Nehmt ihr uns eine*, antworten wir alle! Femizide in Österreich

Zwischen Jänner und Mai 2021 kam es zu 14 Femiziden in Österreich. All diese Frauen* wurden durch Männer ermordet, mit denen sie in einem Naheverhältnis standen oder gestanden sind. Nahe Bekannte, Verwandte, Partner oder Ex-Partner. Femizide sind Morde an Frauen* aufgrund ihres Geschlechts und ihrer damit verbundenen gesellschaftlichen Stellung. Diese schlimmste Form der Gewalt ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs einer zutiefst sexistischen und strukturell gewalttätigen Gesellschaft.

Österreich ist das einzige EU-Land, in dem mehr Frauen* als Männer er­mordet werden. Die 14 ermordeten Frauen* reihen sich nahtlos in die düstere Statistik der in Österreich begangenen Femizide ein. Es ist somit keine Ausnahme, dass so viele Frauen* aufgrund ihres Geschlechts ermordet werden, sondern seit längerem bitterer Alltag. Die Medien kamen im April und Mai kaum noch mit der Berichterstattung über die aktuell begangenen Taten hinterher. Und auch wenn nun immer häufiger der Begriff „Femizid“ fällt, verwenden Boulevardmedien nach wie vor die Bezeichnungen „Liebestat“, „Beziehungsdrama“, „Mord aus Eifer­sucht“ oder „Familiendrama“ um die Morde an den Frauen* und die ge­schlechtsspezifische strukturelle Ge­walt zu verharmlosen. Es sind keine nackten Zahlen, keine Liebestaten, keine Dramen, keine Einzel­schicksale. Es sind Frauen*, die mit Benzin übergossen und angezündet, die erschossen wurden, es sind Frauen*, die durch sexistische Ge­walt ums Leben kamen – einfach, weil sie Frauen* sind.

Gerade der 9. Femizid am 29.4.2021 erlangte traurige Aufmerksamkeit und löste eine Welle der Empörung aus. Der Täter, der seine Ex-Partnerin ermordet hatte, war der in Österreich bekannte „Bierwirt“, der vor einigen Jahren die jetzige Klubobfrau der Grünen Sigrid Maurer verklagt hatte, weil sie die sexistischen und übergriffigen Nachrichten von ihm über Social Media veröffentlicht hatte. Es ist aber keine Seltenheit, dass Täter vor den Ermordungen polizeibe­kannt sind.

Antwort und Maßnahmen der türkis-grünen Regierung

Die Reaktion der türkis-grünen Regierung zeigte sich mal wieder schnell in heuchlerischer Betroffen­heit und fahlen Ankündigungen. Die Grünen kündigten eine Präventions­kampagne an, die türkise Frauen­ministerin beschloss mit dem Innen­minister und der Justizministerin Maßnahmen, die vor allem die Sicherheitsbehörden betreffen. All das geschah wieder einmal ohne Ein­beziehung von Personen aus der Praxis, ohne den Beschäftigten der Frauenhäuser oder anderen Institu­tionen des Gewaltschutzes.

Statistiken und Daten sollen neu er­hoben und Erkenntnisse, die längst vorhanden sind, generiert werden. Die Frauenministerin behauptet fälschlicherweise, das Gewaltschutz­budget wäre in den letzten Jahren verdoppelt worden. Die Situation der Frauen* in Österreich ist dieser Re­gierung schlichtweg egal, das gesamte „Frauenbudget“ beträgt ins­gesamt weniger als 15 Millionen Euro. Im Vergleich dazu beträgt die PR der ÖVP 73 Millionen Euro. Es bräuchte alleine um den Gewalt­schutz angemessen aufrecht­zuerhalten 3.000 zusätzliche Bera­tungsstellen und etwa 280 Millionen Euro.

Ni una menos!

In Südamerika ist in den letzten Jahren eine starke Frauen*bewegung gegen Femizide unter dem Slogan #ni una menos (nicht Eine mehr) entstanden, die viele Tausende auf die Straßen bringt. Auch in Öster­reich finden nach jedem Frauen*mord Demonstrationen statt, die auch stark von süd­amerikanischen Frauen* getragen werden. Solidarität und ge­meinsamer Kampf sind starke Werk­zeuge in dieser frauen*feindlichen Gesellschaft.

Der Kapitalismus baut als patriar­chales Herrschafts- und Ausbeu­tungssystem auf Sexismus, geschlechtsspezifischer Arbeits­teilung und sexistischer Gewalt auf, um die Profitmacherei und sein Be­stehen gewährleisten zu können. Es geht nicht darum, die gewalttätigen und mordenden Männer zu ent­schuldigen, ihnen ihre Verant­wortung für ihre Taten abzusprechen, sondern darum, die strukturellen Zusammenhänge in unserer Gesell­schaft aufzuzeigen und zu be­kämpfen. Die Abschaffung von ge­schlechtsspezifischer Gewalt und Femiziden wird im Kapitalismus nicht möglich sein, daher müssen wir uns gemeinsam organisieren und Widerstand von unten aufbauen. Da viele Frauen* aufgrund finanzieller Abhängigkeit in gewaltvollen Bezie­hungen bleiben, müssen wir in Be­trieben für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Arbeitszeitverkürzung und gegen prekäre Arbeitsverhältnisse kämpfen. Spekulationsobjekte müssen sofort enteignet werden, um schutzsuchenden Frauen* und Kindern einen sicheren Wohnort zu geben und mehr Anlaufstellen zu schaffen. Statt der Finanzierung der Polizei, muss das Geld in Prävention, Frauenhäuser und Gewaltschutzin­stitutionen fließen. Wir brauchen eine gemeinschaftliche Organisie­rung des Gesundheits- und Care-Bereichs, damit Frauen* nicht länger in private Mehrarbeit und weitere Abhängigkeit gedrängt werden. Wir müssen gegen rassistische und sexis­tische Politik kämpfen, um die Spal­tung in der Gesellschaft, die nur den Herrschenden hilft, zu überwinden. Wir müssen die Kämpfe, die bereits existieren, zusammenführen. Solida­rische Organisierung und feministi­scher Klassenkampf von unten werden schlussendlich den größten Schutz vor sexistischer Gewalt bieten.

Endnote: Per 12. Mai laut Autonomen Frauenhäusern 14 Femizide in Österreich.

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