrika der Jahre nach dem zweiten Weltkrieg und begleitet eindrucksvoll die Geschehnisse rund um einen mehrmonatigen Streik bei der Eisenbahn der Kolonialgesellschaft. Die Geschichte erstreckt sich ganz wie die Gleise der Dakar-Niger-Bahn von der Stadt Bamako im heutigen Mali bis nach Thies und Dakar an der Küste des heutigen Senegals, sowie von den Schicksalen der Frauen und Familien bis zu den Streikführern und sogar in das traute Heim der französischen Kolonialherren und -damen.

Zum Autor: Ousmane Sembène wird 1923 als Sohn eines Fischers in Ziguinchor, im heutigen Senegal, ge­boren. Mit Anfang Zwanzig muss er für die französische Armee in den 2. Welt­krieg ziehen. Nach seiner Rückkehr nimmt er am großen Bahnstreik von 1947 teil. Als er in den darauffolgenden Jahren wieder nach Frankreich geht und dort sein Geld als Hafenarbeiter ver­dient, politisiert er sich zunehmend und schließt sich zeitweise der Kommunisti­schen Partei und der Gewerkschaft CGT an. Geprägt von all diesen Erfahrungen schreibt er 1960 seinen Roman: „Gottes Holzstücke“.

Nicht alles ist dabei historisch akkurat, dennoch schreibt Sembène eine gute Ge­schichte des Streiks von 1947 und schil­dert sehr realistisch mögliche Entwick­lungen, Schwierigkeiten und Auswir­kungen. Schon früh zeigt sich, dass der Streik ein harter Kampf wird. Denn die Dakar-Niger-Bahn ist eine Achse von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Die ersten Versammlungen werden ge­waltsam auseinandergetrieben, es gibt viele Toten. Die Kolonialverwaltung dreht ihnen das Wasser ab, die Lebens­mittelversorgung bricht ein und eine heftige Hungersnot bricht aus.

Es wird deutlich, dass es nicht nur die Männer sind, die den Streik maßgeblich gestalten, sondern die Frauen eine ebenso wichtige Rolle spielen. Sie sind es, die in den Familien die Versorgung trotz aller Widrigkeiten aufrecht­erhalten. Im Streik politisieren sie sich und finden ihre eigene Stimme, sodass in den Versammlungen erstmals Frauen zu Wort kommen dürfen. Sie brechen mit vielen traditionellen Rollenbildern, veranstalten eigene kämpferische Aktionen und tragen den Streik so auch politisch mit.

Obwohl die Großzahl der Arbeiter und ihrer Frauen für die Fortsetzung des Streiks sind, gibt es einzelne, die die ver­heerende Lage nach einiger Zeit nicht länger aushalten wollen und die Arbeit wiederaufnehmen. Als ein Schaffner dies tut, entsteht große Aufregung. Anstatt ihn individuell dem Zorn auszusetzen, entscheiden sich die Streikenden dazu, gemeinsam zusammenzukommen und über ihn Gericht zu halten. Der morali­sche Druck des Kollektivs reicht letztlich als Strafe aus und entfaltet seine Wir­kung auch auf andere Streikbrecher. Immer wieder kommt es zu derart großen Versammlungen, in denen die Streikenden sich über ihre Ziele und Probleme beraten.

Sembènes politischer Hintergrund tritt hervor, wenn der Roman die Tyrannei und Unterdrückung durch die franzö­sischen Kolonialherren anspricht. In Verhandlungen zwischen der Direktion der Eisenbahn und einer Delegation der Streikenden schlägt letzteren der blanke Rassismus des weißen Bosses entgegen. Doch sie lassen sich nicht beirren und entgegnen, dass es sich nicht um einen „Rassenkonflikt“ handelt, sondern, wie sie nüchtern feststellen, um die Aus­einandersetzung von zwei Klassen mit entgegengesetzten Interessen. Das wird umso deutlicher, als ihre Abgeordneten und religiösen Führer sich gegen den Streik aussprechen. Der Roman zeigt: Der Rassismus wurzelt nicht in kulturellen Unterschieden und weder Traditionalismus noch Anpassung bieten ihm die Stirn. Die Befreiung Afrikas von Unterdrückung und Aus­beutung kann nur eine proletarische, sozialistische Revolution bringen.

Das Buch ist eine absolute Lese­empfehlung! Es gibt in diesem Roman keine Hauptfigur. Wir lernen ver­schiedenste Leute, ganze Familien und Menschenmassen kennen, indem Sembène uns scheinbar einfach ab­schnittsweise zuschauen und die Dinge passieren lässt. Die knapp 400 Seiten lesen sich gut und ziehen einen mit. Nur wer sich schlecht viele Namen merken kann hat es schwer – aber für die gibt es sogar ein Register.

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