Was haben uns die Qualitätsmedien nicht alles über die Jugendlichen einreden wollen. Sie seien Smartphone-geschädigt und hätten eine Aufmerksamkeitsspanne wie ein Goldfisch und denken vor allem an Freizeit. Doch seit der Nachricht, dass die Bundeswehr – trotz einer bisher beispiellosen Werbekampagne – die der NATO schon vor Jahren versprochenen Planstellen fürs Kanonenfutter partout nicht voll bekommt, wissen wir, die Jugendlichen sind viel schlauer als den Möchtegern-Warlords lieb ist.
Doch mit der weltweiten Zunahme wirtschaftlicher Konkurrenz und Lagerbildung, Krieg und Kriegsdrohungen, ist es der Kapitalistenklasse und ihren Helfer:innen in den Regierungen ein ernsthaftes Anliegen, die verbreitete Anti-Kriegsstimmung auf Kriegsbereitschaft zu drehen. Für einen großen Krieg sind zwingend hochmotivierte Soldat:innen erforderlich, die freudig erregt dem Heldentod für Vaterland und Kapital entgegenfiebern sowie ein Hinterland, das klaglos alle Belastungen und Zumutungen des Krieges erträgt. Doch um einen solchen Zustand partieller geistiger Umnachtung zu erreichen, bedarf es gezielter Bearbeitung von Armee und Bevölkerung.
Beeindruckend war schon mal, wie reibungslos und schnell die Gleichschaltung der Redaktionen aller relevanten Leitmedien im Februar 2022 auf die „Zeitenwende“ und die Aufrüstung Deutschlands ging. Als nächstes empfehlen die Handbücher der kognitiven Kriegführung ein paar eingängige und einfache Thesen so lange zu wiederholen, bis sie niemand mehr in Frage stellt. Also – Russland bedroht den ganzen Westen, die NATO ist hoffnungslos unterlegen, die Bundeswehr ist ein absoluter Schrotthaufen, ohne eine umfassende und schnelle Aufrüstung sind wir alle verloren und müssen 2025 in Sibirien Schnee schippen … Kurz gesagt: „Deutschland muss kriegstüchtig werden“. Steter Tropfen höhlt das Hirn.
Auffällig war auch, dass mit dem Frühjahr 2022 die ersten Umfragen auftauchten, dass plötzlich die Mehrzahl der Deutschen ihre Soldat:innen ganz dolle lieb hätten. Sicher, Umfragen der Bundeswehr über sich selbst sind schon ein wenig problematisch, zumal wenn parallel durchgeführte Umfragen das Gegenteil erbrachten. Wurscht, auch hier gilt das Prinzip des steten Tropfens.
Ganz wichtig ist es, die Bevölkerung langsam an die neue Normalität von Soldaten in der Öffentlichkeit zu gewöhnen. Dazu gehört, dass schon seit 2020 das Bahnfahren in Uniform kostenlos ist. Letzten Juli forderte CDU-Chef Merz, dass die Bundeswehr freien Zugang zu den Universitäten haben soll. Die „Zivilklauseln“ von Universitäten, die sich verpflichten, nur für friedliche Zwecke Forschung zu betreiben, seien „nicht mehr zeitgemäß“. Die Bundesbildungsministerin forderte im März Zivilschutzübungen an den Schulen und mehr Bundeswehroffiziere, die den Schüler:innen die Vorteile der Bundeswehr erklären sollen und überhaupt ein „unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr.“ Auch der vom Fußballverein Borussia-Dortmund abgeschlossene 20-Millionen-Werbevertrag mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall gehört da mit hinein. Natürlich geht niemand davon aus, dass künftig die Borussia-Ultras mit Leopard-Panzern zum Auswärtsspiel nach Leverkusen brettern. Nö, auch hier geht es ausschließlich um Gewöhnung und Normalität. Die Rüstungskonzerne sollen aus der Schmuddelecke raus. Es hat allerdings Protest von den Fußballfans gehagelt.
Bisher hat die Bundeswehr den Ehrenhain für ihre „im Einsatz Gefallenen verschämt hinter Kasernenmauern im Stahnsdorfer Forst versteckt. Doch seit diesem Jahr gibt es einen offiziellen Veteranentag.
Die bisherigen Rekrutierungskampagnen der Bundeswehr waren aber nicht besonders erfolgreich. Nach aktuellen Wünschen militärischer Kreisen braucht Deutschland 400.000 Zeit- und Berufssoldaten zuzüglich Reservisten. Deutschland soll schließlich eine zentrale Rolle in der NATO spielen. Aktuell sind es aber nur 181.500, Tendenz eher fallend. Neue TikTok-Influencer sollen die Jugend begeistern. Was die AfD auf TikTok schafft, schafft die Bundeswehr schon lange …?
Auch beim Umgang mit der Wehrpflicht-Diskussion erweist sich Verteidigungsminister Pistorius als Polit-Profi. Jeder, der was von der Sache versteht, winkt derzeit ab, denn die Bundeswehr selbst wäre darauf gar nicht vorbereitet. Aber es geht um die Zukunft. Deshalb sollen ab nächstes Jahr alle 18-Jährigen eines Jahrgangs mit einem Fragebogen und Informationsmaterial angeschrieben werden. Die Jungs – und wahrscheinlich auch die Mädchen – sind dann verpflichtet, sich zur Bereitschaft und Fähigkeit für den Wehrdienst erklären. Auf dieser Basis wird es Musterungen geben und – anfangs – sollen so 5.000 junge Leute rekrutiert werden mit Versprechungen von kostenlosem Führerschein, Studium und Weiterbildung. Wenn alles klappt, würden diejenigen, die den neuen Wehrdienst absolviert haben, ihre tollen Erfahrungen von Kameradschaft und Ordnung und Disziplin an ihre Kumpels weitergeben. Die besten Influencer sind die jungen Soldat:innen selbst … so das Kalkül, bis die Zeit für Massenwehrpflicht gekommen ist. Die Scholz´sche „Zeitenwende“ hat viele Ebenen. Die Vorbereitung vor allem der Jugend auf kommende Kriege gehört dazu.
Dimitri Otto, Berlin