Wenn wir streiken, steht die Welt still!

Auch dieses Jahr am 8. März ist wieder internationaler Frauenkampftag. In Berlin findet die Demonstration unter dem Titel „Wenn wir streiken, steht die Welt still!“ statt, in Berufung auf die Frauenstreik-Bewegungen der letzten Jahrzehnte. In Berlin mittlerweile allerdings an einem gesetzlichen Feiertag, denn das ist der 8. März seit 2019.

Frauen und Streik

Die Geschichte des Feministischen Kampftages ist eng mit der Geschichte von Streiks verknüpft – immer wieder zeigten Frauen* in der Vergangenheit den Wert ihrer Arbeit, die sie sowohl als Lohnarbeit als auch als Sorge- oder Care-Arbeit in der Gesellschaft leisten, in dem sie diese kämpferisch niederlegten.
Schon in der Hochphase der Industrialisierung legten Frauen in Österreich ihre Arbeit nieder, beim „Streik der 700“ 1893. Die Frauen einer Wiener Fabrik organisierten sich und legten mit Forderungen wie einem arbeitsfreien ersten Mai und der täglichen Arbeitszeitreduzierung von dreizehn auf zehn Stunden für drei Wochen ihre Arbeit nieder – und das mit Erfolg. Ihre Forderungen konnten sie durchsetzen.1

Erneute Popularität gewann die übergreifende Arbeitsniederlegung von Frauen 1970 in den USA und 1975 in Island. Hierbei lag der Fokus deutlich mehr auf der kostenfreien Kinderbetreuung und der Forderung nach Gleichheit der Geschlechter. Auch das Recht auf Abtreibung begann im Laufe der 70er Jahre immer mehr an Bedeutung zu gewinnen und ins Zentrum der Proteste zu rücken.

Wirklich bahnbrechend war dann der Streik der Frauen 1991 in der Schweiz. In einer der größten Bewegungen des Landes kämpften Frauen für Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper, für einen Ausbau der staatlichen Kinderbetreuung, eine unabhängige Altersvorsorge, bessere Vertretung in politischen Gremien und vor allem für gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

Eines zeichnet den Frauenstreik nochmal im Besonderen aus: Hierbei geht es um das Niederlegen  sämtlicher Arbeitspflichten, nicht nur die der Lohnarbeit, sondern auch der Care-Arbeit, die zum Großteil von Frauen übernommen wurde (und wird). Das betrifft nicht nur die Pflege von Kindern und Verwandten, sondern auch die Organisation des Haushalts mit all seinen Facetten und Lasten.

Neben der rein körperlichen Arbeit geht es zusätzlich auch häufig noch um die psychische Care-Arbeit, die Frauen tagtäglich leisten. Und als Symbol dieser Fülle an bezahlter und unbezahlter Arbeit entstand das Konzept des Frauen*streiks, das vor knapp zehn Jahren wieder zum Leben erweckt wurde und werden sollte – in Spanien beteiligten sich am 8. März 2018 mehr als 5,3 Millionen Menschen an einem Frauen*streik und in Lateinamerika wurde es ein probates Mittel in der Bewegung „NiUnaMenos“ gegen die tagtäglichen Femizide.

Auch in der Schweiz wurde der Streik am 8. März 2019 wiederbelebt – es nahmen immerhin 100.000 Menschen teil.

Ein freier 8. März

In Berlin seit 2019 und ab diesem Jahr auch in Mecklenburg-Vorpommern wurde der internationale Frauen(kampf)tag zum Feiertag erklärt. Das klingt erst einmal nach einer tollen Idee: Ein Feiertag ohne jegliche religiöse Konnotation kann ja erst einmal eine ganz feine Sache sein. Jedoch bleibt vielen Frauen*, die in den letzten Jahren dafür gekämpft haben, eine Streikbewegung aufzubauen und dem 8. März einen kämpferischen Charakter zurückzugeben, ein bitterer Nachgeschmack. Die Angst war da, dass der Feiertag nun zu einem Ausflugstag und die Demonstrationen kleiner werden würden. Ganz bestätigt hat sich diese Furcht jedoch nicht: Die Demonstrationen sind zum Teil, obwohl sie unter pandemischen Umständen stattfanden, eher größer als kleiner geworden. Und zumindest die unbezahlte Arbeit kann man auch an einem Feiertag bestreiken!

