Künstliche Intelligenz im Kapitalismus

Unwichtig, wie nützlich oder nutzlos es auch für Nutzer:innen ist, haben die meisten großen Tech-Unternehmen es geschafft, KI (= künstliche Intelligenz) in fast jeden Aspekt der digitalen Sphäre einzubringen. Ob der Meta-Assistent auf Whatsapp oder Instagram wirklich einen Beitrag für die Konsument:innenerfahrung leistet, oder die häufig falsche Gemini-Zusammenfassung auf Google tatsächlich zu schnelleren, genaueren und überschaubaren Suchergebnissen führt, spielt dabei kaum eine Rolle. Auch wenn man nicht möchte, dass das Youtube-Video mit monotoner KI-Stimme vorgelesen wird, müssen die Youtube-Künstler:in und die Zuschauer:innen sich dem Fortschritt fügen. Denn der Hype lebt!

KI ist der große Tech-Trend des Jahrzehnts, nachdem Kryptowährung und die von Tech-Superreichen angepriesene virtuelle Utopie des Metaversums sich als unsichere und kurzfristige Spekulationen der digitalen Industrie herausstellten. Und zweifellos steckt die Entwicklung der KI noch in den Kinderschuhen, ihr Potenzial erscheint aber gewaltig. Bei vielen stellt die Nutzung von KI inzwischen eine Alltagssache dar, wie eben die Internetrecherche, die Erstellung von Terminplänen oder kurze Rechnungen. Doch was der Prozess vom Eintippen bei ChatGPT bis hin zur fertigen Antwort beinhaltet und was seine langfristigen Folgen sein könnten, das bleibt den meisten fern.

Umweltschäden

Die gewaltigen Server, auf denen die elektronischen Rechenzentren der KIs untergebracht sind, müssen nämlich gekühlt werden, was die Stromkosten der ohnehin schon krass energiehungrigen Superserver noch vervielfältigt. Wegen den hohen Energiekosten der Microsoft-KI sieht sich Microsoft bereits gezwungen, ein Atomkraftwerk auf der Three Mile Island, auf der 1979 bereits wegen einer Kernschmelze bis zu 140.000 Menschen evakuiert werden mussten, wiederzueröffnen.

Mehrere Schauspielagenturen stehen derzeit in Verhandlungen, um die KI-„Schauspielerin“ Tilly Norward
[eigentlich Norwood] unter Vertrag zu nehmen, die vom
KI-Studio Xicoia entwickelt wurde.

Zudem kostet die Kühlung auch trinkbares Wasser, welches eine endliche Ressource ist und deren Verbrauch eine große Gefahr vor allem in Dürregebieten bedeutet. Beispielsweise soll Schätzungen der University of California zufolge, das bloße Training des veralteten und bereits ersetzten KI-Modells ChatGPT-3 rund 700.000 Liter Wasser verbraucht haben. Die neuen Versionen sollen die alten wohl in ihrem Wasserverbrauch übertroffen haben. Dass damit ein gewaltiger Schaden für die Umwelt einhergeht, muss erwähnt werden.

Aber auch in diesem Aspekt gibt es extrem üble Auswüchse, wie zum Beispiel die Firma xAI, die in ihrer Weiterentwicklung von Elon Musks KI Grok einige staatliche Regulationen umging: als im südlichen Memphis ein Serverraum zur Kühlung mit Turbinen, die so viel Strom kosten wie eine Kleinstadt, ausgerüstet worden ist, wurden diese durch Gasverbrennung versorgt. Das Ergebnis: die Anwohner:innen in Boxtown, welches primär von schwarzen Arbeiter:innen belebt wird, beklagen, kaum noch atmen zu können, die Asthmarate bei Kindern steigt, und giftiger Smog erfüllt die Luft meilenweit um den Serverraum.

