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Ende der 80er Jahre wurde vom sozialdemokratischen Bundeskanzler ein Vertrag mit Opel über die Errichtung eines Motorenwerks in Wien Aspern unterzeichnet. Opel wurden dafür staatliche Investitionen von umgerechnet fast einer Milliarde Euro versprochen. Das Werk sollte ein Vorzeigeprojekt sozialdemokratischer Politik im industriell eher schwach aufgestellten Wien darstellen.
Im Juli 2024 wird das Werk endgültig geschlossen, nachdem Opel von Stellantis (einem Zusammenschluss von Fiat Chrysler und Peugeot Citroen, viertgrößter Automobil Konzern der Welt) übernommen wurde. Auch für viele Linke spielte Opel Aspern, einer der größten Industriebetriebe Wiens, eine Rolle mit Leuchtturmfunktion im Klassenkampf. Wir berichten zum Ende des Werks über Versuche von Revolutionär:innen betriebliche Kämpfe zu führen und über die Rolle der Sozialdemokratie im Betrieb.
Revolutionäre Betriebsintervention
1982 begann die Produktion von Motoren und Getrieben, 1983 waren 2200 Mitarbeiter:innen am Standort beschäftigt. Der Kern der Beschäftigten waren ehemalige Stahlarbeiter aus sozialdemokratischen Milieus, außerdem viele junge Arbeiter, die neu in der Industrie waren. Schon 1983 begann die Gruppe IKL (Internationale Kommunistische Liga) damit, eine Gruppe im Betrieb aufzubauen. Während die Aktivist:innen im Betrieb verdeckt arbeiteten, wurde von der Gruppe eine Betriebszeitung von außen verteilt. Signiert wurde die Zeitung von der „Gruppe Oppositioneller Arbeiter (GOA) – angelehnt an die Gruppe „Oppositioneller Gewerkschafter“ bei Opel Bochum. Einen ersten Erfolg konnte die Gruppe verbuchen, als die Firma wegen eines Produktionsstillstandes durch einen Streik in deutschen Opelwerken nicht den vollen Lohn ausbezahlen wollte. Es gelang ihr Proteste zu organisieren und damit den sozialdemokratischen Betriebsrat so unter Druck zu setzen, dass dieser die volle Entlohnung ausverhandelte. Infolgedessen konnte sich die Gruppe aufbauen, neue Arbeiter:innen gewinnen und die Betriebszeitung selbst produzieren.
Bewegung gegen Überwachung
Der nächste betriebliche Konflikt war die Einführung eines Überwachungssystems, bei dem jeder Maschinenstillstand begründet werden muss. Zum Beispiel Werkzeugbruch, kein Material, oder WC-Pause. Es wurde auch gemunkelt, dass in anderen Betrieben dadurch Frauen wegen häufiger WC-Pausen entlassen wurden. Die Belegschaft war schockiert und es wurde eine spontane Unterschriftenaktion dagegen gestartet. Diese musste allerdings aufgrund von massiven Drohungen der sozialdemokratischen Betriebsrät:innen abgebrochen werden. Auf einer bevorstehenden Betriebsversammlung wollte die revolutionäre Gruppe gegen das Überwachungssystem auftreten. Solidarität gab es von Studierenden und Lehrenden der technischen Universität und auch die öffentliche Berichterstattung im Radio gab Grund zur Hoffnung, dass die Einführung des Systems verhindert werden könnte.
Sozialdemokratische Reaktion
Doch die Gewerkschaftsbürokratie fuhr alle Geschütze auf, die sozialdemokratischen Betriebsräte wurden vom Chef der Metallergewerkschaft und des österreichischen Gewerkschaftsbundes Anton Benya unterstützt. Mit einer Stimmung der Angst wurden Gegenstimmen verhindert und das System für angenommen erklärt. Nach dieser Niederlage orientierte sich die GOA auf die bevorstehenden Betriebsratswahlen. Die Sozialdemokrat:innen fürchteten die Wahlen und sorgten mit Management und Werkschutz – unterstützt von der Staatspolizei – dafür, dass die Arbeiter:innen der GOA ausgeforscht und gekündigt wurden. Die Gruppe wurde dadurch zerschlagen. Es gab zwar auch später vereinzelt Versuche von linken Gruppen sich bei Opel zu verankern und bei jedem Warnstreik ein routinehaftes Verkaufen von linken Zeitungen. Es ist aber nie wieder gelungen an die Arbeit der GOA anzuknüpfen, und eine richtige revolutionäre Betriebsgruppe aufzubauen.
Ende
Der Betrieb blieb von Umstrukturierungen in der Automobilbranche nicht verschont. Infolge der Krise ab 2008 wurde auf Kurzarbeit gesetzt und Leiharbeiter*innen gekündigt. Die Stammbelegschaft schrumpfte langsam, 2016 waren noch 1850 Mitarbeiter:innen beschäftigt. 2017 wurde Opel durch den PSA-Konzern (Peugeot Citroen) übernommen, die Produktion wurde eingeschränkt und weiter Personal abgebaut. Nach der Fusion zu Stellantis 2021 haben internationale Schließungspläne diesen Prozess noch verschärft. Widerstand der sozialdemokratischen Gewerkschaften gegen diese Angriffe gab es all die Jahre nicht. Stattdessen wurden sogar Vereinbarungen über Lohnkürzungen zur Standortsicherung getroffen. Die sozialdemokratische Strategie mit Investitionen aus Steuergeld Unternehmen anzulocken und dann innerbetrieblichen Widerstand zu unterdrücken hat letztendlich ihr Ende gefunden. Nur noch wenige hundert Beschäftigte sind übrig geblieben, die jetzt ihren Arbeitsplatz verlieren.
Florian Weissel, Wien