
Das Ergebnis hat wenig Überraschungen gebracht. Die größte Veränderung zu den Wahlen 2015 war die Abwanderung ins Nichtwählerinnenlager. Dementsprechend hat auch die rot-grüne Regierung absolut an Stimmen eingebüßt. Durch den Absturz der rechtsextremen FPÖ und die Schwäche der Liste von HC Strache konnte die Regierungskoalition aber in Prozenten dazugewinnen. Den größten Stimmenzuwachs konnte die ÖVP verbuchen, mit dem Kanzlerbonus als Unterstützung. Die Formation LINKS hat gegenüber linken Vorgängerkandidaturen Stimmen zugelegt. Der Einzug in den Gemeinderat wurde klar verpasst, die Anzahl der linken Bezirksrätinnen konnte aber vervielfacht werden.
Endergebnis vom 14.10.:
SPÖ 41,6 % (+2,3)
ÖVP 20,4 % (+11,2)
GRÜNE 14 ,8 % (+3,0)
NEOS 7,5 % (+1,3)
FPÖ 7,1 % (-23,7)
HC Strache 3,3 %
LINKS 2,1 %
Die SPÖ wird mit Michael Ludwig weiterhin den Bürgermeister stellen. Wahrscheinlich wieder in einer Koalition mit der Grünen Partei. Es ist davon auszugehen, dass die Politik der letzten 10 Jahre fortgesetzt wird. Diese analysieren wir in diesem Artikel, der in einer längeren Fassung auf www.sozialismus.net erschienen ist.
Blaßgrüne Modernisierung
Die letzten zehn Jahre Rot-Grün stehen für eine Politik der fortgesetzten Modernisierung – mit etwas mehr ökologischen Elementen. Es wurden die Radinfrastruktur ausgebaut und die Öffi-Jahreskarte vergünstigt, sowie innerstädtische Begegnungszonen und minimale Begrünung geschaffen. Die große „grüne“ Wende sucht man aber vergeblich. Zudem scheint das Motto zu lauten: „Tausche Radwege gegen höhere Mieten.“ Teil des Deals scheint zu sein, dass private Investorinnen sich weiterhin eine goldene Nase am Wiener Immobilienmarkt verdienen können. Eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer hat gezeigt, dass die Bruttomieten in Wien während der letzten zehn Jahre zwei bis drei Mal so schnell wie die Inflation gestiegen sind. Am stärksten war die Steigerung bei privaten Hauptmieten (Mietzins + 75 %, 2008-2019). Dabei wird auch in Kauf genommen, dass private Gewinninteressen eine wirklich nachhaltige Stadtplanung unterlaufen. Die Infrastruktur wird zudem aus öffentlichen Geldern finanziert, während Millionengewinne in privaten Taschen landen. Dieses rot-grüne Projekt einer Modernisierung mit ökologischen Elementen zielt auch ganz klar darauf ab, den „Standort“ Wien im internationalen Konkurrenzkampf der Städte als zukunftsorientierten und sicheren Wirtschafts- und Forschungsstandort mit hoher Lebensqualität zu positionieren. Dabei muss Wien auch aufpassen, im Ranking keine Plätze an andere Städte zu verlieren – denn nicht nur Wien allein baut Radwege und Begegnungszonen und rollt Unternehmen den roten Teppich aus. Grüner Kapitalismus in einer Stadt Eine recht treffende und ehrliche Beschreibung dieses Projekts lieferte der langjährige Ex-Bürgermeister Michael Häupl in einem Interview mit dem Falter (26/20): „Es ist der Versuch, auf kommunaler Ebene eine ökosoziale Marktwirtschaft zu etablieren. Die Marktwirtschaft ist möglicherweise ein ziemlich schlechtes Wirtschaftsmodell. Aber ich kenne kein besseres. (…) Der Sozialismus in einem Land hat schon nicht funktioniert. Sozialismus in einer Stadt wird wohl noch weniger funktionieren. Es geht also darum, die Marktwirtschaft durch soziale und ökologische Parameter einzugrenzen. Hier haben Rot und Grün gemeinsam Pflöcke eingeschlagen, auf die ich sehr stolz bin.“ Dem lässt sich entgegnen: Grüner Kapitalismus hat global schon nicht funktioniert – und wird es auch in Zukunft nicht. Grüner Kapitalismus in einer Stadt wird wohl noch weniger funktionieren. Eine wirkliche Wende in der Nutzung und Verteilung des städtischen Raumes und der Infrastruktur, um diese im Hinblick auf Klimawandel und soziale Bedürfnisse in den Dienst der Bewohnerinnen zu stellen, dürfen wir nicht erwarten.

