Ein ganz normaler Tag, eine ganz normale Nachrichtensendung. Zuerst spricht der Pressesprecher der Berliner Polizei darüber, dass sich die Letzte Generation angesichts der vielen pro-palästinensischen Demonstrationen mal zurückhalten solle, denn schließlich gäbe es Wichtigeres zu tun. Im Beitrag danach ging es um die zunehmende Wasserknappheit in Berlin und Brandenburg und welche katastrophalen Folgen dies für die Region haben wird. Nur um im Anschluss einen Beitrag zu zeigen, in der die Industrie- und Handelskammer einen Ausbau des Flugverkehrs am BER-Flughafen wünschst. Kann die Abfolge von Nachrichten abstruser sein?
Der Oktober war in Europa, aber auch in Berlin und Brandenburg, viel zu warm. Laut Daten des EU-Klimadienstes um 1,7 Grad. Damit ist der Oktober 2023 der wärmste Oktober seit der Wetteraufzeichnung und das Jahr 2023 wird wohl ebenso das wärmste Jahr werden. Für Berlin und Brandenburg hat dies katastrophale Auswirkungen. Manche Gebiete Brandenburgs haben gar schon Wüstenstatus. Das heißt, dass mehr Wasser verdunstet, als aufgenommen wird. Bis 2040 könnte der Spreewald (eine große Auen- und Moorlandschaft) ausgetrocknet und die Wasserversorgung der Bevölkerung bedroht sein. Umweltschützer:innen warnen davor, dass man sich in Brandenburg zukünftig überlegen muss, wofür das Wasser eingesetzt werden soll. Ob man damit Lebensmittel produzieren oder ob man damit Autos bauen will. Dies ist eine Anspielung auf das große Tesla-Werk in Brandenburg, welches so viel Wasser verbraucht wie eine Kleinstadt mit 40.000 Einwohner:innen.
Und darüber hinaus?
Bedroht die Klimakatastrophe die menschliche Existenz auf diesem Planeten. Allein in der EU sind 80 % der Lebensräume in einem schlechten und 70 % der Böden in einem ungesunden Zustand. Die Folgen sind unter anderem ein nie dagewesenes Artensterben und dass viele Böden bald nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sein werden. Die Erde stirbt gerade auch biologisch.
Die Intensität, Häufigkeit und Dauer von Hitzewellen, Dürren und Stürmen wird sich zunehmend erhöhen. Hitze wird ein großes Problem darstellen. Beispielsweise gibt es im Südwesten Deutschlands durchschnittlich an 30 Tagen Temperaturen von über 25° C. 2050 werden es bis zu 80 Tage sein, an den heißesten Tagen werden 45° C erreicht werden. Städte wie Linz in Österreich wären durch Hitzewellen im Sommer unbewohnbar. Bis 2050 könnten Teile der deutschen Nordseeküste bis nach Hamburg und Bremen unter Wasser stehen. Das heißt, viele Menschen, auch in Europa, werden nicht mehr da leben können, wo sie aktuell leben. Im Jahr 2100 werden, wenn sich nichts am Naturschutz und am CO2-Ausstoß ändert, 30 Prozent der Europäer:innen nicht mehr da leben, wo sie aktuell leben. Besonders stark sind die Niederlande (80 Prozent), Spanien und Italien (je 60 Prozent) betroffen. Aber auch in Deutschland werden 30 % der Menschen im Jahr 2100 nicht mehr an ihrem aktuellen Wohnort leben können.1
Was tut der Kapitalismus?
Nach dem Pariser Klimaabkommen 2015, welches die Regierungen dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf unter 2° C zu begrenzen, wurden innerhalb des letzten Jahres zwei weitere Abkommen geschlossen, die die Folgen der Klimakatastrophe abmildern sollen. Im Dezember 2022 wurde vereinbart, dass bis 2030 jedes Land 30 % seiner Fläche unter Naturschutz stellt. Am 10. November 2023 einigte sich die EU auf ein „Gesetz zur Rettung der Natur“. Bis zum Jahr 2030 soll die Natur auf 20 %der Flächen auf dem Land und im Meer wieder in einen guten Zustand gebracht werden – beides ambitionierte Ziele. Wenn wir Eines aus dem Pariser Klimaabkommen aber gelernt haben, dann dass die Regierungen nichts bis wenig für die Einhaltung der Ziele tun. Wie auch, wenn sie weiterhin in der kapitalistischen Logik von Wachstum und Profite für einige Wenige agieren. Kapitalismus und Klimaschutz sind unvereinbar.
Karl Gebhardt, Berlin
1 www.interaktiv.morgenpost.de/klimawandel-hitze-meeresspiegel-wassermangel-stuerme-unbewohnbar/