Unsozial und unökologisch: Die ökosoziale Steuerreform in Österreich

Sie ist gemeinsam mit dem Klimaticket1 das Herzstück der Regierungsbeteiligung der Grünen Partei: Die ökosoziale Steuerreform. Im November findet die Begutachtungsfrist des Gesetzesentwurfs statt. Auch wir begutachten, was den Grünen so wichtig war, dass sie dafür trotz des neuesten Skandals2 der türkisen Volkspartei in der Regierung die Stange halten.

Soziale Aspekte?

Bei der Lohnsteuer sollen die 2. und 3. Steuerstufe gesenkt werden. Davon profitieren hohe Einkommen überdurch­schnittlich. Bei einem Median­einkommen von 2.500 Euro brutto rascheln nach der Reform 27 Euro mehr im Börserl, bei niedrigeren Einkommen noch weniger. Bei einem hohen Ein­kommen von 5.000 Euro bleiben dafür 84 Euro pro Monat übrig.

Gleichzeitig wird der Familienbonus von 1.500 Euro im Jahr auf 2.000 Euro pro Kind angehoben. Dieser Familienbonus kann von der bezahlten Lohnsteuer zurückgefordert werden. Für eine Allein­erziehende bedeutet es, dass ihr nach der Reform eventuell sogar weniger Geld üb­rigbleibt, weil sie weniger Steuer bezahlt und deshalb weniger Familienbonus be­kommt.

Ein AlleinerziehendeR oder einE Allein­verdiener:in mit zwei Kindern muss schon 3.000 Euro im Monat verdienen, um den „Bonus“ in voller Höhe aus­schöpfen zu können. 

Eine größere Wirkung hat dabei die Sen­kung der Körperschaftssteuer auf Unter­nehmensgewinne von 25 auf 23 %. Damit bleiben den größten österreichischen Konzernen jedes Jahr Millionen, der Staat verzichtet auf 700 Millionen jähr­lich. Tatsächlich wird durch die kalte Progression (höherer Durchschnitts­steuersatz, wenn man durch Lohner­höhungen in höhere Steuerklassen fällt, da diese nicht inflationsangepasst werden) der Ausfall der Unternehmens­steuern bald wieder durch die Lohn­steuern ausgeglichen.

Wie sozial ist also die Steuerreform? Sie hat eine deutliche sozial umverteilende Wirkung. In Summe und auf mehreren Ebenen verteilt sie Geld nach oben zu den hohen Einkommen und Konzernen und lässt die Arbeitenden einen noch höheren Anteil am Staatshaushalt zahlen.

Ökologisch?

Mit dem Einstieg in die CO2-Bepreisung gibt es eine Neuerung. Sie ist für die Grünen (die im Regierungsprogramm „Klima und Grenzen schützen“ für den Klimaschutz zuständig sind) der Durch­bruch. Ab Mitte 2022 beträgt der Ein­stiegspreis für eine Tonne CO2 30 Euro, bis 2025 soll er auf 55 Euro steigen. Konkret betrifft es das Tanken mit Diesel oder Benzin und Heizen mit Öl oder Gas, bei dem die Preiserhöhung einen Lenkungseffekt zum Umstieg auf klima­freundlichere Varianten herstellen soll.

Im Gegenzug wird zur Abmilderung der Mehrkosten ein Klimabonus an die Be­völkerung zurückbezahlt, abhängig nach öffentlicher Anbindung zwischen 100 und 200 Euro pro Jahr. So sollen Wiener:innen wegen ihres guten öffent­lichen Verkehrs als einzige nur 100 Euro bekommen, Bewohner:innen besonders ländlicher Gebiete 200 Euro. Wenn die Menschen nun klimafreundlich heizen und sich fortbewegen, würde Ihnen der Klimabonus sogar übrigbleiben, anstatt nur zu kompensieren.

Für einen Lenkungseffekt sind allerdings 100-200 Euro im Jahr zu wenig. Abge­sehen davon, dass Expert:innen mindes­tens 100-150 Euro pro Tonne CO2 als not­wendig erachten, damit sich Verände­rungen daraus ergeben, können Konsu­ment:innen ihr Verhalten gar nicht ohne weiteres ändern.

Mit 200 Euro Klimabonus lässt sich keine Heizung tauschen. Abgesehen davon, können Mieter:innen (in Öster­reich sind ca. 43 %, in Wien ca. 78 % der Bewohner:innen in Mietverhältnissen) nicht über ihre Heizungsart ent­scheiden, Vermieter:innen können die höheren Kosten einfach auf die Mieter:innen abwälzen. Auch Hausbesitzer:innen, die erst vor wenigen Jahren an die Gasversorgung ange­schlossen wurden, haben wenig Alterna­tiven. Auch die Mobilitätsart lässt sich nicht einfach verändern. Arme Men­schen können sich mit 200 Euro weder eine Bahnstrecke legen lassen, noch ein Elektroauto anschaffen. 

Für Unternehmen und vor allem die Industrie wird es weiterhin Ausnahmen und Subventionen geben, damit sie weiterhin fossile Energieträger ohne Mehrkosten verbrennen können. Wie ist also diese Öko-Reform zu bewerten? Ihr Beitrag zu einer Verkehrswende und der Reduktion der CO2-Emissionen bewegt sich wohl im nichtmessbaren Bereich, dafür werden die Arbeitenden mit höheren Kosten ratlos zurückgelassen. Die Reform ist ein perfektes Beispiel für Greenwashing, bei dem wertvolle Zeit verloren wird, vom Kern des Problems (dem fossilen Kapital) abgelenkt wird und wir danach der Lösung keinen Schritt näher sind. Geholfen ist nur der Grünen Partei, die versucht, ihren Wähler:innen die Reform als Legitimation unterzujubeln.

Florian Weissel, Wien

Referenzen

1 Klimaticket: Mit dem Klimaticket können zum regulären Preis von € 1.095 im Jahr nahezu alle öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich verwendet werden. Dadurch sollen Pendler:innen zum Umstieg auf den Öffentlichen Verkehr ermutigt werden.

2 Artikel „House of Kurz“ in dieser Ausgabe der Aurora

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