Ein Leuchtturm für die Linke?

Kommunistischer Wahlerfolg in Graz

Memes von Sowjetsoldaten in Graz oder Hammer und Sichel am Grazer Uhrturm fluten die sozialen Medien, die bürgerliche Presse berichtet weltweit über den kommunistischen Wahlsieg und viele Linke auch außerhalb Österreichs haben ihr neues Vorbild in der KPÖ Graz gefunden. Was ist da passiert?

Einleitend: Wir freuen uns, dass dieser Wahlerfolg die Herrschenden besorgt, wie aus der österreichischen Bundesregierung zu hören war. In diesem Artikel wollen wir aber weniger auf diese Wirkung, sondern auf Hintergründe des Wahlerfolgs sowie Geschichte und Politik der KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) eingehen und eine kritische Analyse versuchen.

Der Wahlerfolg

Bei den Gemeinderatswahlen am 26. September in Graz, der Landeshauptstadt der Steiermark und mit 280.000 Einwohner:innen zweitgrößten Stadt Österreichs, ist die KPÖ überraschend zur stärksten Partei gewählt worden.

Die bisherige konservative Bürgermeisterpartei ÖVP verlor fast 12 % und erreichte 25,9 %, ihr Kooperationspartner im Rathaus, die rechtsextreme FPÖ, rutschte um 5 % auf nur noch 10,6 % ab. Die Sozialdemokrat:innen haben nicht mal ihr schlechtes Ergebnis der letzten Wahlen halten können und sind unter 10 % gefallen. Dazugewonnen haben die Grünen (+6,8 % auf 17,3 %). Die KPÖ unter Spitzenkandidatin Elke Kahr schaffte mit einem Plus von 8,5 % auf knapp 29 % einen Erdrutschsieg. In absoluten Zahlen erhielt sie 34.283 Stimmen.

Die Wahlen in Graz zeigen einerseits die Unzufriedenheit mit den Parteien, die im Rathaus maßgeblich die Entscheidungen getroffen haben, aber auch mit der steirischen Landesregierung. Seit zehn Jahren setzen dort SPÖ und ÖVP unter dem Titel „Reformpartnerschaft“ ein massives Sozialabbauprogramm um. In der Vergangenheit gewann vor allem die FPÖ dadurch, jetzt hat die KPÖ      gezeigt, dass auch sie von der Stimmung profitieren kann. Die KPÖ hat stark aus dem Nichtwähler:innenlager, aber auch von SPÖ und Grünen und in etwas geringerem Ausmaß von ÖVP und FPÖ       gewonnen.

Was macht die KPÖ?

Der Sieg der KPÖ kommt nicht aus dem Nichts. Bereits in den 90er Jahren hat sich die KPÖ Graz als soziale Partei     einen Namen gemacht und schon bei den Graz-Wahlen 2003 über 20 % erhalten. Der langjährige Wohnbau-Stadtrat Ernest Kaltenegger hat um seine Funktion herum ein System von Beratung und Unterstützung für Arme und Menschen in finanziell Notlagen aufgebaut und einen Großteil seines Gehalts dafür gespendet. Seine Politik wurde österreichweit bekannt.

2017 versuchte die ÖVP dem Einhalt zu gebieten, indem sie das Wohnbauressort an die FPÖ übertrug. Die KPÖ Stadträt:innen Elke Kahr und Robert Krotzer konnten aber auch in den neuen Bereichen öffentlicher Verkehr sowie Gesundheit und Pflege punkten und setzten auch die Wohnberatungen fort. Weiterhin spendeten sie die Mehrheit ihres ca. 6.000 Euro hohen Einkommens in einen Sozialfonds und behielten nur knapp 2.000 Euro. Auch ein Teil der Gelder, die die KPÖ als Partei im Gemeinderat erhielt (Klubförderung), floss in diesen Sozialfond, wodurch seit 1998 ca. 2,5 Millionen Euro an Bedürftige ausbezahlt wurden. In Tausenden Beratungsgesprächen wurde ein direkter Kontakt mit Betroffenen hergestellt.

