Dossier: Streik der Bahner in Frankreich

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Die französische Regierung hat den Bahnern der SNCF den Krieg erklärt, ein Krieg, der sich gegen alle Arbeitenden richtet!


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Französisch für Anfänger: Tous ensemble! [alle gemeinsam!]

In Frankreich gibt es eine Streikexplosion. Es kämpfen die Bahner der französischen SNCF und vieler anderer Bereiche des Öffentlichen Dienstes, der Unis und der Privatwirtschaft in Frankreich. Die massive Streikbewegung bei der SNCF hat viele Sympathien in der Bevölkerung und hat das Potenzial, andere mitzureißen. „Tous ensemble“ – alle gemeinsam – hört man in diesen Tagen häufig in Frankreich. Ja, Wut gibt es überall.

Der französische Präsident Macron hat den Arbeitenden den Krieg erklärt

Macron – mit dem Merkel gerne Küsschen austauscht – hat gleich nach der Wahl im letzten Jahr mit den Angriffen begonnen. Erst kam die Reform des Arbeitsgesetzes, dann kam der Angriff auf den Öffentlichen Dienst, die Studenten, die Eisenbahner. Einer nach dem anderen, eine Salami-Taktik, die wir auch hier in Deutschland kennen. Aber die Angriffe kommen massiv und schnell. Gemeint ist die gesamte Arbeitswelt.
Der Hauptangriff geht gegen die bekanntermaßen „aufmüpfigen“ Eisenbahner. Im Februar übergab Spinetta, ein treuer Freund des französischen Premierministers, seinen Bericht über die Lage der SNCF mit einem Horrorvorschlag nach dem anderen. Unter dem Vorwand der hohen Schulden der SNCF soll es eine weitreichende Reform geben. Die Reform soll die bislang staatliche Bahn „für den Wettbewerb fit machen“ und weitere Schritte Richtung Privatisierung gehen. Die Bahner, die bislang besondere arbeitsrechtliche Regelungen mit Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen und früherer Rente haben, sollen diesen „Status“ verlieren. Außerdem sollen Tausende Kilometer Strecken stillgelegt werden, wobei dieser Plan nach ersten Protesten erstmal auf Eis gelegt ist. Genau, das klingt nach Privatisierung à la Deutsche Bahn. Kein Zufall, bei vielen der Angriffe in letzter Zeit auf die Arbeitsrechte gucken französische Unternehmer und Politiker mit schmachtenden Blicken auf Deutschland als ihr Lieblingsmodell. Soviel Jobcenter, prekäre Jobs und Flexibilisierung hätten die auch gern.

Um die Reihen der Arbeitenden zu spalten, hat Macron zu einem alten Trick gegriffen: er ließ behaupten, die Eisenbahner wären privilegiert. Ein Trick, den wir auch hierzulande kennen. Wer einen unbefristeten Vertrag mit Tarifleistungen hat, gilt als privilegiert gegenüber jemandem mit Befristung oder Leiharbeit. Diese oder jene kümmerlichen Sozialleistungen gelten gegenüber noch mieseren Bedingungen schon als Privileg… Jeder von uns ist „privilegiert“, wenn es nach den Chefs im Management oder den arroganten Schnöseln in der Regierung geht. Hier wie in Frankreich gilt, lassen wir uns von solchen Tricks nicht blenden. Solche Provokationen haben eine gemeinsame und entschlossene Antwort aller Arbeitenden und Erwerbslosen verdient gegen diejenigen, die in Wahrheit ihre Privilegien auf unserem Rücken ausleben: die superreichen Aktionärsfamilien und ihre Helfer in den Vorstandsetagen.

SNCF, Carrefour, Post, Krankenhäuser, Air France, Universitäten … und warum nicht ein Generalstreik!?

