
Seit bald eineinhalb Jahren streiken die Lehrkräfte in Berlin für ein besseres Bildungssystem. Acht Mal hat die GEW bisher zu einem Warnstreiktag aufgerufen. Sie fordern kleinere Klassen, mehr Sozialarbeiter:innen und Schulpsycholog:innen. Bisher ohne Erfolg, denn die Regierung aus SPD, Grünen und Linke verweigert die Verhandlungen zu einem Tarifvertrag, der die Klassengröße regeln soll.
Länger streiken bringt mehr Dynamik
Anfang Februar erlangte der Streik eine neue Dynamik. Das erste Mal wurde an zwei Tagen hintereinander gestreikt. Am 7. Februar gab es eine Demonstration mit mehr als 4000 Lehrkräften: So viele wie noch nie zuvor in diesem Streikvorhaben. Bisher hatte die Gewerkschaft GEW immer nur zu eintägigen Streiks aufgerufen. Zwei Tage Streik bedeuteten gleich etwas anderes und brachten Schwung in das Streikgeschehen, denn viele waren ermüdet davon, immer nur einen Tag zu streiken.
Am Tag darauf, am 8. Februar, gab es in allen Berliner Bezirken Versammlungen der streikenden Lehrkräfte. Circa 3000 Lehrer:innen haben an diesen teilgenommen. Zum ersten Mal hatten die Streikenden die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen, zu beraten und Pläne zu schmieden. Viel wurde darüber geredet, wie der Streik ausgeweitet und gewonnen werden kann. Streikversammlungen sind ein unabdingbares Instrument des Streiks, weil hier die wichtigen Fragen diskutiert werden können und die Kolleg:innen die Möglichkeit haben, ihren Streik selbst zu gestalten und im besten Fall selbst zu organisieren.
Unbefristeter Streik – eine gute Lösung
Die Junge GEW hat im Januar einen Antrag an den GEW Vorstand in Berlin gestellt und Unterschriften gesammelt. In diesem Antrag forderten sie, dass der Streik ausgeweitet und unbefristet geführt werden soll. Nur ein unbefristeter Streik kann schlussendlich den Berliner Senat dazu zwingen, einen Tarifvertrag abzuschließen. Die Streikversammlungen waren eine gute Möglichkeit dieses Anliegen zu diskutieren. Die neue Dynamik durch die zwei Tage Streik, die höhere Beteiligung und die Notwendigkeit mehr Druck auszuüben, haben dazu geführt, dass viel über einen unbefristeten Streik diskutiert worden ist. Auf den Versammlungen in Berlin-Lichtenberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und in Pankow wurde über einen solchen sogar öffentlich abgestimmt. Mit nur sehr wenigen Enthaltungen und Gegenstimmen, wurde überall dafür gestimmt unbefristet zu streiken.
Doch auch einen Monat später gibt es bisher keinen neuen Streiktermin und auch keine Bereitschaft seitens des GEW-Vorstandes, den Streik auszuweiten.
Immer mehr Grund zum Streiken
Die Arbeitsbelastung steigt seit Jahren, was an immer mehr zusätzlichen Aufgaben liegt, aber auch am Lehrkräftemangel. Die Lösungen, die die Regierungen anbieten, sind als Angriff auf die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte zu verstehen. Seit fast drei Jahrzehnten werden Kapazitäten zur Lehrkräfteausbildung an den Universitäten abgebaut. Das Problem ist also hausgemacht. Die Lösung der Politik ist es, die Krise auf den Rücken der Lehrkräfte und Schüler:innen auszutragen. In Nordrhein-Westfalen soll die Möglichkeit zur Teilzeit eingeschränkt werden, in Sachsen-Anhalt soll die Pflichtstundenanzahl erhöht werden und die Kultusministerkonferenz schlägt zum Beispiel vor, den Renteneintritt hinauszuzögern, die Erhöhung der Klassengröße und Online- und Präsenzunterricht sollen zukünftig parallel von Lehrkräften geleitet werden.
Um diesen Forderungen entgegenzutreten und kleinere Klassen durchzusetzen, ist es dringend notwendig, dass der Streik intensiviert wird. Zurzeit gibt es viele Arbeitskämpfe, die parallel laufen, wie bei der Post oder im öffentlichen Dienst. Deren praktische Solidarität und gemeinsame Streiktage wären ein weiteres Druckmittel.
Auch die Unterstützung der Eltern, die sicher wäre, muss mehr eingefordert und organisiert werden. Dann klappt es auch mit den kleineren Klassen!
Karl Gebhardt, Berlin