Die KPÖ Graz betont, dass sie für die Schwächsten da ist und ihnen hilft. So ist auch auf ihren Plakaten neben „Wir sind alle Graz“ ihr Motto „helfen statt reden“ zu lesen. Von verschiedenen linken Kräften wird die KPÖ Graz deshalb auch als „Caritas-Partei“ kritisiert, die sozialarbeiterisch agiert, aber die Arbeitenden und Unterdrückten nicht kämpferisch organisiert. Bürgerliche und liberale Kräfte versuchen sich damit zu beruhigen, dass die KPÖ nicht aufgrund des Kommunismus gewählt wird, sondern aufgrund ihrer Sozialarbeit.

Die KPÖ und der Kommunismus

Die Bundes-KPÖ hat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion das Kind mit dem stalinistischen Bade ausgeschüttet. Auch die Idee einer sozialistischen Revolution durch die Arbeiter:innenklasse wurde aufgegeben und durch linksreformistische Ideen und Hoffnungen in neue Parteien und Bewegungen ersetzt. So ist die Bundes-KPÖ auch die Schwesterorganisation der deutschen LINKEN, orientiert auf neue Linksparteien wie Syriza oder Podemos und kandidierte zu den EU-Wahlen in linken Bündnissen.

Die KPÖ Steiermark hat diesen Schritt nicht mitgemacht und vertritt eine „traditionelle KP-Linie“, distanziert sich nicht vom Stalinismus und setzt verkürzt gesagt auf die soziale Frage statt auf Identitätspolitik. KPÖ-Stadtrat      Krotzer, der vermutlich Elke Kahr nachfolgen wird, war bis vor ein paar Jahren noch Vorsitzender der Kommunistischen    Jugend (KJÖ), die mit der DKP-nahen Jugendorganisation SDAJ in Deutschland verbunden ist. Anders als die Bundespartei und mit „links-nationalistischen“ Tönen fordert die steirische KPÖ einen EU-Austritt. Skandalös war die während der Flüchtlingskrise 2015 getätigte Aussage eines steirischen KP-Führers zum österreichischen Grenzregime: ein „Staat    ohne Grenzen sei ein Eunuchenstaat“, was von der Rest-KPÖ verurteilt wurde.

Generell existiert die KPÖ Steiermark relativ unabhängig vom Rest der KPÖ, oft gelang nicht einmal ein gemeinsamer Wahlkampf zu den Parlamentswahlen. Vor einigen Monaten hat sich allerdings in der Führung der Bundes-KPÖ ein Generationenwechsel vollzogen. KPÖ-Aktivist:innen aus anderen Bundes-ländern haben den Grazer Wahlkampf unterstützt und versuchen auch jetzt vom Wahlerfolg zu profitieren. Ob tatsächlich eine Annäherung der zerstrittenen Strömungen stattfindet, ist Aufgrund der massiven inhaltlichen Differenzen schwer zu sagen.

KPÖ als Leuchtturm?

Die KPÖ Steiermark gilt schon länger für viele österreichische Linke als Vorbild. Angesichts der Wahlniederlage der    LINKEN in Deutschland wird auch dort neugierig nach Graz geblickt.

Tatsächlich ist es erfreulich, dass eine Partei mit Kommunismus im Namen in Österreich Wahlen gewinnen kann. Die Bürgerlichen sind bemüht die KPÖ zu verteufeln und es gibt eine Stimmung, in der über linke Politik und Alternativen links von Sozialdemokratie und Grünen diskutiert werden kann. Für die Menschen in Graz scheint eine Stärkung der „nützlichen“ Partei KPÖ jedenfalls auf den ersten Blick hilfreich.

Das in vielem sympathische Wahl-programm für ein „Soziales und ökologisches Graz“ umfasst Maßnahmen gegen Teuerung, Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Errichtung neuer Gemeindewohnungen und den Erhalt und Ausbau von Grünflächen. Für dieses Programm braucht die KPÖ nicht nur die Unterstützung anderer Parteien, sondern wird auch mit Gegenwind der bürgerlichen Parteien und der Herrschenden zu rechnen haben. Ohne kämpferische Mobilisierungen werden einer solchen Politik im Gemeinderat schnell Grenzen gesetzt sein. Nur verbunden mit Bewegungen könnten aber im freien Spiel der Kräfte bestimmt etliche Maßnahmen umgesetzt werden.

