Noch mehr Öl ins Feuer?

Acht Wochen dauert der Krieg in der Ukraine mittlerweile an, mit seinen täglichen Bildern zerstörter Städte und 12 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind. Die Eskalationsspirale dreht sich weiter und es könnte noch schlimmer kommen. Russland hat Mariupol im Südosten weitgehend zerstört und eingenommen und konzentriert sich auf den Osten des Landes. Scholz, der Bundeskanzler, führt uns währenddessen einen wahren Eiertanz auf und sucht angeblich nach der Superlösung, um zu verhindern, dass „die NATO Kriegspartei wird“. Das ist längst nicht mehr die Frage. Was Sorge bereitet, ist wie weit diese Konfrontation der zwei großen wirtschaftlichen Blöcke noch geht.

Wenn die ukrainische Regierung immer lauter schwere Waffen (im Klartext: Schützenpanzer und Kampfflugzeuge) von der NATO und auch von Deutschland verlangt, dann hat das auffallende Zögern der deutschen Regierung nichts damit zu tun, dass sie grundsätzlich Waffenlieferungen und Aufrüstung ablehnt. Im Gegenteil! Nachdem Scholz den Ukraine-Krieg schon für sein beispielloses Aufrüstungsprogramm der Bundeswehr von 100 Milliarden genutzt hatte, hat er letzte Woche zusätzliche 2 Milliarden Euro für Waffenkäufe locker gemacht, mehr als eine Milliarde davon soll die Ukraine kriegen. Die Rüstungsindustrie kann sich freuen – über diese Regierung genau wie über diesen Krieg: Der Aktienkurs von Rheinmetall hat sich seit Kriegsbeginn mehr als verdoppelt.

Schon seit langem ist Deutschland unter den 5 größten Waffenexporteuren der Welt. Und unter den 10 Ländern, in die Deutschland in den letzten Jahren am meisten Waffen exportiert hat, befinden sich Ägypten (auf Platz 3), Saudi-Arabien und Katar. Alle drei sind am Krieg in Jemen beteiligt, der seit 2015 wütet und den Ukraine-Krieg als humanitäre Katastrophe noch in den Schatten stellt – auch wenn er in unseren Medien wenig präsent ist, weil es diesmal „Verbündete“ sind, die ihn führen.

Die deutsche Politik hat nichts damit zu tun, dass ihnen die Ukrainer:innen oder sonst wer plötzlich ans Herz gewachsen wären. Wenn die Bundesregierung aktuell nur „leichte Waffen“ in die Ukraine liefert, ist das Ausdruck des Versuchs, zwischen den großen Lagern zu lavieren. Scholz hat die USA und die anderen NATO-Verbündeten im Nacken. Aber Scholz hat auch die deutschen Konzerne im Nacken, und für einige von ihnen ist Russland ein sehr interessanter Markt. Siemens zum Beispiel hat 2019 einen Milliarden-Auftrag zum Bau von Hochgeschwindigkeitszügen für die russische Staatsbahn abgeschlossen. Momentan ist die Auslieferung der Züge gestoppt, wie viele andere Russland-Geschäfte, doch die Unternehmen warten darauf, sie wieder aufzunehmen. Dazu kommen die Lieferungen von Erdöl und Erdgas aus Russland. Deutschland ist nicht bereit, diese Interessen komplett aufzugeben.

Wer kann diesen Irrsinn stoppen?

Die kapitalistische Weltwirtschaft ist ein Hauen und Stechen um Einflusssphären und Vorherrschaft und sie gerät immer mehr aus den Fugen. Die Bundeswehr selbst ist in Militäreinsätze in Afrika involviert. Im Schatten des Ukraine-Krieges hat die Türkei die Kurd:innen Nordiraks überfallen. Israel bombardiert wieder Gaza. Das Schweigen der westlichen Regierungen hierauf, auch das der deutschen, ist umso auffälliger, als die Töne gegen Putin so aggressiv sind. Aber wenn die Angreifer Verbündete sind, sind die „Regeln“ andere.

An vielen Ecken und Enden wird dieses kapitalistische System immer verrückter, nicht zuletzt durch die Inflation, die immer weiter angeheizt wird. Die Arbeitenden weltweit zahlen auf unterschiedliche Weise: Mit ihren Leben auf den Schlachtfeldern, mit zunehmendem Hunger in weiten Teilen der Welt, die von russischem und ukrainischem Getreide abhängig sind, und mit steigenden sozialen Problemen überall. Dabei sind die Arbeitenden auch diejenigen, die das Potenzial haben, diesem mörderischen Treiben Einhalt zu gebieten. Denn ohne uns Arbeitende funktioniert weder die Wirtschaft noch die Gesellschaft, nicht einmal ein Krieg.

22. April 2022
Sabine Müller und Richard Lux, Berlin

Einen Schwerpunkt mit verschiedenen Artikeln zum Ukraine-Krieg gab es in Aurora Nr. 24 (April 2022).

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