In Frankreich hat es mehrere große Aktions- und Streiktage mit hohen Streikbeteiligungen gegeben. Züge standen, Supermärkte von Carrefour wurden blockiert, die Studierenden sind auf der Straße, blockieren Unis und haben sich eine frankreichweite Koordination geschaffen. Der stets geleckt auftretende Präsident Macron hat bei einem Besuch eines Krankenhauses in Rouen heftig Widerspruch und Pfiffe von Krankenschwestern, Rentnern, Studenten und kommunalen Beschäftigten einstecken müssen…

Können aus den einzelnen Streiktagen unbefristete Streiks werden? Können die Aktionen in den verschiedenen Branchen und Betrieben zu einer gemeinsamen Aktion zusammengeführt werden? Viele sehen die Notwendigkeit, sich zusammen zu koordinieren. Dies ist eine Aufgabe der entschlossenen Aktiven, egal ob Gewerkschafter*in oder nicht. Die Gewerkschaftsführungen tun allerdings trotz markiger Sprüche gar nichts in diese Richtung oder bremsen sogar Initiativen aus, weil sie lieber schnell in Ruhe verhandeln würden, wenn Macron sie nur ließe. Der Zusammenschluss der Streiks und Aktionen wäre aber genau das, was Macron und die Unternehmenschefs fürchten.
Ein Erfolg der Arbeitenden, Studierenden und Erwerbslosen in Frankreich wäre auch ein Erfolg gegen das „deutsche Modell“. Und für uns eine Gelegenheit, eine weitere Lektion französisch zu lernen: „grève générale!“

10. April 2018


Privilegierte Bahner?

Es ist natürlich wahr, dass es bei der SNCF privilegierte Menschen gibt: Die leitenden Angestellten und das Management. Die Regierung weiß das. Insbesondere Frau Parly, die Verteidigungsministerin, verbrachte einige Monate in einem großen Büro der SNCF für das bescheidene Gehalt von 50.000 Euro pro Monat. Der Vorstandsvorsitzende Pepy erhält 450.000 Euro pro Jahr, also die maximale Vergütung im öffentlichen Dienst. Unnötig zu erwähnen, dass es viele Chefs gibt, die keinen besonderen „Bahnerstatus“ haben, auch wenn sie die Durchschnittslöhne der SNCF in die Höhe schießen lassen.

Aber die Eisenbahner, die die Züge zum Fahren bringen, haben niedrige Löhne. Es ist sogar eine Art Geben und Nehmen bei der Einstellung: der berühmte „Bahnerstatus“ gegen viel niedrigere Gehälter als in anderen Branchen, bei gleicher Qualifikation. Auch wenn viele Lügen über Boni in sozialen Netzwerken kursieren, gibt es jedoch einen, der keine Erwähnung gefunden hat: einen „Bonus“, den ein Neueingestellter zu Beginn seines Berufslebens erhält…. obligatorisch, damit seine Bezahlung den Mindestlohn erreicht. Denn die ersten Stufen der Entgelttabelle liegen unter dem smic [=Mindestlohn] !

Was beinhaltet der „Eisenbahner -Status“?

Eine Entgelttabelle, wie alle Mitarbeiter von Großunternehmen oder in tarifgebundenen Branchen sie kennen. Sie beginnt sehr niedrig und steigt sehr hoch – aber die meisten Eisenbahner sehen bis zum Ende ihrer Karriere nur den unteren Teil der Entgelttabelle. Die langsame und willkürliche Entwicklung der Tabellenentgelte ist die einzige Möglichkeit, die Bezahlung zu verbessern, denn seit Jahren sind die allgemeinen Erhöhungen, wie überall, gering oder nicht vorhanden.

Gewerkschaftsrechte, fast identisch wie im Privatsektor.

Eine spezielle Krankenversicherung. Die Krankenkassenbeiträge sind die gleichen wie im privaten Sektor, aber die SNCF hat ein Netz von Gesundheitsdiensten aufgebaut, das für Eisenbahner kostenlos zugänglich ist. Dies hängt mit der Notwendigkeit zusammen, den Gesundheitszustand all derer zu überwachen, die für die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs wichtig sind (Lokführer, Fahrdienstleiter usw.).