In den ersten Interviews nach der Wahl gibt sich Elke Kahr sehr zurückhaltend. Sie wäre bereit den Bürgermeisterposten zu übernehmen, weil die Menschen es von ihr erwarten. Konfrontiert mit den „Gräueltaten des Kommunismus“ und der KPÖ-Forderung nach Enteignung der Konzerne verweist sie auf ihre Rolle als Lokalpolitikerin und dass „normale Menschen“ diese Fragen nicht interessieren.

Eine revolutionäre Partei könnte die Situation nutzen, um auf die Ungerechtigkeiten und desaströsen Folgen des Kapitalismus, die ungeheure Macht der Banken und Konzerne und die Notwendigkeit einer sozialistischen Gesellschaft hinzuweisen. Auch wenn der Sozialismus nicht in Graz und nicht über den Gemeinderat eingeführt werden kann, versäumt die KPÖ mit ihrer Trennung in ein umsetzbares Minimalprogramm und ein in ferner Zukunft zu erreichendes sozialistisches Endziel, eine Perspektive zur Umgestaltung der Gesellschaft zu geben. Zudem verbleibt die KPÖ in ihrer Rolle als Stellvertretungs- und Wahlpartei statt systematisch eine klassenkämpferische Basisorganisierung aufzubauen und voranzutreiben.

Wie weiter für die Linke?

Die Linken müssen die aktuelle Stimmung aufgreifen und das Interesse an Kommunismus nutzen, aber auch deutlich machen, welche Grenzen eine „Kümmerer-“ und Stellvertreter:innenpolitik im Kapitalismus   haben muss. Für uns bedeutet das, die Perspektive von Selbstorganisation der Betroffenen und der Verankerung revolutionärer Ideen in der Arbeiter:innenklasse zu verbreiten, die Notwendigkeit einer sozialistischen  Revolution zu betonen und nach Möglichkeit unserer Kräfte an Kämpfen und sozialen Bewegungen teilzunehmen.

Von RSO Wien

LINKE in Österreich

Die KPÖ erscheint österreichweit hauptsächlich bei Wahlen auf der Bildfläche. In sozialen Bewe­gungen und Kämpfen ist sie wenig präsent. Trotzdem hat sich zuletzt einiges rund um diese Partei getan.

Die KPÖ setzt seit vielen Jahren auf unterschiedliche (Wahl-)Bündnisse und Kooperationen, was manchmal zu verwirrenden Situationen führen kann. So exis­tieren in Wien noch Überbleibsel der Kandidatur „Wien anders“, sind Plakate des Wahlkampfes von „KPÖ Plus“ zu finden und letztes Jahr wurden Bezirksräte der Liste LINKS-KPÖ gewählt.

Die 2017 von der Grünen Partei ausgeschlossenen Jungen Grünen sind mittlerweile als „Junge Linke“ die inoffizielle Jugendorganisation der KPÖ, ihre Aktivist:innen treten der KPÖ bei und einige sind auch Teil des neuen Bundes­sprecher:innenkollektivs der KPÖ. Gleichzeitig orientiert die Junge Linke politisch aber auf die KPÖ Steiermark.

2020 hat in Wien die neue Forma­tion LINKS gemeinsam mit der KPÖ zu den Bezirks- und Gemein­deratswahlen kandidiert. In manchen Bezirken gibt es gemein­same Bezirksgruppen von LINKS und KPÖ. Gleichzeitig hat sich die Junge Linke zwar an der Grün­dung von LINKS beteiligt, sich aber bald wieder mit politischer Kritik zurückgezogen.

Im Wahlkampf in Graz haben sich jetzt sowohl Aktivist:innen der Bundes-KPÖ, der Jungen Linken, als auch von LINKS beteiligt. Ob dadurch engere politische Zusam­menarbeit entsteht oder politische Differenzen und Orga­nisations-interessen überwiegen, wird sich zeigen.

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