Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem anschließenden völkermörderischen Krieg Israels gegen die Palästinenser:innen herrscht an vielen Universitäten ein schwelender Kampf zwischen denen, die Israels zionistische Politik unterstützen, und denen, die dagegen protestieren. Schon bald nach Israels unverhältnismäßiger Reaktion auf den Angriff und nachdem klar wurde, dass der Krieg darauf abzielt, Menschen in einem entsetzlichen Ausmaß zu vernichten und zu vertreiben, kam es in den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern zu zahlreichen leidenschaftlichen Protesten, sowohl auf dem Campus als auch auf der Straße.
Als Reaktion darauf traten rechte Reaktionäre aus der Wirtschaft, der Regierung, den Medien und anderswo schnell in Aktion und versuchten, die Demonstrant:innen zu diskreditieren und zum Schweigen zu bringen. Rechte Aktivist:innen schrien, die Proteste seien antisemitisch (die übliche sofortige Reaktion, um Kritik an der israelischen Politik zu unterdrücken). Sie fotografierten die Demonstrant:innen und setzten sie auf den Index, und rechtsgerichtete Professor:innen schikanierten Student:innen und versuchten, Student:innen für ihren Protest zu bestrafen. In einem Fall griffen zwei ehemalige Soldaten der israelischen Verteidigungskräfte Demonstrant:innen mit Skunk-Spray [ein übelriechendes Spray, das der israelische IDF anwendet], so dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Und diese Beispiele sind nur eine kurze Aufzählung dessen, was allein an der New Yorker Columbia University geschehen ist.
Zionistische Unterstützer im US-Kongress mischten sich ein. Unter ihnen sind viele der gleichen Leute, die bereits versuchen, das öffentliche Bildungswesen zu untergraben, die Glaubwürdigkeit von Pädagog:innen zu zerstören und die ehrliche Vermittlung von Geschichte oder Perspektiven zu unterdrücken, die ihre religiösen Vorstellungen von dem, was die Vereinigten Staaten sein sollten, in Frage stellen. Im Dezember haben sie die Präsidenten der Harvard University, des MIT (Massachusetts Institute of Technology) und der University of Pennsylvania vorgeladen und angegriffen und sie gezwungen, entweder eine härtere Gangart einzuschlagen und die Proteste zu beenden oder zurückzutreten. Und im März hat der Universitätspräsident als Reaktion auf die Studentenproteste an der Vanderbilt University in Tennessee einseitig eine Resolution des Studentenparlaments zum Rückzug aus Investitionen in Israel gecancelt. Er hat dann Student:innen, die gegen diese eklatante Unterdrückung der studentischen Meinungsäußerung protestierten, suspendiert und mit Exmatrikulation gedroht.
Der Konflikt kochte letzte Woche hoch, als die Präsidentin der Columbia University, Nemat Shafik, vor dem Kongress aussagte. Monatelang hatten protestierende Studenten gefordert, dass die Universität ihre finanziellen Verbindungen zu Israel und israelischen Unternehmen transparent macht, dass sie sich von diesen Investitionen trennt und dass die Student:innen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen können, ohne bedroht, suspendiert oder anderweitig bestraft zu werden. Zeitgleich mit ihrer Aussage errichteten mindestens 100 Studierende Zelte auf dem Hauptrasen des Campus, um den Platz zu besetzen, bis ihre Forderungen erfüllt waren.
Anstatt den unehrlichen Behauptungen der reaktionären Kongressabgeordneten etwas entgegenzusetzen, stimmte Shafik praktisch allem zu, was sie sagten: Sie stimmte zu, dass die Demonstrant:innen Antisemitismus förderten und jüdische Student:innen verunsicherten, sie stimmte zu, gegen die Demonstrant:innen vorzugehen, und sie stimmte zu, mindestens zwei Professoren, die sich kritisch gegenüber zionistischer Gewalt äußerten, zu entfernen, zu disziplinieren oder zu entlassen. Schon am nächsten Tag forderte sie das New York City Police Department (NYPD) auf, die Demonstrant:innen zu verhaften und ihre Zelte zu entfernen, und bezeichnete die Demonstrant:innen – Student:innen ihrer eigenen Universität – als „klare und gegenwärtige Gefahr“. Trotz der Existenz von Columbias eigenen Sicherheitsleuten rückten NYPD-Beamte in Einsatzkleidung an und verhafteten 108 Student:innen.