Die Besonderheiten der Rente. Der Ruhestand ruft die phantastischsten Vorstellungen hervor. Allerdings ist er seit 2007 – auch wenn die Anpassung schrittweise erfolgt – nahezu an den aller Beamten angeglichen. Ein junger Eisenbahner muss 43 Jahre Beitrag zahlen, um eine volle Altersrente in Höhe von 75% seines letzten Grundgehalts zu erhalten, wobei die die meisten Zuschläge (Nacht-, Wochenendarbeit, Wechselschichtdienst… ), die einen großen Teil der Vergütung ausmachen, unberücksichtigt bleiben. Die einzige „Spezialität“ ist das Renteneintrittsalter: 57 Jahre für „sitzende“ und 52 Jahre für „mobile“ Beschäftigte. Aber um 43 Beitragsjahre bei einer Rente mit 52 Jahren vorweisen zu können, müsste man im 9. Lebensjahr anfangen zu arbeiten! Da Macron (vorerst) keine Kinderarbeit wieder einführen will, kann kein Eisenbahner mit 52 Jahren mit einer angemessenen Rente aufhören. Zumal die Abzüge wie bei allen anderen Beschäftigten sind.

Schließlich eine Form der Beschäftigungsgarantie, ähnlich die dem öffentlichen Dienst, die nach einer einjährigen Probezeit erworben wird. Nach Ablauf dieser Frist sind Kündigungen bei der SNCF noch möglich, allerdings nur aus disziplinarischen Gründen. Sie sind sogar zahlreich, verglichen mit großen Privatunternehmen: mehr als 400 pro Jahr. Das Ausmaß der Sanktionen nimmt einen zentralen Platz im berühmten „Statut“ ein, das im Wesentlichen ein Disziplinarrecht gegen Eisenbahner ist. Diese Beschäftigungsgarantie erlaubt es in gewissem Umfang den Lokführern oder Fahrdienstleitern, dem Druck aus der Hierarchie teilweise auszuweichen und und Aufträge abzulehnen, die der Eisenbahnsicherheit zuwiderlaufen. Der „Bahnerstatus“ verhindert auch Massenentlassungen oder Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen, schützt aber bei weitem nicht vor dem Abbau von Arbeitsplätzen!

Warum will die Regierung, dass der „Status“ endet?

Das Ende des „Bahnerstatus“ wird betriebsbedingte Kündigungen ermöglichen und die Überleitung von Eisenbahnarbeitern in private Unternehmen, die Verträge mit der SNCF abschließen könnten, erleichtern. Durch die Beendigung des „Bahnerstatus“ zum Ende diesen Jahres wird die Renten- und Krankenkasse wegen des Mangels an Beitragszahlern zum Tode verurteilt.

Konkret ist der statusbezogene Besitzstand in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen. Alle Fragen der Arbeitszeit (Arbeitszeitschwankungen, Dienstplanung) werden nicht durch das Statut geregelt, sondern durch eine Verordnung, einen Tarifvertrag und eine Betriebsvereinbarung, die der SNCF eine größtmögliche Flexibilität ermöglicht. Bereits jetzt werden 25 % bis 30 % der Einstellungen außerhalb des „Statuts“ vorgenommen. Der Einsatz von Subunternehmen, kurzfristige Verträgen, befristete Arbeitsverhältnisse und Leiharbeit nehmen in allen Bereichen zu.

Um mit den Muskeln zu spielen, bestehen der Ministerpräsident Édouard Philippe und Präsident Macron darauf, das Ende des „Status“ durchzusetzen. Sie haben es zu einer politischen Herausforderung für einen der organisiertesten und kämpferischsten Sektoren der Arbeiterklasse gemacht. Die nahe Zukunft aller Beschäftigten in allen Sektoren hängt vom Ergebnis dieser Kraftprobe ab.