Nein zu digitalen Klonen, Foto M. Tama, www.rollingstone.com

KI und Kunst

Nun ist das natürlich Normalbetrieb im Fleischwolf der kapitalistischen Produktionsweise; eine alte Technologie wird durch eine profitablere ersetzt und ob das Existenzgrundlage, Gesundheit oder Menschenleben kostet ist kurzfristig egal. Selbst mit der Kunst scheint das zu geschehen. Denn anstatt die wirklich schweren Lasten abzunehmen, scheint die Entwicklung von KI bei der Erstellung von Kunst am fortgeschrittensten zu sein. Selbst Videos können durch die Maschine generiert werden, die teilweise nur noch schwer von menschlich geschaffenem Bildmaterial unterscheidbar sind. Inzwischen entwickelte die Firma Xicoia sogar eine KI-generierte Schauspielerin, genannt “Tilly Norwood”. Die amerikanische Hollywood-Gewerkschaft SAG-AFTRA (Screen Actors Guild‐American Federation of Television and Radio Artists), reagierte: “Es löst kein „Problem“ – es schafft vielmehr das Problem, dass Schauspieler:innen durch gestohlene Darbietungen arbeitslos werden, ihre Existenzgrundlage gefährdet wird und die menschliche Kunst abgewertet wird.” Denn im Erstellungsprozess von KI-generierten Bildern muss die KI mit Daten “trainiert” werden. Im Falle von “Tilly Norwood” bedeutet das, dass man die Aufnahmen von Schauspieler:innen auswertet. So werden auch bei anderen Bilderstellungs-KIs Teile der künstlerischen Produktion ohne den Konsens der ursprünglichen Künstler:innen aus dem Netz gefiltert, zerhackt und zu einer unwirklich wirkenden Chimäre leidenschaftslos zusammengepresst. Im Kapitalismus gelangen die Erzeugnisse der gemeinschaftlichen Arbeit durch die private Aneignung in den Besitz der Kapitalist:innen. Durch KI kann nun auch die persönliche Kunst von den Rechten der Künstler:innen getrennt und als Produkt vermarktet werden. Die langen Finger des Marktes lassen keine Stelle der menschlichen Existenz unberührt. Jene Aspekte im Leben, durch die viele nach der Arbeit zurück zu sich selbst finden können und müssen, das natürliche Bedürfnis nach Selbstexpression zu befriedigen, das Schaffen von Kunst, kann das eine KI für uns erledigen? So ein Glück, dass das Tech-Kapital unsere Freizeit jetzt so effizient an Maschinen outsourcen kann, dann haben wir ja mehr Zeit zum Arbeiten! Generative KI wirkt dabei wie der ganz natürliche Prozess der Entwicklung der Produktivkräfte: wie die Webmaschine den Webstuhl ersetzte, so ersetzt OpenAI nun die Leinwand. Nur dass sie eben nicht den Teil des Alltags leichter macht, der die Arbeitenden entfremdet, sie den Großteil des Tages zum Knechten und Selbstzerstörung zwingt, sondern den Rest an Menschsein in uns zu ersetzen versucht. Nicht nur der objektive Wert der Arbeitskraft der Künstler:innen wird erniedrigt, sondern auch der subjektive Wert der Selbstexpression, welcher im nun automatisierten Prozess liegt.

KI als ideologisches Werkzeug

Auch wenn KI ein gesellschaftliches Produkt ist, welches seine Informationen von allen verfügbaren Webseiten, Diskussionen und Chats bezieht, ist es nicht frei von politischer Wirksamkeit und schon gar nicht von politischer Neutralität. Elon Musks Grok ist ein gutes Beispiel: weil der twitter-Chatbot dem Milliardär zu “woke” war, da Grok sich beispielsweise an den wissenschaftlichen Konsens bezüglich queerer Menschen hielt und die transfeindlichen Verschwörungstheorien Musks ablehnte, wurde Grok schon häufig abgeschaltet und Veränderungen vorgenommen. Einen queerfeindlichen Chatbot zu entwickeln, war nach Musk ja schon die ganze Zeit das Ziel. Und schließlich schien es Mitte Juli auch gelungen, als Grok begann, sich als ethno-nationalistischer “MechaHitler” zu inszenieren. So lächerlich und absurd diese Situation auch sein mag; für all jene, die auf die Worte der KI vertrauen, ist das eine nicht zu unterschätzende Gefahr.

KI-generierte rechte Propaganda ist auch nicht neu in Deutschland. Die AfD nutzte sie für billige Wahlwerbung schon seit 2024. Das alles verwundert nicht, schließlich ist KI das ultimative Vehikel der Ideologie: man braucht nicht den geringsten Realitätsgehalt, die Maschine zeigt jede Bestätigung, nach der man verlangt. Dass solche Ja-Sager-KIs, zu denen auch Chat-GPT gehört, ein Potenzial zur parasozialen Bindung haben, wird bei der Firma friend.com, die einen Therapie-Chatbot entwickelt, zum Geschäftsmodell. Welche Folgen das für Nutzer:innen haben wird, bleibt zu befürchten.

Was bedeutet KI heute?

Die vollen Folgen der KI-Nutzung und ihre Funktion im Kapitalismus werden wir in der Zukunft besser verstehen und da wir noch am relativen Anfang ihrer Implementierung in der Industrie stehen, kann der Effekt seiner Effizienzsteigerung in der Produktionsweise noch nicht vollständig bewertet werden. Im Kapitalismus stellt die KI aber ganz sicher eine Sache dar: ein zusätzlicher, erweiterter und sehr perfider Weg, die Arbeitenden und Armen auszupressen. Ob KI nun als Klimakollapsbeschleuniger, Daten-Ernte-Maschine, seelenlose Künstlerin, Steuerung der neuesten Waffensysteme, oder rechte Propagandamühle genutzt wird. Technologie ist in der Tat ein Werkzeug. Dementsprechend stellt sich die Frage, in welchen Händen, sie für was benutzt wird. Die KI liegt sicher nicht in den Händen der Arbeitenden, sondern sie gehört den Tech-Bossen. Und solange das der Fall ist, wird KI zur Profitmaximierung, nicht zur Erleichterung der Bedürfnisse aller, genutzt werden.

Henrietta E. Radtke, Düsseldorf

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