
Weselsky, der Chef der Lokführergewerkschaft GDL (Gewerkschaft Deutscher
Lokomotivführer), spekuliert pressewirksam über Streiks bei der Deutschen Bahn sowie
dem Bahn- und Busunternehmen Transdev. Der Gewerkschaftsboss, stets mit korrekt
gebundener Krawatte, setzt auf sein Image als „Krawallmacher“ und als jemand, der nicht
um den heißen Brei redet. Das kommt bei den Mitgliedern an. Was davon ist bloßes Theater und wo fängt echter Arbeitskampf an?
Die Verhandlungen über Löhne bei der Transdev hat die GDL gerade für gescheitert erklärt. Bei der Deutschen Bahn (DB) ist die erste Verhandlungsrunde am 9. November. Die GDL-Mitglieder haben von ihrem Chef aus der Presse erfahren, dass es schnell – wenn überhaupt – ein oder zwei Warnstreiks und schnell eine Urabstimmung unter den Mitgliedern über längere Streiks geben soll. Einen „Weihnachtsfrieden“ werde es nicht geben. Starke Worte…
Starke Worte, auch um sich von der größeren berufsübergreifenden Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG abzugrenzen. Die EVG ihrerseits hatte ihre Verhandlungsrunde im Sommer beendet mit einem Ergebnis, das von 48 % der Mitglieder abgelehnt wurde. Es ist zu hören, dass Kolleg:innen zur GDL gewechselt sind oder wechseln wollen. Schon während der monatelangen Verhandlungsrunde hatte es viele Diskussionen unter den Bahner:innen gegeben angesichts der ewigen intransparenten Verhandlerei und gerade einmal zwei kurzen Warnstreiks. Aus dem Lager des GDL-Gewerkschaftsapparates kamen hämische Bemerkungen. Die GDL ist in der Lage, die Kritik an der EVG für sich zu nutzen nach dem Motto: wir können es besser. Die GDL, die nur ca. 30.000 Mitglieder hat, kann für sich in Anspruch nehmen, in den letzten Jahren eher mal gestreikt zu haben. Aber: während der Streiktage der EVG in diesem Frühjahr hat sie ihren Mitgliedern verboten, solidarisch zu sein und mitzustreiken.
Was kann man von der anstehenden Tarifrunde der GDL erwarten?
Der Vorstand hatte Anfang Juni die Forderungen bekannt gegeben: 555 Euro monatlich mehr Geld, Verkürzung der Arbeitszeit für Schichtarbeitende auf 35 Stunden pro Woche und mehr. Gleichzeitig hatte er die Gründung einer gewerkschaftseigenen Leiharbeitsfirma zum Verleih von Lokführer:innen an Bahnunternehmen veröffentlicht. Eine Gewerkschaft wird zum „Arbeitgeber“ und schickt dann Personal an … die DB? An Transdev? Knallharter Klassenkampf ist so nicht zu erwarten. Aber das verspricht GDL-Chef Weselsky auch nicht, der stolz auf die „professionelle Gesprächsathmosphäre“ mit den Bahnvorständen ist.
Dazu gibt es ein rechtliches Problem. Es gibt seit einigen Jahren ein „Tarifeinheitsgesetz“ in Deutschland, das sagt, dass in einem Betrieb nur die Tarifwerke der Mehrheitsgewerkschaft gelten sollen. Es sei denn, Unternehmen und Gewerkschaften sprechen sich ab. Bei der DB gelten daher in den meisten Betrieben nur die Tarifverträge der EVG (auch wenn bisher niemand korrekt die Mitglieder nachgezählt hat). Dieses undemokratische Verdrängen macht die Leute so richtig sauer. Das kann die Streikbereitschaft eher erhöhen, aber auch zu einem Deal führen…
Auch wenn derzeit alles nach bekanntem Geschachere aussieht, bei dem die Mitglieder aufgerufen sind zu folgen und nichts zu entscheiden, bei den Bahner:innen ist mit Streiks zu rechnen. Es ist unüberhörbar, dass die Stimmung bei den Bahner:innen schlecht ist. Für den GDL-Vorstand werden das „Schicksalsstreiks“ sein, geht es doch darum, so große Streiks hinzulegen, dass die DB und die Bahnbranche an der GDL nicht vorbei können. Bei den Beschäftigten geht es um die fehlende Wertschätzung, was sich bei den miserablen Arbeitszeiten, den Pausenräumen und all den Belastungen des Arbeitsalltags zeigt. Es gibt eine Streikbereitschaft, weil so viele Forderungen offen sind. Oder sei es nur als Revanche für die Arroganz des Bahnvorstandes, der aalglatt sich die Gehälter und Boni erhöht, aber jede kleine Forderung zurückweist und behauptet, die Bahner:innen hätten „Maß und Mitte verloren“. Die DB sorgt selbst dafür, dass die Streiks stark werden könnten. Freuen wir uns auf eine neue Streikrunde bei der Bahn, die zeitlich mit Warnstreiks im Öffentlichen Dienst zusammenfällt…
Sabine Müller