Die Hohenzollern, die Nazis und die Kunstschätze

Man stolpert heute noch ab und zu über Von-und-Zus. Doch Adelstiteltragende spielen in Deutschland keine besondere Rolle mehr. Außer sie sind besonders hartnäckig: das Haus Hohenzollern, ein Adelsgeschlecht mit langer Geschichte, machte in letzter Zeit wieder Schlagzeilen. Deren Besitz wurde nach dem zweiten Weltkrieg durch die sowjetische Besatzungsmacht enteignet. Und Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen, das aktuelle Familienoberhaupt, fordert jetzt Entschädigungen dafür. Nun können wir uns fragen, wieso überhaupt Adelige ein Recht auf Entschädigungen haben sollten – im Hinblick auf die historisch besonders reaktionäre Rolle, die der Adel gespielt hat, sind die Enteignungen eigentlich begrüßenswert. Doch bei dem ausgebrochenen rechtlichen Streit geht es um eine spezifischere Frage: haben die Vorfahren des Prinzen dem Aufstieg des Naziregimes „erheblichen Vorschub“ geleistet?

Zur Beurteilung wurden mittlerweile verschiedenste Gutachten geschrieben. Viele Historiker:innen bestätigen den „erheblichen Vorschub“, für den Prinzen und seine Gutachter ist das aber nicht so klar. Georg Friedrich spricht über ein Foto, das seinen Urgroßvater Wilhelm bei einem Aufmarsch in Naziuniform zeigt, wie folgt: „Es ist sehr schwierig anzusehen […] Besonders wenn man das Hakenkreuz an seinem Arm sieht. Es lässt einem den Atem stocken und du fragst dich ‚Warum trägt er das?‘“ 1 Tja … gute Frage. Lasst uns selbst einen Blick in die Geschichte werfen.

Die historische Rolle der Hohenzollern

Die Adeligen verkörpern wie kaum andere ein rückwärts gewandtes und reaktionäres Weltbild. Für mehr als ein Jahrtausend bildeten sie in Europa die herrschende Klasse, deren Macht auf der Ausbeutung und Unterdrückung der Bauern beruhte. Die Hohenzollern waren nichts anderes als ein Familienclan, der die mitteleuropäische Geschichte mit Kriegen, Vetternwirtschaft und Katastrophen heimgesucht hat. Spätestens mit der Thronsteigung der Hohenzollern Wilhelm II., 1888 wurden die Interesse der deutschen Bourgeioisie nach einem Ausbau des deutschen Kolonialreiches und einer massiven Aufrüstung von Flotte und Heer auch vom Kaiser mit markigen Worten unterstützt. Sein außenpolitisches Gepöbel – auch wenn nicht wirklich der Kaiser die Politik machte, – verstärkte die Gegensätze zu anderen imperialistischen Ländern an dessen der Erste Weltkrieg mit 20 Millionen Toten stand. . Großen Teilen der Bevölkerung war 1918 klar, welche Verantwortung der Adel und insbesondere die Hohenzollern für das Massensterben in Europa trugen. Nicht umsonst verjagte die Revolution die Fürsten. Einen Teil ihres Besitzes mussten sie an die Weimarer Republik abtreten, zum Teil wurden sie dafür entschädigt.

Wilhelm von Preußen, der Kronprinz der Hohenzollern, Oktober 1933 bei einer Veranstaltung der Sturmabteilung (SA)

Wie standen die Hohenzollern zum Faschismus?

Wilhelm II. entdeckte schon früh seine Sympathie für den Faschismus. 1924 sagte er über Mussolini, der Faschismus sei eine fabelhafte Einrichtung. 2 Wilhelm von Preußen, der Kronprinz der Hohenzollern, warb seit Beginn der 30er Jahre im konservativen Milieu für die nationalsozialistische Bewegung. 1932 protestierte er beim Reichsinnenminister Groener gegen das Verbot von SA und SS, bei der Reichspräsidentenwahl im April 1932 rief er im zweiten Wahlgang zur Wahl von Hitler auf und auf dem „Tag von Potsdam” 1933 inszenierte er das alte Preußen im Einklang mit dem neuen Regime. Nicht umsonst sprechen die Historikergutachten davon, dass „[Wilhelm] stetig und in erheblichem Maß zum Übergang der Macht an die NSDAP und zu deren Festigung beigetragen hat. Das geschah in vollem Bewusstsein und im Einverständnis mit dem Weg in die Diktatur, verbunden mit der Hoffnung auf einen prominenteren Platz in den neuen Verhältnissen.”3

Hoffnungen auf alten Glanz

Nun aber zurück zu heute. Bei den Entschädigungsforderungen geht es um tausende Möbel, ein lebenslanges Wohnrecht im Schloss Cecilienhof, Bilder und sonstige Kunstgegenstände; inzwischen steht eine Entschädigungssumme von 1,2 Millionen Euro für die Hohenzollern im Mittelpunkt. Die Forderungen wurden 2019 publik gemacht und lenkten viel Aufmerksamkeit auf die Verhandlungen zwischen Staat und Adelsfamilie, die bis dahin diskreter geführt wurden. Hintergrund ist: Nach Auflösung der DDR wurde durch ein Gesetz bestimmt, dass enteignetes Kulturgut noch 20 Jahre lang in öffentlicher Hand kostenlos ausgestellt werden durfte. Als die Regelung 2014 auslief, hatten Bund, Berlin, Brandenburg und die Hohenzollern jedoch zu keiner Einigung über den Verbleib der Gegenstände gefunden. Denn die Ansprüche entbehren selbst nach bürgerlichem Recht jeglicher Grundlage.

Wahre Gerechtigkeit lässt warten

Es bleibt letztlich offen, wie die Verhandlungen und Prozesse ausgehen werden. Das Haus Hohenzollern sieht sich – historisch wie aktuell – in voller Unschuld. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht wegwischen: der Adel war für mehr als ein Jahrtausend ein mal paternalistischer mal grausamer Ausbeuter, dessen Reichtum auf dem Rücken der Bauern geschaffen wurde und die Hohenzollern-Familie als deutsches Kaiserhaus prominent mitverantwortlich am Beginn des Ersten Weltkriegs.. Sie können froh sein, dass sie – wenn wir auf die Geschichte von Revolutionen blicken – ihren Kopf nicht verloren haben und obendrein ihren Besitz in großen Teilen behalten durften. Denn das Recht auf Privateigentum ist fest im Kapitalismus verankert. Und so erlaubt es sogar aus der Zeit gefallenen Nazi-Nachfahren, Ansprüche zu erheben. Doch selbst, wenn der deutsche Staat in diesem Fall Härte zeigt, bleiben viele Industriellen-Familien, die ihren Reichtum im 2. Weltkrieg auf Zwangsarbeit aufbauten. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Die gibt es im Kapitalismus nur für die, die sie sich leisten können – nur, wenn sie sich lohnt.

Referenzen:

1 https://edition.cnn.com/style/article/hohenzollern-prince-georg-prussia/index.html

2 http://hohenzollern.lol/gutachten/brandt.pdf S. 14

3 ebd. S. 49

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