Macron muss daher geschlagen werden. Wir müssen sicherlich den „Bahnerstatus“ verteidigen, indem wir alle seine Begrenzungen aufzeigen, aber nicht den status quo. Wir müssen die wenigen Schutzmaßnahmen des „Statuts“ zunächst auf alle Beschäftigten der SNCF, aber auch auf alle Eisenbahn – Subunternehmer, Tochtergesellschaften usw. – und sogar auf alle Sektoren ausweiten, die von Massenentlassungen bedroht sind! Und Forderungen mit einem konkreten Inhalt (Löhne, Arbeitsbedingungen, Verbot von Massenentlassungen, Einstellung), aufstellen, mit dem sich die Beschäftigten in anderen Sektoren identifizieren können und nicht nur ein „Stück Papier“ verteidigen.

23. März 2018


Der Betrug mit dem „freiwilligen Ausscheiden“

Die Mitarbeiterzahl der SNCF ist bereits von 254.000 im Jahr 1980 auf 148.000 im Jahr 2017 gesunken. In den letzten zehn Jahren wurden rund 2.000 Arbeitsplätze pro Jahr abgebaut, in Form von 3.000 weniger Bahnangestellten, die durch 1.000 Leiharbeitnehmer „ausgeglichen“ wurden.

Doch dieses Tempo würde nicht ausreichen, um den „Personalüberhang“ zu beenden, erklärt der Bericht von Jean-Cyril Spinetta, einem Berater von Ministerpräsident Édouard Philippe: 5.000 der „besseren“ Arbeitsplätze müssten in den nächsten zwei Jahren durch ein „Freiwilligenprogramm“ abgebaut werden.

Personalabbau kombiniert mit „freiwilligem Ausscheiden“ wird bereits seit einigen Jahren von großen Privatunternehmen praktiziert. Das wurde durch Macron’s Regierungsverordnungen vom letzten Herbst noch erleichtert. Dies gab der Vorstandsvorsitzende des Automobilkonzerns PSA vor wenigen Wochen bekannt, um für das kommende Jahr eine neue Welle von mehr als 2.200 Stellenstreichungen durchzuführen.

Personalabbau wird auch im Öffentlichen Dienst erleichtert, wo die Regierung zusätzlich zu den Pensionierungen einen Stellenabbau von 120.000 Stellen durch „freiwilliges Ausscheiden“ festgelegt hat.

Das Prinzip ist einfach: Wir bieten Ihnen einige Zahlungen und die Vorgesetzten geben Ihnen zu verstehen, dass es im Betrieb keinen Platz mehr für Sie gibt, dass es besser ist, jetzt mit einer kleinen Abfindung in der Tasche zu gehen, als morgen mit leeren Händen entlassen zu werden. Und die immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen geben noch den Rest.

23. März 2018


Wird die Bahn subventioniert?

Ja, wie alle Infrastruktur im Land. Die Straße ist viel höher subventioniert – fast alles geht zu Lasten der Steuerzahler. Aber wir sehen nicht, dass der Staat seinen Anteil an den Gewinnen der Transportunternehmern beansprucht, die Dank dieser Subventionen und des Drucks auf die Lkw- und Busfahrer mit niedrigen Löhnen, gerne mit der Bahn konkurrieren ! Und noch weniger verlangen sie auch nur irgendetwas von der Familie Peugeot oder den Renault-Aktionären, die so viele Autos verkaufen! Und nichts vom Unternehmen Vinci, das so viel mit Autobahngebühren verdient, aber nicht einmal die notwendigen Investitionen tätigt!

Die Industrie- und Handelskammer schätzt, dass in Nord-Pas-de-Calais die Kosten der Staus 1,4 Milliarden Euro pro Jahr für die Region betragen, das ist das Sechsfache des Betrags, den die Region für den regionalen Bahnverkehr (TER) ausgibt“, schrieb die Zeitung Le Monde diplomatique im Juni 2016.

