Für diesen Film von Andreas Dresen über Hilde Coppi, eine Widerstandskämpferin der „Roten Kapelle“ gegen den Nationalsozialismus, braucht man starke Nerven. Er zeigt ihre letzten Lebensjahre, vor allem aber ihren Leidensweg in Gestapo-Haft bis zu ihrer Enthauptung.
Am Anfang steht ihre Verhaftung, doch die beklemmenden Verhör- und Gefängnisszenen werden immer wieder durch Rückblenden unterbrochen und aufgelockert, in denen Hilde im Widerstand an der Seite ihres Mannes Hans Coppi gezeigt wird.
Der Film stellt die menschliche Seite seiner Hauptfiguren und das individuelle Schicksal von Hilde und ihrer Familie in den Vordergrund, über die historischen Hintergründe und politischen Motive erfährt man sehr wenig. Das sei hier nachgeliefert:
Die „Rote Kapelle“
Der Name wurde der Gruppe von der Gestapo (Geheimpolizei der Nazis) gegeben. Als Kapelle bezeichnete man in Geheimdienstkreisen Funkstationen, die Informationen (Musik) ans Ausland senden – in diesem Fall an die „rote“ Sowjetunion (SU). 1938 war der jüdische Kommunist Leopold Trepper vom sowjetischen Geheimdienst nach Westeuropa geschickt worden, um ein Netz von Tarnfirmen und Sendestationen aufzubauen, die im Kriegsfall gegen Deutschland spionieren sollten. In seinem Buch „Die Wahrheit“ von 1975 rechnet er schonungslos mit Stalin und dem Stalinismus ab, auch wenn er sich ihm selbst untergeordnet hat. Als Stalin zu Beginn des Weltkriegs seinen Pakt mit Hitler schließt, wird Trepper sogar befohlen, die spätere „Rote Kapelle“ wieder aufzulösen, doch diese Anweisung befolgt er nicht. Im Gegensatz zu Stalin ist er überzeugt, dass es bald zum Krieg zwischen Nazi-Deutschland und der SU kommen wird und sein Agentennetz liefert Informationen zu den deutschen Angriffsvorbereitungen, die von Stalin in den Wind geschlagen werden. Als Hitler im Juni 1941 die SU überfällt, wird die „Rote Kapelle“ für über ein Jahr eine entscheidende Informationsquelle für die Rote Armee.
Im Herzen der Nazi-Bestie, in Berlin, gibt es eine Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen, der im Reichsluftfahrtministerium Zugang zu höchsten Kreisen hat: Luftwaffen-Chef Hermann Göring war sein Trauzeuge. Schulze-Boysen nimmt Kontakt zu den Sowjets auf und seine Widerstandsgruppe wird Teil der „Roten Kapelle“. Eigentlich gibt es verschiedene Zirkel und Freundeskreise um Schulze-Boysen, die ihr Widerstand gegen den Nationalsozialismus verbindet – manche kommunistisch, andere eher bürgerlich-liberal. Doch beschäftigen sie sich nicht nur mit Informationsweitergabe, sondern sie geben illegale Flugschriften heraus, machen nächtliche Klebeaktionen in Berlin, organisieren Verstecke und Fluchtmöglichkeiten für Jüd:innen etc.
Hans Coppi ist ein kommunistischer Metallarbeiter, der schon als 18-jähriger zwei Monate im KZ Oranienburg verbracht hat, und 1941 zum Funker der Gruppe ausgebildet wird. 1940 haben Hilde und er geheiratet, die sich im Widerstand kennengelernt haben. Der Film zeigt, wie gemeinsame Überzeugungen eine Gruppe von Freund:innen zusammenschweißen können und wie sie erhobenen Hauptes bereit sind, für diese Überzeugungen in den Tod zu gehen. Durch Gespräche in der Todeszelle zwischen Hilde und einem solidarischen Pfarrer wird der Film sehr emotional. Hilde selbst scheint hauptsächlich ihrer Freunde wegen in der Gruppe mitzuwirken, am Ende wird sie trotzdem als „überzeugte Kommunistin“ verurteilt und hingerichtet. Hildes Zeit im Knast, wo sie noch einen Sohn zur Welt bringt, zeigt deutlich, wie schlimm die Inhaftierten schikaniert, physisch und psychisch gefoltert wurden. Es ist beängstigend zu sehen, mit welcher Gnadenlosigkeit politisch Oppositionelle, vor allem Kommunist:innen, durch das Naziregime verfolgt und getötet wurden. In einer Szene wird auf die Barbarei der KZs – Oranienburg und Ravensbrück werden genannt – angespielt, in denen neben politischen Gegner:innen auch sogenannte „Asoziale“, queere, arme und unkonventionell lebende Menschen systematisch verfolgt wurden. Aber auch hier wird auf Erklärungen verzichtet.
Der Film ist bewegend und sehenswert, aber mehr politische Inhalte hätten ihm gutgetan.
Richard Lux und Hannah Latz, Berlin