The Zone of Interest

Ein Haus, ein Garten, eine glückliche Familie. Die Sonne scheint, die Bienen summen. Am Rand des Gartens eine Mauer. Die Mauer zum Konzentrationslager Auschwitz. Gleißende Farben zeichnen eine Ästhetik, die einem vorkommt, als hätte man ein bisschen zu lange in die Sonne geschaut. Alles sieht frisch aus und neu, nichts ist vergleichbar mit der angegrauten Ästhetik zahlreicher bekannter Filme über das NS-Regime. Mit „The Zone of Interest“ hat Jonathan Glazer einen kontrovers diskutierten Film erschaffen.

Der Film, der das Leben des Kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß, sei-ne Frau Hedwig und den beiden Kindern zeigt, wird seit seinem Erscheinen gleichermaßen dafür geliebt und gehasst, dass er vieles nicht zeigt.

Denn das Leben der Familie wird vor allem in der Natur und ihrer Villa mit ausladendem Garten gezeigt, und die liegt, wie es auch in Wirklichkeit war, an der Mauer zum Vernichtungslager Auschwitz. Gezeigt wird das Leben einer bürgerlichen Kleinfamilie, die Mutter kümmert sich um den Haushalt (nicht ohne die Hilfe polnischer Haushaltshilfen), der Vater liebt seine Arbeit und spielt gerne mit den Kindern. All das ist auf eine fast unerträgliche Art spießig. Spießig ja, aber Papas heißgeliebter Beruf ist eben Lagerkommandant von Auschwitz, Mamas Pelzmantel aus dem gestohlenen Besitz der jüdischen Lagerhäftlinge und wenn die Haushaltshilfen ihren Job nicht nach den Vorstellungen der von Sandra Hüller porträtierten Hedwig Höß erledigen, dann droht sie ihnen kurzerhand damit, dass „ihr Mann ihre Asche hier über die Felder verstreuen würde, wenn sie das sage“.

Der Film, der mit dem Oscar für den besten fremdsprachiger Film ausgezeichnet wurde, schafft schon seit vor seinem Erscheinen für Konflikte in den Feuilletons der deutschen Medienlandschaft. Der häufigste Vorwurf: Wer braucht einen Film über den Holocaust, in dem die Opfer nicht gezeigt werden? Eine durchaus emotional nachvollziehbare Frage, aber zu kurz gedacht.

Zum einen sind die Opfer zu sehen, wenn auch kurz, zum anderen sind sie, und das ganz deutlich, zu hören. Neben dem Film den wir sehen, läuft ein Film aus dem Lager, den wir nur hören. Die Schreie, das Gebell der Hunde, das Bollern der Krematoriumsöfen, all das in gleicher Lautstärke wie die Unterhaltungen jenseits des Zauns. Mit dieser Nähe wird uns auch die Nähe der Familie Höß erzählt. Zwangsarbeiter aus dem Lager putzen die Stiefel von Rudolf Höß, unbemerkt, ungesehen sollen sie für sie schon bleiben. Wenn das Krematorium arbeitet, kann man die Wäsche im Garten nicht aufhängen und auch beim Angelausflug wird Höß mit seinen Kindern überrascht, als die Asche Hunderter in den Fluss gekippt wird. Dem Zuschauenden soll klar werden: Man kann nichts verdrängen, alle hier wissen was passiert und es wird auch darüber gesprochen. Die Tatsache, dass das Familienleben so unoriginell ist, dass Verbrechen so alltäglich begangen wird und sogar mit einem gewissen Stolz, bricht die Grenzen auf.

Der Holocaust wurde nicht von ein paar bösartigen Menschen begangen, die meisten waren ganz gewöhnlich, keine Filmbösewichte, die man von schräg unten fast schon wieder heroisch inszenieren kann.

Ebenso kontrovers wie der Film selbst, wurde auch Jonathan Glazers Dankesrede bei der Oscar-Verleihung aufgenommen. Denn er fordert auf, die Geschichte nicht als Vergangenes zu Begreifen, sondern als Lehre für die Gegenwart. Er weigert sich, dass sein „Jüdischsein und der Holocaust vereinnahmt werden für die Besatzung, die so viele Menschen in einen Konflikt gestürzt hat“. International führte dieser Satz zu Bestürzung. Allein mit der Erwähnung der Besatzung Palästinas und des Holocausts in einem Satz zieht Jonathan Glazer die Wut auf sich. Es folgt die Frage, wie man im Angesicht der Katastrophe Widerstand leisten soll. Eine Frage, die auch mit dem Verzicht, historische Parallelen zu ziehen, relevanter und aktueller nicht sein könnte. Und so ist dieser Film einer, der uns zum Nachdenken und diskutieren bringt. Und das macht ein guter Film.

Maria Bücke, Berlin

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