Berlin: Die Grenzen der bürgerlichen Demokratie

Bei der Wiederholungswahl zum Berliner Landesparlament ist die CDU zum ersten Mal seit 1999 stärkste Kraft geworden, mit fast 10 Prozentpunkten Abstand zu SPD und Grünen. Heißt das jetzt, dass „die Berliner:innen“ nun eine CDU-geführte Regierung haben wollen? Eher nicht. Doch die Berliner SPD-Chefin Giffey bemüht den „Wählerwillen“, um zu erklären, weshalb sie nun als Juniorpartnerin mit der CDU koalieren will.

Die rechten Parteien haben zusammen kaum mehr Stimmen bekommen als 2016. Jede fünfte Person durfte nicht wählen, weil ihr der deutsche Pass fehlt. Und viele, die es durften, gerade aus den ärmeren Vierteln, sind nicht hingegangen. Vor allem die, die 2021 Hoffnungen in die bisherige „linke“ Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei gesetzt haben, wurden enttäuscht und haben sie nicht wiedergewählt. Das liegt nicht zuletzt am Umgang des Senats (Berliner Regierung) mit dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ (DWE)1, der 2021 eine deutliche Mehrheit von über 59 % erhielt. Giffey hatte schon damals deutlich gemacht, dass sie ihn nicht umsetzen will. Die Interessen der Immobilienlobby zählen mehr als 59 %.

Mehrheitswillen ignoriert

Also wurde verzögert und aufgeschoben. Eine Expertenkommission (EP), sollte rechtlich prüfen, ob der Enteignungsparagraf 15 aus dem Grundgesetz überhaupt angewendet werden kann. Die EP hat bestätigt, dass anders als beim Mietendeckel das Land Berlin eine Vergesellschaftung von Grund und Boden regeln kann. Die Frage ist also nicht, ob ein Gesetz für die Enteignung geschrieben werden kann, sondern wie.

DWE wollte die EP kritisch begleiten. Nicht so einfach, denn die Tagungen finden geschlossen statt! Die mittlerweile veröffentlichten Protokolle sind unvollständig. Der Senat hat die Arbeit zusätzlich sabotiert, z. B. werden notwendige Daten darüber, welche Konzerne und welche Wohnungen genau enteignet werden sollen, nicht rausgerückt. Wem welche Wohnungen in Berlin gehören, könnten Auszüge aus den Grundbüchern der Stadt verraten. Sie liegen dem Senat vor, werden aber „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht an die EP rausgegeben.

Mit der nun absehbaren CDU-SPD-Koalition wird die EP wohl weiter Dinge totprüfen, die der neue Senat noch weniger umsetzen will. Die Initiative DWE hatte scheinbar hohe Erwartungen an die Wahlwiederholung und rief dazu auf, „die Immobilienlobby abzuwählen“. Dies gestaltete sich als Wahlkampf für die Linkspartei. Die Hoffnung dahinter: Ein neuer Koalitionsvertrag, in dem die endlosen Prüfstufen wegfallen und es direkt darum geht, ein Gesetz zu schreiben.
Doch wenn eines klar geworden ist, dann dass dieser Kampf nicht durch bessere Argumente gewonnen wird. Hier stehen die Interessen der Mieter:innen denen der Immobilienkonzerne gegenüber. Und nicht nur die Kapitalist:innen in der Immobilienbranche, sondern alle anderen sowie deren politische Vertreter:innen dürften kaum Interesse an einer Vergesellschaftung haben. Die EP war eine Aufschiebetaktik, die Widersprüche unter den Koalitionspartnern vertuschen und der Entscheidung über die Vergesellschaftung einen rein juristischen Anstrich verleihen sollte! Der Senat will eindeutig nicht gegen das Kapital vorgehen.

Am 26. März folgt ein Volksentscheid über „Berlin 2030 Klimaneutral“. Einige Aktivist:innen sind optimistisch, denn im Gegensatz zu DWE gibt es ein fertiges Gesetz. Da der alte Senat noch dafür gesorgt hat, dass er nicht parallel zur Wiederholungswahl stattfand, ist fraglich, ob überhaupt genug Leute teilnehmen.

Es gibt auch offene Fragen in dem Gesetz. Z. B. sollen steigende Warmmieten aus dem Landeshaushalt erstattet werden. Wie das aber finanziert werden soll, steht nicht im Gesetz. Auch wenn der Volksentscheid gewonnen wird, werden die politischen Auseinandersetzung weiter gehen müssen. Mieten- und Klimagerechtigkeit wird nur durch Mobilisierung, Demos und Streiks erreicht werden!

Hannah Latz und Richard Lux, Berlin

1 DWE hatte das Ziel, große Wohnungskonzerne zu enteignen. Siehe: sozialismus.click/enteignen-ja-bitte/

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