28. März 2018


Die windigen Pfade der Privatisierung

Die EU ist immer dazu gut, ihr unbeliebte Entscheidungen zuzuschieben. Sie wird von allen Regierungen beschuldigt, die Öffnung für den Wettbewerb durchzusetzen. Weil die SNCF sich auf die privatisierten Märkte der Nachbarländer stürzte und die aufeinanderfolgenden französischen Regierungen seit Jahren jede Initiative ergriffen haben, um die Eisenbahner und den öffentlichen Dienst anzugreifen – und sich für die Niederlage des früheren Premierminister Juppé im Jahr 1995 zu rächen. Die „Eisenbahnpakete“ des Europäischen Parlaments, die auf Privatisierung drängen, wurden von den Mitgliedern der Regierungsparteien in Frankreich selbst beschlossen.

Die SNCF – Société Anonyme (=Aktiengesellschaft)

Um die Öffentlichkeit zu beruhigen, versprach der Premierminister, dass die neue SNCF, die heute „société anonyme“ (SA) genannt wird, zu 100% Staatseigentum bleibt (für wie lange ?). Anonym wird sie sein, zumindest wird sie nicht verraten, an welche kleinen (oder großen) Freunde sie Wartung und Betriebsmittel als Subunternehmer vergeben, noch für wen sie morgen ihr Kapital „öffnen“ wird. Und „100% öffentlich“ werden auch in Zukunft die Defizite bleiben, die den Eisenbahnarbeitern oder Steuerzahlern aufgebürdet werden.

Alle öffentlichen Unternehmen, die zu AGs wurden, verfolgten den gleichen Weg. Die Post, EDF (=Elektrizitätswerke), GDF (Gas), Flughäfen von Paris oder Orange (Mobilfunk) zeigen die verschiedenen Etappen der Öffnung für privates Kapital – auch wenn die Regierungen bei jedem Statuswechsel bei Gott geschworen hatten, dass sie 100% öffentlich bleiben würden.

Die Umwandlung der Holding der SNCF in eine AG zeigt den Willen der Regierung. Aber privates Kapital fließt nur dann hinein, wenn es gute Dividenden gibt. Daher die sukzessiven Pläne zur Reform der Arbeitsbedingungen und des Statuts der Eisenbahner, zum Abbau von Arbeitsplätzen und zur Produktivitätssteigerung. Daher auch das Zögern und Gerede wegen der Schulden: Der Staat würde die SNCF-Schulden gern loswerden, um ihre Konten zu säubern, bevor er einen Teil ihres Kapitals verschenkt, aber er nutzt es vorerst weiter, um die Eisenbahner zu erpressen und die Bevölkerung gegen sie aufzubringen. Daher die Ankündigung niedrigerer Autobahn-Mautgebühren und höherer Ticketpreise bei der Bahn.

Hinzu kommt, dass die heutige SNCF, „100% öffentlich“, das Rückgrat der „SNCF-Gruppe“ bildet, einer multinationalen kapitalistischen Krake mit Hunderten von Tochtergesellschaften in Privatbesitz und Zehntausenden von Angestellten – von denen nur eine Minderheit den „Eisenbahner-Status“ hat.

Die Öffnung für den Wettbewerb: eine Übereinkunft zwischen Großkonzernen gegen die Arbeitenden

Wenn es ein Beispiel gibt, das zeigt, inwieweit das Kapital keinen Geruch und keine Grenzen hat, ob öffentlich oder privat, französisch oder italienisch, dann ist es das große Monopoly-Spiel der Eisenbahnen in Europa. Die Liste der allerersten potentiellen Wettbewerber, spricht bereits für sich, die bereits am Montag, den 5. März, einen Teil der Aktivitäten der SNCF vom Verkehrsministerium übernehmen wollten.

