Der Oppositionelle Nawalny – Strahlender Held der Bourgeoisie!

Seit geraumer Zeit ist der russische Oppositionelle Alexej Nawalny in den Nachrichten: zuerst die Vergiftung, dann seine Verhaftung und Verurteilung. Gerühmt wird er für seine Zivilcourage und sein Engagement für demokratische Werte. Doch wer ist Nawalny und wie wurde er zur Führungsfigur der russischen Opposition?

Vom Blogger zum Politiker

Nawalny erlangte größere Popularität, als er 2018 im Präsidentschaftswahlkampf gegen Putin antrat, wo er die bis dahin 17 Jahre andauernde Herrschaft Putins durchbrechen wollte. Bereits davor trat er als Blogger und Gründer einer Anti-Korruptions-Stiftung in Erscheinung. Er deckte auf, in welchen Prachtvillen Medwedew und Putin leben und wer sie bezahlt hat. Nawalny kandidierte 2013 außerdem als Bürgermeister von Moskau und gilt seitdem als stärkster Vertreter und Anführer der russischen Opposition. Nicht uninteressant, könnte mensch auf den ersten Blick meinen, doch welche Grenzen hat diese Figur und für welche Forderungen tritt er eigentlich ein?

Wenn man es nett umschreiben wollen würde, könnte man sagen, Nawalnys Positionen sind flexibel. Er ändert sie ständig und deckt einen Bereich von offen rechtsextrem bis links-liberal ab. Mit dieser Taktik schafft er es, für breite Teile der Gesellschaft, die sich gegen Putin wehren wollen, eine Identifikationsfigur zu sein, ohne ein konkretes politisches Programm zu formulieren. Gepaart ist das alles mit seinem öffentlichkeitswirksamen Aktionismus.

Die Politik hinter der Inszenierung

In der Zeit wird Nawalny als „[…] ein jugendlich wirkender 41-Jähriger, der einen Hauch Macron verströmt“ beschrieben. Das trifft den Nagel auf den Kopf: Eben diese Art von (russischer) Opposition ist für Deutschland und andere westliche Länder reizvoll und unterstützenswert. Konservative Politik unter dem Deckmantel eines liberalen, charismatischen Typen. Den Fokus legt Nawalny auf Innenpolitik und den Kampf gegen Korruption. Und natürlich rennt er damit offene Türen ein, besonders wegen Putins laufenden Versuchen, die Probleme der arbeitenden Bevölkerung durch aggressive Außenpolitik zu übertönen.

Nach Nawalnys Verhaftung, unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Russland, gingen Zehntausende für seine Freilassung auf die Straße. In Wahrheit war das nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Demonstrationen erfassten alle möglichen Bevölkerungsschichten und Teile des Landes. Das hat zum einen mit Nawalnys Populismus zu tun, aber auch mit der immer stärker werdenden Unzufriedenheit. Es braucht die Proteste gegen Putin und seine diktatorische Politik, auch gegen die Korruption. Doch eine Wahl Nawalnys – sollte es überhaupt so weit kommen – wird daran nichts Grundlegendes ändern. Denn er geht nicht über den bürgerlichen Rahmen hinaus. Seine populistischen Forderungen nach einem sozialstaatlich gestützten Kapitalismus und einem Ende der Korruption zielen nicht auf einen wirklichen Systemwechsel. Seine vermeintliche Zukunftsperspektive ist für viele dennoch reizvoll, denn ihnen fehlt die finanzielle und soziale Absicherung und sie spüren die Ungerechtigkeiten der russischen Politik.

Russland und der Westen

Nawalny als Symbolfigur passt geradezu perfekt ins bürgerliche Bild, den Kapitalismus allein durch Austausch der Regierenden verbessern zu wollen. Russland soll für den Westen zu einem attraktiveren – kontrollierbaren – Nachbarn werden. Die vom Westen verhängten Sanktionen sind sehr eingeschränkt und selektiv, sie sind kein ehrliches Bekennen zu Menschenrechten und keine Solidarität mit wirklichen Oppositionellen. Wie in Bezug auf andere Länder auch, geht es auch hier um wirtschaftspolitische Interessen.

Der Umgang mit Russland und Nawalny ist nichts Neues. Er wird, wie andere „sich aufopfernde Oppositionelle“, als Kämpfer für Freiheit und bürgerliche Rechte dargestellt. Diese moralische Überhöhung, sei es bei Nawalny, Aung San Suu Kyi oder anderen konservativen Symbolfiguren, dient schlussendlich dazu, westliche Großmächte und deren Ideologien zu festigen. Sie suchen nach Figuren, die ihre Erwartungen erfüllen und sich an die Spielregeln der imperialistischen Weltordnung halten.

Der eigenen Bevölkerung gaukelt man mit dieser Unterstützung die eigene vermeintliche Freiheit und Progressivität vor und stellt den Kapitalismus – mit der richtigen personellen Besetzung – als bestes und gerechtes System dar. Dabei repräsentieren Personen wie Nawalny oder Aung San Suu Kyi selbst die herrschende Klasse. Sie gehören nur zu jenem Teil, der von den derzeitigen politischen Machtverhältnissen ausgeschlossen ist, bzw. dessen Interessen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Nicht zufällig wird Nawalny von wohlhabenden Einzelpersonen finanziert.

Die unterdrückte Bevölkerung selbst muss sich befreien

Auch wenn wir die Repression des russischen Staates klar verurteilen, muss gleichzeitig gesagt werden, dass keine dieser Kräfte im Interesse der Arbeiter*innenklasse und Armen handeln wird: weder Putin, noch die Vertreter*innen des europäischen und westlichen Kapitals, noch bürgerliche Oppositionelle wie Nawalny. Verliererin des Spiels der Macht mit personellen Rochaden, geopolitischer und wirtschaftlicher Einflussnahme und der moralischen Überhöhung einzelner Personen im Interesse der Herrschenden wird immer die unterdrückte Bevölkerung sein.

Die existierenden Proteste, die der Wut der Menschen über Kürzungen, Ausbeutung und Korruption Ausdruck verleihen, brauchen keine charismatische Führungspersönlichkeit im Rampenlicht. Sie brauchen gemeinsame Organisierung von unten, eine eigenständige Perspektive und Stärke, mit der sie ihre Forderungen für eine bessere Gesellschaft durchsetzen können. Denn eine Masse kann man nicht so leicht vergiften wie eine Einzelperson.

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