Diese Akte der politischen Unterdrückung und der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung waren der Auslöser für einen landesweiten Studentenaufstand gegen den zionistischen Krieg und zur Verteidigung der freien studentischen Meinungsäußerung. Trotz der Verhaftungen besetzten die Columbia-Student:innen sofort wieder den Rasen und schliefen mindestens eine kalte und regnerische Nacht lang ohne Zelte draußen. Am Samstag versammelten sich Nicht-Studierende aus dem Großraum New York am Rande des Campus, um die protestierenden Student:innen zu unterstützen. Über Nacht und am nächsten Tag tauchten die Zelte wieder auf dem Rasen auf, und der Platz wurde tatsächlich wieder besetzt. Zur gleichen Zeit errichteten Student:innen zumindest am MIT und an der Yale University und wahrscheinlich noch mehr ihre eigenen kleinen Lager in Solidarität mit den Columbia-Student:innen.
Am Sonntag veröffentlichten dann 54 Professoren der Columbia Law School einen Brief, in dem sie die Reaktion der Universitätspräsidentin auf die Studentenproteste verurteilten. Und am Montag, nachdem Shafik wegen angeblicher Sicherheitsbedenken den Präsenzunterricht abgesagt hatte, versammelten sich mehr als 100 Professor:innen zu einer Kundgebung im Zentrum des Campus, bei der die studentischen Besetzer:innen zusammen mit Hunderten anderer Student:innen zusahen. Sie trugen Schilder mit der Aufschrift „Hände weg von unseren Student:innen“, „Beendet die Suspendierung von Student:innen jetzt“ und „Stellt die Kontrolle der Fakultät wieder her“. Zwei angesehene Historiker prangerten in ihren Reden das Vorgehen der Präsidentin an.
Auch am Sonntag und Montag entstanden landesweit neue Camps an Schulen: University of North Carolina, Charlotte; University of Minnesota; University of California, Berkeley; Cal-State Polytechnic Institute; Vanderbilt University; University of Michigan; New York University; New School (ebenfalls in New York City); Emerson College und Tufts University (beide im Raum Boston); und wahrscheinlich noch weitere, von denen wir noch nichts gehört haben. Die NYPD wurde gerufen, um ein Lager an der New York University zu räumen, wo 133 Personen verhaftet wurden und wo die Student:innen seitdem den Platz wieder besetzt haben und sich Hunderte von anderen Unterstützer:innen angeschlossen haben.
Diese Proteste sind zwar nach den Maßstäben von Massenprotesten immer noch klein, aber es handelt sich möglicherweise um die intensivste Erhebung von Student:innen in den Vereinigten Staaten seit 1968, als Student:innen an Schulen wie Columbia und Cal-Berkeley an der Spitze des studentischen Aktivismus standen und gegen den Vietnamkrieg und für die Befreiung der Schwarzen, für erweiterte Entscheidungsbefugnisse bei der Verwaltung ihrer Universitäten und für ihr Recht auf Redefreiheit kämpften. Die Student:innen von heute kämpfen auch gegen einen völkermörderischen Dominanz- und Aggressionskrieg, der vom US-Imperialismus unterstützt wird. Diese Student:innen kämpfen auch für Gerechtigkeit für ein unterdrücktes Volk. Und diese Student:innen treten auch für ihr Recht ein, sich zu äußern, politisch zu denken und sich nicht von Repressionskräften einschüchtern, verdammen oder verhaften zu lassen.
Es ist noch zu früh, um zu sagen, wohin diese Bewegung führen wird. Das Beispiel dieser Student:innen hat die Tür für noch mehr studentischen Aktivismus geöffnet, der sich in den kommenden Tagen entwickeln könnte. Die zionistische Aggression wird nicht von selbst aufhören, sondern kann sich noch verschlimmern. Die Bewegung an den Universitäten wird sicherlich nicht einfach verschwinden, sondern könnte sogar noch größer und intensiver werden.
Die größere Frage ist, ob sich andere Teile der breiten Bevölkerung diesem Kampf anschließen werden, einschließlich Teile der Arbeiterklasse. Wir unterstützen die Student:innen, die in den vergangenen Monaten und heute gegen die von den USA unterstützte zionistische Kriegsmaschinerie und ihre zahlreichen Propagandisten kämpfen.
Dieser Artikel erschien am 23. April 2024 auf der website der us-amerikanischen trotzkistischen Gruppe „Speak out now“: https://speakoutsocialists.org/columbia-students-spark-a-larger-uprising/