Das Russland-Geschäft deutscher Unternehmen

Seit Beginn des Krieges sind westliche Unternehmen im Rahmen der Sanktionen aufgefordert, ihre geschäftlichen Beziehungen nach Russland einzuschränken. Dass die EU abhängig ist von russischen Öl- und Gas-Importen, wurde bereits oft beschrieben, doch wie sieht es mit den Exporten nach Russland aus und welche deutschen Konzerne haben in Russland investiert?

Nach Angaben der Deutschen Bundes­bank wurden im Jahr 2019 472 Unternehmen in Russ­land von deutschen Inves­tor:innen kontrolliert. Diese be­schäftigten knapp 129.000 Menschen und erwirtschafteten einen Jahres­umsatz in Höhe von 38,1 Mrd. Euro. Einen großen Anteil daran haben die Auto- und die chemisch-pharmazeutische Industrie. Letztere ex­portierte 2020 Waren im Wert von mehr als 4,3 Milliarden Euro nach Russland. Die Direktinvestitionen deutscher Chemie-unternehmen in Russland be­liefen sich 2019 auf fast 2,1 Mrd. Euro. Bekannte Firmen sind Bayer, BASF und Stada. Laut Branchenverband VDA betreiben deutsche Autohersteller und Zulieferer 49 Fertigungsstandorte in Russland. Großen Anteil daran haben VW, Daimler und Bosch. Letzerem wurde von der Ukraine vorgeworfen, an russischen Militärfahrzeugen mitgebaut zu haben. 2,4 % aller Exporte von VW gehen nach Russland. Deutsche Auto­bauer machen 20 % des russischen Marktes aus.

Der Umgang mit den Sanktionen

Viel mediale Beachtung fand, dass McDonald’s am 8. März seine 847 Res­taurants in Russland schloss. Der Fast-Food Konkurrent Domino’s Pizza hält seine Filialen dagegen weiterhin offen, weil alle Filialen über ein Franchise­konzept funktionieren. Die IT- und Tele­kommunikationsunternehmen kennen – vom Wesen ihrer Aktivität her – am wenigsten Grenzen. Vodafone hat zum Beispiel in Russland Bandbreiten ge­kauft, um sie mit Hilfe einer Tarnfirma in Afrika für ein Vielfaches zu verkaufen. Durch die Sanktionen ist dieses lukra­tive Geschäft nicht mehr möglich. Laut Kolleg:innen wendet Vodafone die Sank­tionen widerwillig an. Die Betriebslei­tung beschwert sich über die Gewinn­ausfälle und fordert Sparmaßnahmen ein. Mitarbeiter:innen sollen Geschäfts­reisen reduzieren und Kolleg:innen in Subunternehmen wurden gekündigt. Diese Maßnahmen wurden gleich zu Be­ginn des Krieges durchgeführt, vorsorg­lich, um die bisher gehorteten Gewinne des Unternehmens zu schützen.

Siemens dagegen zeigt bedeutend mehr Willen, die Politik der deutschen Regie­rung umzusetzen. Das Unternehmen, welches in 190 Ländern aktiv ist, kün­digte Anfang März in einem internen Newsletter an alle Kolleg:innen (außer den russischen) eine weltweite Politik gegenüber Russland und Belarus an. Ex­plizit wird gewarnt, dass in der Kommu­nikation mit den Kolleg:innen in Russ­land das Wort Krieg im Zusammenhang mit der Ukraine nicht benutzt werden darf. Denn die russischen Mitar­beiter:innen könnten bei Benutzung des Wortes Krieg bestraft werden. Laut dem Siemensvorstand sind die russischen Kolleg:innen zur Zeit „vorübergehend in bezahltem Urlaub“. Siemens möchte die Beziehungen so schnell wie möglich „normalisieren“, spricht sich dabei aber klar gegen den Krieg aus. Das Russland­geschäft macht auch nur 1 % des Umsatzes aus.

Die Sanktionen sind Teil eines wirt­schaftlichen Kriegs. Für Großbetriebe wie Siemens, VW oder BASF steht ein Geschäft auf dem Spiel. Daher versuchen sie, die Mitarbeiter:innen in diesen Kampf mit einzubeziehen. Siemens zum Beispiel erwähnt die schwierige Corona-Zeit und fordert die Belegschaft auf, dieser neuen schwierigen Zeit zu trotzen.

Die Gewerkschaft IG Metall spielt die­selbe Leier. Die Sanktionen seien Maß­nahmen, „die uns allen Opfer abver­langen werden“. Die große Solidarität der Beschäftigten mit der ukrainischen Bevölkerung wird ausgenutzt. Und die IG-Metall-Führung hilft unter diesem Vorwand mit, die Gewinnausfälle oder andere Schwierigkeiten der Unter­nehmen auf die Belegschaften abzula­den, wie auch schon unter Corona. Mit dieser Politik haben wir nichts zu tun.

Karl Gebhard, Lorenz Wassier und Sabine Müller, Berlin

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