Da ist das französische Unternehmen Transdev, eine Tochtergesellschaft der sehr nationalen Caisse des Dépôts, das deutsche Staatsunternehmen Deutsche Bahn über seine Tochtergesellschaft Arriva, das italienische Staatsunternehmen Trenitalia (eine Retourkutsche gegen die SNCF, die sich bereits an der Privatisierung der italienischen Eisenbahnen beteiligt hat), Abellio Rail, eine „private“, aber 100%ige Tochtergesellschaft des niederländischen Staatsunternehmens, und das englische Unternehmen First Group, ein vollständig privates Unternehmen, das bei der Privatisierung der britischen Eisenbahnen gegründet wurde. Nicht zu vergessen Kéolis, zu 70 % im Besitz der SNCF und zu 30 % im Besitz der Caisse des dépôts canadienne, über die die SNCF weiterhin mit sich selbst konkurrieren wird.

Der Güterverkehr, den die Regierung im Begriff ist, auszugliedern, trägt seit 2003 die Hauptlast dieser Öffnung für den Wettbewerb. Infolgedessen wurde der Verkehr halbiert, und wieder auf die Straße verlagert, er ist auf das gleiche Niveau zurückgegangen wie zu Beginn des 20.Jahrhunderts. Die Arbeitsbedingungen bei der SNCF oder den privaten Eisenbahnen, insbesondere die Dienstplanregelungen, wurden mit dem Argument der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Wettbewerbern, einschließlich der Straße, verschlechtert, während sie zum Teil in der SNCF-Gruppe mit ihrer Tochtergesellschaft Geodis verblieben.

Staatliches Monopol? Aber wem gehört der Staat?

Eine schöner öffentlich-pivater Misch-Masch wird gut illustriert durch das Programm der Wirtschafts-Zeitschrift „Les Echos“ vom 27. Februar mit dem Titel: „SNCF: Ja zur Öffnung für das Kapital, nein zur Privatisierung!“ …Aber Achtung! Nur um sich schon für die Zukunft zu rüsten: „Anstatt die SNCF zu privatisieren, müssen wir ein Drittel für das Kapital öffnen. Der öffentliche Konzern würde damit den Status einer Aktiengesellschaft annehmen. Er könnte, wer weiß, dasselbe Schicksal haben wie Renault oder Gaz de France.“

Denn das Problem sowohl für die Nutzer als auch für die Beschäftigten eines Betriebs ist nicht so sehr das Monopol des Staates auf öffentliche Dienstleistungen, sondern die Frage, wer der Eigentümer des Staates ist. Antwort: Großunternehmer (aber mit unserem Steuergeld, weil sie selbst immer weniger Steuern zahlen!).

28. März 2018


Bahner der SNCF : Die Schwierigkeiten eines beispiellosen Streiks

Wohin wird der Eisenbahnerstreik führen? Was wird die Endstation sein? Und wann? Vom 7. Mai an ein Flickwerk zwischen Regierung, dem SNCF-Management und den verbündeten verschiedenen Gewerkschaftszentralen CGT-CFDT-UNSA auf dem Rücken der Eisenbahner? Oder ein Sieg über Macron, wenn die Eisenbahner weitermachen und einen Weg finden, die Isolation, in der sie sich befinden zu durchbrechen? Weil eine Studentenbewegung sich ihnen angeschlossen hat. Andere Arbeitende anderer Branchen kämpfen auch ihre Kämpfe: Postbeamte, Krankenhauspersonal, Beschäftigte der Supermarktkette Carrefour, Air-France-Personal, alle kämpfen für Forderungen, die auf die gleichen brennenden Fragen hinauslaufen: Löhne und tödliche Unterbesetzung; Geld für die sehr Reichen statt Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung.

