Unter dem roten Teppich: Klassenkampf?

An dieser Stelle steht in der AURORA normalerweise eine Rezension. Doch in dieser Ausgabe möchten wir den Platz nutzen, um anstatt einer Empfehlung für einen Film oder eine Serie (oder ein Buch) über einen Arbeitskampf zu berichten, der damit eng verbunden ist.

Seit dem zweiten Mai streiken in den USA die Drehbuchautor:innen. Nach einer Abstimmung, bei der sich 97,85% der 11.500 Mitglieder der Writers Guild Of America, also der US-amerikanischen Gewerkschaft für Autor:innen, für den Streik ausgesprochen hatten, begann der unbefristete Arbeitskampf und dauert bis heute an.

Zuletzt streikte die Gewerkschaft 2007/2008 für über drei Monate. Zu dieser Zeit waren Streamingplattformen noch in den Kinderschuhen und die Forderungen nach Entlohnung von Online-Verfügbarkeiten wurden zwar verhandelt, fielen aber recht gering aus.

Und so ist es bis heute: Autor:innen arbeiten in der Regel selbstständig und verkaufen ihre Texte. Das betrifft Filme, Fernsehserien, Reality-TV, Late-Night-Sendungen, kurzum: Unterhaltungsfernsehen. Werden diese Dinge erneut ausgestrahlt oder an andere Streaminganbieter verkauft, sehen Autor:innen von dem Geld, was da fließt, bis auf wenige Cents nichts.

Natürlich kann man sich jetzt denken, dass die Erschaffer:innen von Inhalten in Hollywood keine finanziellen Probleme haben. Bis auf einige wenige Ausnahmen stimmt das aber nicht. Das durchschnittliche Gehalt beträgt jährlich circa 72.000 Dollar, in Städten wie Los Angeles  jedoch kostet ein würdevolles Leben nach Studien jährlich 76.000 Dollar. Und das im Verhältnis zu den Gewinnen von Netflix und Co: Gerade nach der Pandemie sind die Gewinne in die Höhe geschossen und haben sich bei Netflix zum Beispiel von 2020 2,7 Milliarden auf 2021 5,1 Milliarden fast verdoppelt. Davon gesehen haben die Autor:innen wenig. Und bezahlt werden sie meistens nach dem 2007 verhandelten Mindesttarif. Und der reicht eben nicht mehr aus.

Doch was kann so ein Streik im Kulturbereich überhaupt erreichen?

Würden in Deutschland Schauspieler:innen am Theater streiken, würde das den meisten Menschen nicht einmal auffallen, bei Musiker:innen ist es genauso. Doch die US-amerikanische Unterhaltungsindustrie ist eben überall verfügbar und wir alle warten sehnlichst auf eine neue Staffel unserer Lieblingsserie oder erwarten den neuen Kinofilm, von dem schon gemunkelt wurde.

Und das wird jetzt vermutlich ein bisschen dauern.

Die Auswirkungen des Streiks von über 10.000 Autor:innen im ganzen Land werden in Europa spürbar sein durch verkürzte Staffeln oder verzögerte Filmstarts. Letzten Endes wird auch die Qualität darunter leiden : denn auch wenn der Streik günstig fällt für einige Produktionen und die Drehbücher schon fertig waren, bevor der Arbeitskampf begann, so fehlt doch die Mitarbeit direkt beim Dreh. Und das kostet die Studios einfach richtig viel Geld: Schätzungen besagen, wenn der Streik drei Monate andauern sollte, wie 2007, liegt der Schaden bei drei Milliarden Dollar.

Da zeigen sich übrigens einige solidarisch mit dem Streik der Writers Guild. Berühmte Schauspieler:innen und Regisseur:innen stellen sich an die Seite der Streikenden und kommen auch auf die Streikposten vor den jeweiligen Filmstudios. Auch international schliessen sich andere Autor:innen-Verbände an und rufen dazu auf, nicht an amerikanischen Produktionen mit zu schreiben und dadurch den Streik zu brechen.

Anstatt dessen: Gemeinsam langweilen. Im Fernsehen laufen Wiederholungen in Dauerschleife, manche Moderatoren füllen die Zeit bewusst  dröge, damit den Zuschauer:innen nicht entgeht, dass etwas ganz essentielles fehlt: die Idee dahinter.

Noch streiken die Autor:innen weiter und kämpfen für einen faireren Tarif. Und es könnten einige folgen: Schauspieler:innen, Regisseur:innen und Techniker:innen stehen in den Startlöchern für Verhandlungen. Denn hinter all dem Glamour und den großen Namen stehen viele Leute, die ausgebeutet werden, damit Netflix, Amazon & Co sich eine goldene Nase verdienen.

Maria Brücke, Berlin

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