Erdogan? Lukaschenko? Die Festung Europa!

Und wieder einmal eskaliert die Lage an den Außengrenzen der Europäischen Union. Das ist ja auch nichts Neues, aber dieses Mal hat sich das Bild etwas verändert. Das Bild, oder die Bilder, die wir zunehmend sehen, machen es schwer, nicht zynisch zu werden aus Wut und Trauer. Tausende Menschen sammeln sich an den Grenzzäunen zwischen Polen und Belarus. Menschen, die meist aus Syrien, Afghanistan und dem Nordirak geflohen sind, kommen mit Flugzeugen aus Istanbul nach Minsk und versuchen von dort an die Außengrenze der EU zu gelangen. Diese gibt es zu Polen, Litauen und Lettland. Doch die Europäische Union möchte gar nicht, dass diese Menschen reinkommen. Deshalb ist der grundlegende Ton in den Medien, dass Lukaschenko die EU erpressen will mit den nicht abreißenden Menschenströmen. Er möchte die Aufhebung der Sanktionen gegen Belarus erreichen. Erst dann wird er auch seine Grenzen wieder schließen und die Menschen sitzen wieder in den Ländern fest, wo sie das Pech hatten, geboren zu sein.

Ganz besonders im Fokus der aktuellen Geschehnisse steht auf der anderen Seite auch Polen. Polen seinerseits ist Teil der Europäischen Union — von einer rechten Regierung geführt.

„Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten

Und diese Regierung sorgt jetzt brav dafür, dass die Leute nicht durch den NATO-Drahtzaun gelangen, der die Grenze noch ziert. Noch, denn eine Mauer an der Außengrenze zu errichten ist schon geplant. Und bis dahin prakti­ziert man die sogenannten „Pushbacks“, das bedeutet, dass man die Menschen, wenn sie es doch über die Grenze schaffen, auf schnellstmöglichem Wege wieder hinter diese bringt. Eine Praxis, die tatsächlich sogar nach EU-Recht illegal ist. Aber gerade ist ja auch alles unübersichtlich, da weiß niemand, wer in welche Richtung überhaupt die Grenze überschreitet.

Furchtbar ist auch, dass durch den von Polen verhängten Ausnahmezustand weder Presse noch Hilfsorganisationen in den Grenzbereich dürfen, um Menschen zu helfen. Das erspart einem auch die Bilder, die man ja eh schon zu Genüge kennt.

Dennoch dringen über Social Media Szenen zu uns, die einen die Situation in ihrem vollen Ausmaß nur erahnen lassen. Menschen campieren bei winterlichen Minustemperaturen, häufig misshandelt,  ohne Essen und Ausrüstung, Hilfe und Versorgung – ganz abgesehen von den Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit Covid 19 – in den Wäldern an der Grenze.

Die Lage eskaliert zusehends und die EU schaut zu und verhandelt über Sanktionen gegen diese unmenschliche Praxis, für die laut Sprecher:innen der Union und der Außenminister:innen allein Despoten wie Erdogan und Luka­schenko verantwortlich sind.

Klar ist, dass weder der eine noch der andere irgendein Interesse an dem Leben der Menschen hat, die an der bela­russischen Grenze ausharren und dringend Hilfe brauchen. Aber auch die Vertreter:innen der EU, die nicht müde werden zu betonen, dass dies ein Akt der Unmenschlichkeit ist, nicht. Und das war‘s jetzt erst mal. In der entsprechen­den Logik werden sich also in den nächsten Wochen und Monaten immer mehr Menschen an der Grenze sammeln, aber „wir lassen uns doch nicht von einem Despoten als Geiseln nehmen“ heißt es aus verschiedenen offiziellen Ecken. Wir lassen uns also nicht als Geiseln nehmen, um Menschen, die auf der Suche nach einem würdigen Leben von einer in die andere Notsituation stolpern, erst mal das Leben überhaupt zu retten.

Und so fällt es schwer, nicht zynisch zu werden, wenn man mitbekommt, wie Machtkämpfe ausgetragen werden, über die Köpfe der Menschen hinweg, über die Leben von Menschen hinweg.

Flucht, ihre Gründe und Ursachen bestimmen den politischen Diskurs, werden instrumentalisiert von Rechts und wie jetzt auch für ideologisch überpinselte Machtkämpfe genutzt. Die Menschenleben und die tatsächlichen Gründe fallen dabei hinten herunter.


Die Situation, wie sie gerade stattfindet, ist kein Einzelfall. Menschen müssen überall auf der Welt fliehen, vor Hunger, Klimakatastrophen und Krieg, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. Europa verstärkt die Mauern an den Außen-grenzen zunehmend, Polen und Ungarn planen Mauern, Spanien zum Beispiel hat schon welche gebaut. Und wir müssen gemeinsam eintreten gegen die Maßnahmen gegen Geflüchtete, genauso wie auch gegen die Fluchtursachen an sich. Was es braucht, sind offene Grenzen und ein Bleiberecht für Alle!

Maria Brücke, Berlin

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