Aber die Wut ist eher Seite an Seite als in einer einzigen Bewegung, die sich ihrer selbst bewusst ist. Sie fällt nicht vom Himmel. Die Gewerkschaftsvorstände und -dachverbände, die die von einem arroganten Macron konfrontiert sind, sind eifrig dabei sich abzuschotten, zu vereinzeln, zu zerbröckeln…. immer mit der ewigen Entschuldigung, das Bewusstsein und die Kampfbereitschaft seien nicht für einen „Kampf aller gemeinsam“ da. Immer die Frage nach dem Huhn oder dem Ei: Ist es die Kampfbereitschaft, die fehlt, oder der Wille der hohen gewerkschaftlichen Sphären? Weil sie den allgemeinen Kampf nicht auf die Tagesordnung setzen, den Generalstreik, um ihn beim Namen zu nennen, weil auch die so genannten linken Apparate oder was von übrig bleibt, die mehr oder weniger mit ihnen verbunden sind, ihn nicht auf die Tagesordnung setzen. Von der Seite dieser gewerkschaftlichen und politischen Institutionen gibt es keine klare und eindeutige Gesamtperspektive für die Arbeiterklasse angesichts einer Regierung, die doch alle gleichzeitig und zur gleichen Zeit angreift. Kein gemeinsames Kampfprogramm. Im Gegenteil, die Gewerkschaftsapparate, so viele wie sie sind, und jeder nach seinem Stil, stellen sich nacheinander an der Tür des Ministeriums auf. Und akzeptieren sogar, wie bei den Eisenbahnern, getrennt, Gewerkschaft für Gewerkschaft (!), empfangen zu werden! Auf diese Weise weiß Premierminister Édouard Philippe, was jeder von ihnen sagt, aber erstens wissen die Arbeitenden es nicht, und zweitens wissen auch diejenigen, die vor dem zweitrangigen Chef aufmarschieren, nicht, was die anderen gesagt haben! Mauschelei und Geheimniskrämerei, weit entfernt von Klassenkampf! Wir sind sogar weit entfernt vom „Zusammenwachsen der Kämpfe“, das wie eine Kinderrassel von Martinez dem Chef der CGT, aufgeregt immerzu wiederholt wird!

An der Basis, ein hartnäckiger Kampf

Der Streik wird weitgehend befolgt. Im Land gibt es wahrscheinlich 50.000 streikende Eisenbahner, davon 8.000 bei den Lokführern, Fahrdienstleitern, Zugbegleitern… dem „Fahrpersonal“, das ist enorm. Aber die Kompliziertheit des von den Gewerkschaftsvorständen festgelegten Streik-Kalenders mit 2 Tagen streiken und 3 Tagen arbeiten, immer im Wechsel – der den Streik bis zum Äußersten zerstreut – macht es schwierig, ihm zu folgen. „Intervall“, „stop-and-go“… einige Streikende machen sogar ihren eigenen Streik-Kalender. Und woran die Entschlossensten leiden, ist die Konsequenz dieses Zerkrümelns der Streiktage, so dass die Streik(Voll)versammlungen, die jeden Tag in allen Bahnhöfen und Werkstätten des Landes zusammenkommen, nicht entsprechend der Entschlossenheit besucht werden. Diese „Streikstrategie“ ist von den Gewerkschaftszentralen gut überlegt, da sie die volle Kontrolle über den Konflikt behalten wollen: von oben entscheiden, wann der Streik beginnt, wie er verläuft und wann er endet. Bei einem Streik an 2 von 5 Tagen, ein für allemal und für mehrere Monate im voraus festgelegt, was bleibt da zu entscheiden? Der zynischste – oder ehrlichste? – der Gewerkschaftsbürokraten sagte unverblümt, dass die Streikenden „beschäftigt“ werden müssene. So werden Aktionen durchgeführt, Versammlungen, Grillabende, Flugblätter an die Bahn-Benutzer verteilt. Viele Dinge, die auch Ausdruck und Bedingung eines harten und lebendigen Streiks sind, aber nichts, wo Streikende sich abstimmen und diskutieren, sammeln und entscheiden können, damit es auf allen Ebenen ihre eigene Bewegung ist.

