Libyen: Weg mit Gaddafi und seinen Freunden

Nachdem die Tunesier und Ägypter durch wochenlange
Demonstrationen und Streiks ihre Diktatoren stürzen
konnten, ist noch lange kein Ende der Revolutionswelle
in Nordafrika in Sicht. Seit gut zwei Wochen sind auch
in Libyen Proteste ausgebrochen, um den seit über 40
Jahren regierenden Diktator Muammar al-Gaddafi zu
stürzen. Noch hält er sich mit brutaler Gewalt in Tripolis
an der Macht, obwohl bereits große Teile des Landes
in der Hand der aufständischen Bevölkerung sind.

Wie auch bei Tunesien und Ägypten reagieren die
Westmächte eher verhalten. Die USA haben erst vergangene
Woche die Konten der Gaddafi-Familie einfrieren
lassen; die EU beschloss diese Woche formal
Sanktionen gegen Libyen. Verwunderlich? Dieses Land
ist der drittgrößte Erdölexporteur der Welt, es hat angeblich
die größten Ölreserven Afrikas. Mehr als 85%
der libyschen Erdölexporte gehen nach Europa. Und
2010 flossen rund 6,6 Millionen Tonnen Erdöl nach
Deutschland. Auch deswegen wurden von deutschen,
französischen und italienischen Firmen Milliarden in
Libyen investiert. Die BASF-Tochter Wintershall investierte
zwei Milliarden Dollar. RWE verfügt über riesige
Nutzungsrechte für die Öl und
Gasförderung. Die westlichen
Staaten und Unternehmen fürchten um ihre
Investitionen und das Erdöl. Sie wollen und brauchen
um jeden Preis eine „stabile Regierung“ in Libyen.

Und die Heuchelei geht weiter!

Schon zwischen 1965 und 1983 wurden libysche Soldaten
von der deutschen Bundeswehr ausgebildet. Die
Bundesregierung und der Diktator pflegten freundschaftliche
Beziehungen – auch wenn dieser sich „Revolutionsführer“
nannte und sich sozialistisch gab.

Und auch, als sich das Verhältnis aufgrund eines vonGaddafi unterstützten Terroranschlags über Schottland
scheinbar abkühlte, blieb Libyen immer interessant.
Nachdem es von den USA 2003 aus der „Liste der
Schurkenstaaten“ gestrichen wurde, entwickelte sich
Libyen zum wichtigen Erdöllieferanten und verlässlichen
Verbündeten gegen die Flüchtlinge aus Afrika.
Die EU gaben Gaddafi Milliarden, um die „Festung Europa“
zu sichern, und der italienische Premier Berlusconi
küsste sogar Gaddafis Händchen aus lauter Dank
für das viele Öl und immer weniger Asylanten.

Die EU schreit nach Menschenrechten

Obwohl für alle westlichen Mächte klar war, dass der
Führer Libyens sich nicht viel um Menschenrechte
scherte, schreien sie jetzt laut auf und kritisieren seine
brutale Vorgehensweise gegen die Demonstrant en.
Dabei wurden doch seit Jahren Armutsflüchtlinge in
überhitzten und maßlos überfüllten Flüchtlingscamps
eingepfercht, geschlagen, gedemütigt, gefoltert und
sogar ermordet – zum Teil mit EU-Geldern.
Mehrere
tausend Menschen wurden ohne Lebensmittel und
Trinkwasser mitten in der Sahara ausgesetzt. Und die
ach so moralischen Länder der EU übersahen Gaddafis
menschenrechtsverletzende Politik ganz einfach.
Denn für sie zählte das Ergebnis: weniger Flüchtlinge
erreichten Europa.

Waffen aus dem Westen

Militärische Güter aus der westlichen Welt fl orieren
schon länger auf dem libyschen Markt und in den Händen
des Diktators. Allein 2009 lieferten die EULänder
Rüstungsgüter im Wert
von mehr als 344 Millionen
Euro. Aus Deutschland
kamen nicht die
meisten Waffen, dafür
aber bestes Fachpersonal
aus Polizei und Militär,
welches die libysche Armee
ausbildete und ihr
das nötige „Knowhow“
vermittelte – zur Unterdrückung
der Bevölkerung.
Auch verkauften
deutsche Firmen Militärelektronik wie z. B. Störsender, welche
das Gaddafi-Regime höchstwahrscheinlich
einsetzte, um die rebellierende
Opposition zu entkräften, indem z. B.
die Internet- und Mobilfunknetze blockiert
wurden.

Zurzeit werden Kriegsschiffe
von Deutschland u. a. Nationen
vor die libysche Küste entsandt. Unter
dem Vorwand, Staatsbürger zu evakuieren,
schließt der europäische Auswärtige
Dienst eine militärische Intervention
nicht aus. Wohl kaum, um
Gaddafi zu schützen – wohl aber ihre
Profite und Interessen.

Gaddafis Macht neigt sich immer mehr
dem Ende zu. Die libysche Bevölkerung
ist überzeugt, ihn stürzen zu können.
Am 27. Februar gründeten einige Oppositionelle
einen „Nationalen Übergangsrat“,
der sich selbst als das „Gesicht
der Revolution“ bezeichnet. Wer
ist jedoch diese Opposition? Liefen denn
nicht auch alte Regimefreunde wie z. B.
Innenminister Junis zur Opposition
über? Und in Tunesien sehen wir, dass
es nicht ausreicht, den Diktator zu stürzen,
um eine wirkliche Demokratie zu
erreichen. In den letzten Tagen gingen
auch dort wieder mehrere Tausend
Menschen auf die Straßen, aus Angst,
dass ihre Forderungen nach „Freiheit
und Brot“ von der Übergangsregierung
verraten werden. Auch die neue Regierung
ließ ohne Rücksicht auf Verluste
auf sie schießen. Es reicht nicht aus,
nur die Köpfe auszuwechseln, sondern
es muss das gesamte System verändert
werden!

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