
Pflege ist ein gesellschaftspolitisches Thema. Das Thema Pflege betrifft uns alle!“ tönt es aus den Lautsprechern von der Bühne, als eine Kollegin aus der Pflege die katastrophalen Bedingungen in den Krankenhäusern anprangert.
Am 12.5.2022, dem internationalen Tag der Pflege, riefen die verschiedenen Teilgewerkschaften des Gesundheitsbereiches dazu auf, gegen den Pflegenotstand auf die Straße zu gehen. Über Zehntausend folgten österreichweit dem Aufruf, um ihrem Unmut lauthals Ausdruck zu verleihen. Auffällig war, dass gerade viele Beschäftigte, die in den letzten Jahren bei kämpferischen Basisbewegungen aktiv waren, nicht an der gewerkschaftlichen Demonstrationen teilgenommen haben, bei der mit Partybus und entsprechender Musik für Stimmung gesorgt wurde.
Nicht erst seit der Pandemie sind die Zustände in den Krankenhäusern und die Arbeitsbedingungen für das Personal geradezu unerträglich. Die Coronasituation ist nur die Spitze des Eisberges eines Gesundheitssystems, das seit Jahrzehnten nach Gewinninteressen umstrukturiert, flexibilisiert und ausgepresst wird und das auf dem Rücken der Kolleg:innen in der Pflege und den Patient:innen. Es ist nicht erst nach über zwei Jahren Pandemie, dass die Kolleg:innen von menschenunwürdigen Bedingungen sprechen, von grob fahrlässigen Situationen für alle Beteiligten. Kein Wunder, dass es nun mit der hinzukommenden Pandemie-Belastung zu einer Kündigungswelle vor allem unter den jungen Kolleg:innen kommt. Nur wenige bleiben länger als 5 Jahre in dem Beruf, einer der Hauptgründe dafür ist die Unvereinbarkeit von Job und einem Leben außerhalb. Bis 2030 werden laut Studien 75.000 Pflegekräfte fehlen und das beim schlechten Personalschlüssel.
Um dem entgegenzuwirken, präsentierte die österreichische Bundesregierung nicht zufällig am 12.5. die lang angekündigte Pflegereform.
„Die größte Pflegereform seit Jahrzehnten“, heißt es, doch was wird wirklich bei den Kolleg:innen ankommen? Ein Monatsgehalt mehr im Jahr, für die nächsten zwei Jahre, bei der steigenden Inflation bedeutete das im Grunde eine Null-Lohn-Runde. Eine 6. Urlaubswoche ab dem 43. Lebensjahr, lächerlich, wenn man bedenkt, dass der Großteil früher aussteigt. Die sichtbarste Verbesserung scheint noch in den neuen Ausbildungszuschüssen von 600€ im Monat zu liegen, doch auch diese Maßnahme wird nicht ausreichend sein, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, außerdem kommt die Ausbildungsoffensive reichlich spät und bei steigenden Lebenserhaltungskosten sind 600€ nicht mehr als ein Taschengeld. Arbeitszeitverkürzung im Sinne der Kolleg:innen oder gesicherte Freizeit ohne spontan in den Dienst gerufen zu werden, gibt es damit nicht. Auch enthält das Paket keine Lösung für die 24h-Betreuung. Was dafür kommt, ist die von der FPÖ lang ersehnte Pflegelehre: weniger qualifiziert ausgebildete und damit billigere Arbeitskräfte.
Die Reaktion der Kolleg:innen ist zu Recht kritisch – zu lange hat man auf Verbesserungen gewartet und gehofft, zu lange ist nichts passiert.
Doch selbst wenn es zu einer Umsetzung kommt, weder die minimalen Maßnahmen der Pflegereform der Regierung noch eine einmalig organisierte Demonstration der Gewerkschaften wird die Situation für die Kolleg:innen und Patient:innen ausreichend verbessern. Es braucht eine langfristige Organisierung der Kolleg:innen im Krankenhaus mit solidarischer Unterstützung der Patient:innen, um ihre Forderungen zu erkämpfen.
Aktivist:innen der RSO haben als Teil der Wiener Partei LINKS eine Kampagne in Richtung Krankenhäuser und Pflege begonnen. Vor Krankenhäusern und bei der Demonstration wurden spezifische Flugblätter verteilt um Kolleg:innen anzusprechen. Am 13.5. organisierten wir eine Veranstaltung, bei der aus der Pflege und von Kämpfen im Gesundheitsbereich berichtet wurde. Diese Aktivitäten sollen nur der Auftakt sein, um längerfristig klassenkämpferische und revolutionäre Ideen in diesem Teil der Arbeiter:innenklasse zu verankern.
Nike Milos. Wien