Frauen* kämpfen weltweit

Grund für die immer größeren Demonstrationen sind ganz sicher auch die erstarkenden feministischen Bewegungen weltweit, einige wurden schon erwähnt. Doch im Jahr 2023 steht auch das Schicksal der Frauen* im Iran in einem neuen Licht. Nach monatelangen Demonstrationen und Protesten, die der Ermordung von Mahsa (Jîna) Amini folgten, dringen nun immer weniger und auch immer weniger verlässliche Informationen bis zu uns durch.  Der Kampf, das Aufbäumen gegen den unglaublichen Druck des unterdrückerischen Systems, der am schwersten auf den Frauen* lastet, verband sich schnell mit dem Protest gegen die Repression, die alle betrifft, und die desolate wirtschaftliche Lage, in der das Land steckt. Das iranische Regime reagierte auf die Proteste mit nicht enden wollender Gewalt, Verhaftungen und Hinrichtungen.

Das war übrigens nicht das erste mal, dass es die Frauen* waren, die den Aufstand im Iran begannen. Schon am 8. März 1979 gingen in Teheran Zehntausende Frauen gegen die neu eingeführte Zwangsverschleierung des noch wenige Wochen jungen Mullah-Regimes auf die Straßen. Und damit waren sie die ersten, die sich gegen die Maßnahmen des bis heute herrschenden Regimes auflehnten – mit mäßigem Erfolg: Für einige Monate wurde diese eine Maßnahme, die ein Symbol der umfassenden Unterdrückung der Frauen* im Iran ist, noch verschoben und dann schließlich im Sommer 1981 doch eingeführt. Und nun wird wieder dagegen protestiert – gegen das Kopftuch und die damit verbundene repressive Politik.

Kämpfe zusammenführen!

Doch auch in Kämpfen, die nicht die Frauen im Titel tragen, stehen diese an vorderster Front. Gerade wird überall in Europa wieder gestreikt: in Frankreich, England, Portugal, Spanien und auch in Deutschland. Im Zentrum stehen höhere Löhne, oder – im Falle von Frankreich – die Rentenreform der Regierung Macrons. Natürlich treffen neoliberale Reformen und die Inflation alle Arbeiter:innen, aber aufgrund der gesellschaftlichen Position vieler Frauen in Halbtagsjobs, als Geringverdiener:innen und als diejenigen, die häufiger mal jahrelang von der Arbeit zurücktreten müssen, um die Versorgung der Kinder und Familien zu gewährleisten, trifft sowohl die Inflation als auch die Rentenreform sie besonders hart. Und so muss man die Kämpfe um Geschlechtergerechtigkeit und für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne zusammen denken. Und das nicht nur am 8. März.

Auch in Deutschland spiegelt sich das letztendlich gut sichtbar in der Rente wieder: Frauen beziehen im Durchschnitt 420 Euro weniger Rente als Männer – das ist circa ein Drittel weniger. Damit sind sie schon heute viel stärker von Altersarmut betroffen und mit Rentenreformen, steigender Inflation, kurzum mit dieser Wirtschaftslage, wird sich die Situation noch verschlechtern.

Ganz allgemein führt das auch zu einer sich verstetigenden wirtschaftlichen Abhängigkeit von Frauen – wenn die Rente und das Gehalt vor der Rente nicht zum Überleben ausreichen, wie soll man sich aus einer Beziehung lösen, in der man finanziell abhängig ist?

Das ist nur eines der Beispiele, wie das kapitalistische System es schafft, auch ohne explizit frauenfeindliche Gesetzgebung die Spaltung in der Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Und so gibt es einen klaren Plan für diese Kämpfe: Wir müssen sie zusammenführen. Und tatsächlich passiert das auch an vielen Orten dieses Jahr am 8. März: Die Streiks und der Kampf für Geschlechtergerechtigkeit können gemeinsam auf den Straßen eine Präsenz erreichen, die auf all die Probleme aufmerksam machen kann, die uns alle betreffen – und die Löhne sind nur ein Anfang. In Berlin wird am 8. März auf den Straßen von Streikenden und Frauen* gemeinsam demonstriert, auch in Paris und frankreichweit wird es an diesem Tag Demonstrationen geben, die die Streiks gegen die Rentenreform verbinden werden mit den Demonstrationen zum Feministischen Kampftag.

Letzten Endes ist es auch das, was der Bewegung im Iran ihre Schlagkraft gab und hoffentlich auch noch weiterhin geben wird: Als die Frauen* auf die Straße gingen, kamen alle anderen mit – und gemeinsam kann man das System zum Innehalten und zum Erliegen bringen.

Wenn wir streiken, steht die Welt still.

Maria Brücke, Berlin

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