Die Israel-Lobby – ein Zahnrad im Getriebe der US-Politik, aber nicht ihr Motor

Während Israels völkermörderischer Krieg gegen das palästinensische Volk mit äußerster Brutalität geführt wird, gewährt die US-Regierung unter Biden Israel bedingungslose Unterstützung. Der Krieg dauert bereits seit 6 Monaten an und hat mehr als 30.000 Palästinenser:innen in Gaza das Leben gekostet, ihre Gesellschaft zerstört und ihre Häuser verwüstet. Israel führt diesen Feldzug des Todes mit Bomben und Munition, die in den USA hergestellt wurden. Inmitten des Blutvergießens gehen die Waffenlieferungen weiter.

Noch aus der Obama-Ära stammt die Zusage an Israel, bis 2026 Waffen im Wert von 38 Milliarden Dollar zu liefern. Erst in jüngster Zeit, als Israels Krieg die Spannungen anzuheizen und einen regionalen Krieg auszulösen drohte und eine Hungersnot im Gazastreifen einsetzte, hat die Regierung Biden begonnen, zu einer Änderung der israelischen Politik aufzurufen. Diese Opposition ist rein verbal. Die USA haben nichts unternommen, um ihre beträchtliche materielle Unterstützung für Israel als Hebel zu nutzen, nicht einmal, um ihre Politik leicht zu ändern. Viele Beobachter:innen fragen sich, ob die USA von der so genannten Israel-Lobby gefügig gemacht werden. Es stimmt zwar, dass pro-israelische politische Gruppen in der US-Politik viel Macht und Einfluss ausüben, aber diesem Phänomen die alleinige Schuld zu geben, würde das Gesamtbild verschleiern – die Unterstützung der USA für Israel ist ein Pfeiler ihrer imperialistischen Politik im Nahen Osten, und die Israel-Lobby ist ein Mechanismus innerhalb der US-Politik, der diese Politik verstärkt, aber nicht kontrolliert.

Die Gründung des Staates Israel 1948 mit einem Eroberungskrieg
Zwischen dem Ersten Weltkrieg und 1948 befand sich Palästina unter der Herrschaft des Britischen Empire, das mit den jüdischen Nationalist:innen, der zionistischen Bewegung, kollaboriert hatte. Eine Politik, die ihnen die Kolonisierung des Gebiets erleichterte. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen sich die Briten aus Palästina zurück, und die zionistische Bewegung nutzte die Chance. Die zionistischen Kräfte gingen rasch über die Grenzen des gescheiterten UN-Teilungsplans hinaus, den die Palästinenser:innen abgelehnt hatten, da er mehr als die Hälfte des Landes an die jüdischen Kolonist:innen abtrat. Etwa 750.000 Palästinenser:innen wurden vertrieben oder flohen aus Palästina, so dass nur etwa 100.000 innerhalb der neuen Grenzen des Staates Israel lebten. Viele der Vertriebenen wurden die neue Bevölkerung von Gaza.

Der Aktivismus der zionistischen Bewegung
Die zionistische Bewegung hatte schon immer mit einem Netz von Vertreter:innen gearbeitet, um internationale Unterstützung und politischen Einfluss zu gewinnen. Diese Strategie bildete schon die Grundlage für die britische Unterstützung des Zionismus. Während des Zweiten Weltkriegs dann setzten sich die Zionist:innen in den USA für ähnliche Ziele ein. Vor dem Zweiten Weltkrieg spielten die USA im Nahen Osten gegenüber den Briten die zweite Geige, doch nach dem Krieg änderte sich diese Dynamik. Die USA wurden die wichtigste imperialistische Macht, die im Nahen Osten Einfluss ausübte. 1953 schlossen sich zionistische Organisationen in den USA zum American Zionist Committee for Public Affairs, inzwischen AIPAC, zusammen. Diese Organisation ist bis heute die wichtigste, die Druck ausübt und sich an die Öffentlichkeit wendet, um den Staat Israel zu unterstützen.

Die Unterstützung der USA für Israel erfolgte nicht automatisch. Zu Beginn wurde der neue Staat von den imperialistischen Mächten mit einem gewissen Misstrauen betrachtet. Die zionistische Bewegung hatte mit den Briten zusammengearbeitet, war aber nie vollständig unter deren Kontrolle gewesen. Die Welt war im Kalten Krieg zwischen Ost und West gespalten, und britische und amerikanische Politiker:innen, oft von Antisemitismus geprägt, verwiesen auf die osteuropäischen Ursprünge des Zionismus. Könnten sie aufgrund ihrer Herkunft nicht Verbündete der Sowjetunion sein?