Rotes Wien damals und heute
Ein Blick in die Geschichte hilft, die aktuelle Situation in Wien etwas umfassender zu sehen. Die hohe Lebensqualität in Wien haben wir nicht der SPÖ zu verdanken, sondern der starken Arbeiterinnenbewegung, die nach dem Ersten Weltkrieg das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten verbessern konnte und somit die fortschrittliche Reformpolitik des Roten Wien ermöglicht hat. Ein wichtiger Teil der guten Infrastruktur Wiens (Gemeindebauten, öffentliche Bäder und Parks, Büchereien…) geht direkt auf die damalige Zeit zurück. Das Ende des Roten Wiens stellte die Niederlage in den blutigen Februarkämpfen 1934 dar, als die austrofaschistischen Kräfte die Arbeiterinnenbewegung besiegten. Die sozialdemokratische Parteiführung zögerte nicht nur während des Februaraufstandes und verunmöglichte eine koordinierte Offensive. Bereits in den Jahren davor, als sich die Spannungen mit den Konservativen und Bürgerlichen immer weiter zuspitzten, wurden kämpferische Aktionen unterbunden – die Angst der Parteibürokratie vor dem Kontrollverlust über eine kämpferische Arbeiter*innenbewegung überwog die Angst vor einer autoritären Konterrevolution. Zudem hielt man an der Illusion fest, dass dem fortschrittlichen Projekt des Roten Wien ohnehin die Zukunft gehört.
Vom Roten Wien können wir auch lernen, dass entscheidende Veränderungen nicht aus einer anderen Stimmenverteilung im Gemeinderat kommen werden, sondern eine Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse notwendig ist. Diese kann sich gegebenenfalls auf Wahlebene ausdrücken.
LINKS von SPÖ und Grünen
Im Hinblick auf die Gemeinderatswahlen hat sich die politische Formation LINKS gegründet. An LINKS beteiligen sich Aktivst*innen, mit denen wir bereits gemeinsam beim linken Sammelprojekt AUFBRUCH aktiv waren, Aktivist*innen der Donnerstagsdemonstrationen und Personen aus anderen Zusammenhängen oder solche, die das erste Mal politisch aktiv sind. Auf einer gemeinsamen Liste mit unter anderem der KPÖ möchte LINKS in den Gemeinderat und in die Bezirksvertretungen einziehen.
Im Wahlkampf hat sich LINKS an Bewegungen und Kämpfen beteiligt und sich zu Angriffen auf die Arbeiter*innenklasse positioniert. Programmatisch spricht sich LINKS für Verbesserungen für die Arbeitenden und eine Überwindung des Kapitalismus aus, gleichzeitig beziehen sich Slogans auf das Rote Wien und die Regierungszeit von Michael Häupl. Es wird damit implizit der Mythos der „guten, alten Sozialdemokratie“ reproduziert, anstatt auch über den damaligen Reformismus hinaus zu weisen. Es gibt in LINKS definitiv unterschiedliche linke Positionen und Perspektiven.
Es sind dabei viele engagierte Aktivist*innen beteiligt, jedoch handelt es sich bei LINKS nicht um eine marxistische oder revolutionär-kommunistische Partei der Arbeiter*innenklasse. Welche der politischen Ausrichtungen sich nach dem Einzug in die Bezirksvertretungskörper durchsetzen wird ist noch offen.
LINKS hat viele Menschen angezogen, denen die ökosoziale Marktwirtschaft von Rot-Grün nicht reicht, die sich ehrlich engagieren und für eine Veränderung von unten kämpfen wollen. Der Einzug in die Bezirksvertretungen könnte linke Strukturen in Wien stärken; allerdings auch linke Kräfte in bürgerlichen Institutionen binden. Auch wenn davon gesprochen wird, dass „LINKS gekommen ist, um zu bleiben“, wird sich erst zeigen, ob die Strukturen ohne Einzug in den Gemeinderat und jenseits von Bezirksvertretungsarbeit bestehen bleiben werden und LINKS damit eine Perspektive über Wahlen hinaus aufzeigen kann.