Die 2/5 – Streiktaktik ist eine Falle !

Bis heute hat sich nur eine Minderheit gegen diese Praxis ausgesprochen und versucht, diese gefährliche Routine zu durchbrechen. Mit einigen Schwierigkeiten, denn nur ein Vollstreik, der jeden Tag erneut in demokratischen Streik((voll))versammlungen beschlossen wird, könnte einen anderen Stil und wahrscheinlich das beste Ergebnis bringen. Denn der täglich neu beschlossene Streik beinhaltet das Mittel, von Tag zu Tag zu entscheiden; er gibt die Zeit, dauerhaft für den Streik zu kämpfen. Sozusagen Vollzeit und nicht Teilzeit an zwei von fünf Tagen. Kurzgesagt, um voll und ganz zu streiken.
Um zu gewinnen. Aber die Gewerkschaftsbürokratie, der man seit Jahrzehnten Erfahrung mit undemokratischen Praktiken und Tricks nicht absprechen kann, hat das genau vorausgesehen, …. um den Chefs und der Regierung einen Alptraum zu ersparen, den ein verallgemeinerter Widerstand in diesem Zusammenhang für sie bedeuten würde. Daher der vermeintlich „innovative“ Streikkalender, der immer mehr seine Ineffizienz zeigt, und gleichzeitig zu einigen Konfrontationen zwischen den Streikenden führt. Weil diejenigen, die einen wirklichen unbefristeten Streik wollen, dessen Führung denen, die ihn führen, nicht entgleitet, scheinen sich, sich denen, die dem Kalender folgen, entgegenzustellen. Die Gewerkschaftsbürokratie kann sie daher als „Spalter“ bezeichnen, oder versuchen, dies zu tun.

Nichts ist entschieden…

Die Aufgaben sind für die Eisenbahner, die gewinnen wollen und die sich selbst die Mittel geben wollen um den Streik in die Hand zu nehmen, unter anderem durch Ermutigung zum Vollstreik, sind schwierig. Dies würde nicht nur für die Eisenbahner, sondern für alle Arbeitenden im Land, die sich bewusst sind, dass sie sich sammeln müssen, ein Signal sein. Über den wirklichen Streik ist zu sprechen, aber vor allem zu versuchen, die Versammlungen und Mobilisierungskomitees zu vergrößern, die es hier und da gibt, sogar auch um Kundgebungen in größerem Umfang zu organisieren.

Die großen Pariser Bahnhöfe sind manchmal nur ein paar hundert Meter voneinander entfernt, schlimmstenfalls zwei oder drei Kilometer, und es gibt keine Möglichkeit, sich zu sehen und auszutauschen? In der Region Paris gab es jedoch mehrere Versuche von bahnhofsübergreifenden Versammlungen, von denen der letzte relativ erfolgreich war. Fast 150 Eisenbahner und Eisenbahnerinnen versammelten sich am Montag, den 23. April am Gare du Nord (Nordbahnhof), um Bilanz über den Streik an ihren verschiedenen Standorten zu ziehen, und über Perspektiven zu sprechen. Es war nur ein Schritt, aber gut für die Stimmung.
„Tous ensemble!“ – alle zusammen, ja, aber vielleicht immerhin schon die Eisenbahner unter sich, nicht nur im Streik, sondern auch einer Koordination ihres Kampfes, auf lokaler Ebene, aber und warum nicht national? Das ist eine Notwendigkeit, auch wenn die Gewerkschaftsführer nicht nur nicht dafür, sondern sogar dagegen sind. Sie haben sich ein System ausgedacht, um jegliche Diskussion und Koordination zu verhindern. Und seit Beginn des Streiks vor einigen Wochen haben sie versucht, vor Ort alle Formen der Selbstorganisation der Streikenden, gewerkschaftlich oder nicht, zu verhindern. Ihr Erfolg ist glücklicherweise nicht sicher!

30. April 2018

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