Die Nützlichkeit Israels als Sheriff der USA im Nahen Osten
Der Staat Israel bewies jedoch 1967 seinen Wert für den Imperialismus, indem er der arabisch-nationalistischen Regierung Ägyptens eine Niederlage beibrachte, die sich auf die Unterstützung der UdSSR verlassen hatte. Ägypten wurde von nationalistischen Militärs geführt, die zum Teil durch die Unfähigkeit ihrer ex-Regierung, die Palästinenser:innen 1948 zu verteidigen, motiviert waren. Aufgrund seines kolonialen Charakters stand Israel in ständigem Konflikt mit den arabischen Staaten, was es zu einem natürlichen Verbündeten der USA machte, deren Ziel es war, die Vorherrschaft in der Region auszuweiten.

Trotz der Bemühungen der zionistischen Lobby betrug die Unterstützung der USA für Israel vor 1967 nur 7 Millionen Dollar pro Jahr, ein symbolischer Betrag. Nach 1967, als Israel seine Nützlichkeit für den US-Imperialismus unter Beweis stellte, begann dieser Betrag zu steigen. Heute stellen die USA Israel jährlich 3,8 Milliarden Dollar an Militärhilfe zur Verfügung, das sind 16 % seines Militärhaushalts. Dieses aufkeimende Bündnis zwischen den USA und Israel fiel mit der militärischen Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens im Krieg von 1967 zusammen.

Nach 1967 wurde die Unterstützung des Staates Israel für US-Politiker:innen zu einer Glaubensfrage. Nicht nur, dass Israels Politik der Konfrontation mit dem arabischen Nationalismus mit den imperialen Interessen der USA übereinstimmte. Zionistische Organisationen und insbesondere das AIPAC konnten eine beträchtliche Basis für die Unterstützung politischer Kampagnen schaffen. Damit begann die Vernunftehe, durch die das AIPAC einen erheblichen Einfluss auf die US-Innenpolitik ausübt. Diese besondere Beziehung wurde jedoch von den Interessen der USA im Kalten Krieg und ihren imperialistischen Interessen geleitet, insbesondere um die UdSSR davon abzuhalten, im Nahen Osten stärker Fuß zu fassen. Ohne diese Interessensübereinstimmung wäre die israelische Lobby kein so wichtiger Faktor in der amerikanischen Politik.

Das AIPAC ist in der Lage, beträchtliche Summen in die US-Wahlen zu investieren und Einfluss auf Kandidat:innen zu nehmen. Bei den jüngsten Kongresswahlen in Pennsylvania und North Carolina hat das AIPAC beispielsweise Millionen von Dollar in die Vorwahlen der Demokraten gesteckt, um zu verhindern, dass Kandidat:innen gewinnen, die der aktuellen israelischen Politik kritisch gegenüberstehen. Jahrzehntelang waren die Demokraten die bevorzugte Partei des AIPAC, da sie mit dem von Israel projizierten Bild einer demokratischen, säkularen und fortschrittlichen Gesellschaft übereinstimmten. In den letzten Jahren hat dies jedoch zu Kritik einiger linker Demokrat:innen an Israel geführt. Gleichzeitig unterstützen evangelikale Christ:innen, die seit den 1980er Jahren eine wachsende Kraft in der Republikanischen Partei sind, Israel aus religiösen Gründen. In jüngster Zeit hat das AIPAC verstärkt Kandidat:innen der Republikaner unterstützt, darunter auch Trump-Anhänger:innen. Dies fiel zeitlich zusammen mit Israels Entwicklung hin zu einem rechteren, nationalistischen Profil.

Das AIPAC nutzt seine Ressourcen auch, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und Debatten zu unterdrücken. Seit Jahrzehnten erstellt und veröffentlicht das AIPAC Dossiers über „israelfeindliche“ Universitäten und Professor:innen. Das AIPAC pflegt auch Beziehungen zu wohlhabenden Universitätsspender:innen (eine wichtige Finanzierungsquelle sowohl für private als auch für öffentliche Universitäten in den USA). Politiker:innen und Spender:innen üben Druck auf die Universitäten aus, um Kritik an Israel zu unterbinden. Der Druck des AIPAC hat dazu geführt, dass Professor:innen Stellen verweigert und studentische Aktivist:innen diszipliniert wurden. Während Israels aktuellem Krieg herrscht an den US-Colleges eine erdrückende Atmosphäre, da Student:innen und Dozent:innen abwägen, was es kostet, Israel und seinen Krieg zu kritisieren.

Am besten lässt sich die „Israel-Lobby“ als ein Rädchen im Getriebe der US-Politik verstehen. Sie unterstützt Politiker:innen, mobilisiert Wählerstimmen, erzeugt Propaganda und moralische Rechtfertigungen und unterdrückt abweichende Meinungen, um Israel als wichtige Stütze der imperialistischen Strategie der USA im Nahen Osten zu verteidigen. Die Beziehungen zwischen Israel und den USA sowie zwischen US-Politiker:innen und dem AIPAC wurden jedoch von Anfang an auf der Grundlage der Erfordernisse dieser imperialistischen Strategie aufgebaut, und das ist der entscheidende Faktor.

Victor Johnson, Bay Area, USA
Übersetzung/Bearbeitung: Sabine Müller

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